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DUH: Regierung ignoriert Expertenrat und verhindert wirksamen Klimaschutz 

Die Bundesregierung will das Klimaschutzgesetz ändern. Ein Entwurf wird momentan von den Spitzen der Ampelfraktionen verhandelt. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat dazu 22 Fragen an die Ampelkoalition, von denen wir an dieser Stelle einige aufführen, weil sie die Vielfalt der Probleme und Fehlsteuerung bei der Klimapolitik zeigen. 

DUH erklärt, der Plan, die verbindlichen Sektorvorgaben im Klimaschutzgesetz abzuschaffen werde von den offiziellen Expertengremien der Bundesregierung einhellig als deutliche Schwächung des Gesetzes kritisiert. Der Expertenrat für Klimafragen warne, dass „eine Aufweichung der Ressortverantwortung […] die Gefahr des Verharrens in angestammten technologischen Pfaden (beispielsweise bei Verkehr und Gebäude) erhöht“ und kritisiert, dass „die sektorale Nachsteuerung aufgegeben und damit die Governance-Funktion des Bundes-Klimaschutzgesetzes geschwächt“ wird.  Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) kritisiere die Aufhebung der Sektorvorgaben als „Rückschritt“, der zu „unklaren Verantwortlichkeiten und damit zu unproduktiven Debatten über die Beiträge der Sektoren führen“ wird. Entsprechend fragt die DUH: Erkennt Ihre Fraktion den Expertenrat für Klimafragen als unabhängiges, mit hoher Sachkompetenz ausgestattetes Gremium an? Erkennt Ihre Fraktion den Sachverständigenrat für Umweltfragen als unabhängiges, mit hoher Sachkompetenz ausgestattetes Gremium an? Daraus ergibt sich die Frage, wie es zu rechtfertigen sei, dass Entscheidungen von enormer Tragweite wie die beschriebenen Änderungen am Klimaschutzgesetz gegen die expliziten Warnungen mehrerer von der Bundesregierung eigens berufener Expertengremien erfolgen sollen? Wiederum wie schon seit Jahren geht es auch darum, dass schwammige, unverbindliche Ziele ihre Wirkung verfehlen. Daher dieser DUH-Aufruf: Bitte erläutern Sie konkret, wie es ohne gesetzliche Sektorvorgaben künftig einfacher wird, unwillige Ministerien zur Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen zu bewegen.

Auf EU-Ebene sind für jeden Mitgliedstaat verbindliche Emissionsobergrenzen für Sektoren wie Verkehr und Gebäude festgelegt, die nicht dem Emissionshandel unterliegen (ESR-Sektoren). Im Projektionsbericht 2023 wird eine Klimaschutzlücke prognostiziert, die überwiegend den ESR-Sektoren zuzuordnen ist. Dazu will DUH von der Bundesregierung wissen: Stellt die im Entwurf des Klimaschutzgesetzes festgelegte „aggregierte Betrachtung aller Sektoren“ für den Zeitraum bis 2030 die Einhaltung der europäischen ESR-Ziele sicher? In welcher Höhe wären Strafzahlungen (bzw. Zahlungen für den Ankauf von Emissionsberechtigungen von anderen EU-Ländern) bei Nichterreichung der europäischen ESR-Ziele aus Ihrer Sicht vertretbar und wie sollten diese finanziert werden?

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat die Bundesregierung am 30. November 2023 dazu verurteilt, wirksame Klimaschutzsofortprogramme für die Sektoren Gebäude und Verkehr zu beschließen. Mit der geplanten Änderung des Klimaschutzgesetzes würde diesem Gerichtsurteil nachträglich die rechtliche Grundlage entzogen, so dass die Bundesregierung das Urteil ignorieren könnte. Dazu fragt DUH: Erkennen Sie an, dass die Bundesregierung laut Urteil des OVG Berlin-Brandenburg mit ihrer bisherigen Klimapolitik das Klimaschutzgesetz bricht? Als Antwort auf das Urteil will die Bundesregierung die gesetzlichen Vorgaben so weit schwächen, dass sie mit ihrer unzulänglichen Klimapolitik kompatibel sind. Das Urteil würde so nachträglich ausgehebelt. Unterstützen Sie dieses Vorgehen? Was spricht gegen den deutlich naheliegenderen Weg, die Klimapolitik an den bestehenden gesetzlichen Vorgaben auszurichten? Finden Sie es mit Blick auf die vom Bundesverfassungsgericht festgestellte zentrale verfassungsrechtliche Bedeutung von Klimaschutz akzeptabel, wenn die Bundesregierung ein eindeutiges Gerichtsurteil gegen ihre Klimapolitik durch Gesetzesänderung umgeht?

Der Entwurf des neuen Klimaschutzgesetzes sieht auch vor, dass Emissionsprognosen künftig durch ein Forschungskonsortium erstellt werden, über dessen Zusammensetzung das Kanzleramt, das Finanzministerium, das Wirtschafts- und Klimaschutzministerium, das Bauministerium, das Verkehrsministerium, das Umweltministerium und das Landwirtschaftsministerium „im Einvernehmen“ entscheiden sollen. Dazu DUH: Bitte nennen Sie konkrete Beispiele aus der Vergangenheit, die zeigen, dass eine zügige und reibungslose Besetzung eines Konsortiums durch sieben Bundesministerien in einer ähnlich kontroversen und zeitkritischen Angelegenheit wie der Klimapolitik plausibel ist. Letztes Jahr gab es zwei Gutachten zu den vorgeschlagenen Klimamaßnahmen im Verkehr – eines vom BMWK und eines vom BMDV –, die sich in ihren Ergebnissen deutlich unterschieden. Erkennen Sie an, dass in diesem Fall bereits zwischen zwei Ministerien kein Einvernehmen zur gutachterlichen Bewertung erzielt wurde? Welcher Mechanismus im neuen Klimaschutzgesetz stellt sicher, dass das Forschungskonsortium die Emissionsprognosen unabhängig und frei von politischem Einfluss erstellt?

Die Novelle des Klimaschutzgesetzes sieht außerdem vor, dass weitere Klimaschutzmaßnahmen erst dann beschlossen werden müssen, wenn in zwei aufeinander folgenden Jahren eine Verfehlung des Gesamtklimazieles bis 2030 projiziert wird. Auch diesen Vorschlag hat der Expertenrat für Klimafragen klar als „Verzögerung“ kritisiert. Dazu will DUH wissen: Stimmen Sie zu, dass die nötigen zusätzlichen CO2-Einsparungen bis 2030 umso schwieriger werden, je später sie angegangen werden? Stimmen Sie zu, dass die meisten Klimaschutzmaßnahmen nicht sofort wirken?

Mit dem Klimaschutzprogramm der Bundesregierung vom Oktober 2023 können die gesetzlichen Klimaziele bis 2030 nicht eingehalten werden, so die DUH – „das gibt die Bundesregierung selbst zu. Es verbleibt eine große Lücke von 194 bis 331 Mio. Tonnen CO2, die in den kommenden sechs Jahren und neun Monaten bis 2030 eingespart werden müssen.“ Mit dem geänderten Klimaschutzgesetz müssten jedoch frühestens 2025 weitere Klimaschutzmaßnahmen auf den Weg gebracht. Dazu fragt die DUH: Halten Sie es für realistisch, dass die Bundesregierung während des Bundestagswahlkampfs im Jahr 2025 ein Klimaschutzprogramm verabschiedet? Schließlich fordert DUH die Bundesregierung auf zu erklären, wie die geplanten CO2-Einsparungen bis 2030 erreicht werden sollen.

Es zeigt sich schon jetzt, wenn die Regierung nicht sofort mit einschneidenden Maßnahmen eine Kursänderung hinlegt, werden die Ziele weit verfehlt. DUH macht deutlich, wo die Probleme liegen. (nw)