Protestierende Klimaschutzaktivisten in Berlin setzten in der dritten Augustwoche und damit nur gut einen Monat vor der Bundestagswahl den Regierungsparteien ein deutliches Signal. Oft in dreistelliger Zahl zogen teils mit Tiermasken verkleidete und mit Trommeln ausgerüstete Demonstranten vor die Parteizentralen von CDU und SPD sowie vor das Landwirtschaftsministerium und die Gebäude von CDU-Wirtschaftsrat und Bauernverband. Dort machten sie ihren Unmut über die ihrer Meinung nach Klimaschutz blockierenden Akteure laut. Optische Ausrufezeichen setzten sie etwa durch Farbblut auf sich und der Fassade der CDU-Zentrale. Viele Teilnehmer gehörten der Bewegung Extinction Rebellion oder der Schülerinnen- und Schüler-Bewegung Fridays for Future an.
Die Wahlkampf betreibenden Spitzenkandidaten geben derweil neue Versprechen für den Fall ihrer Wahl aus. So betonte SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz, er werde am geplanten Ausstiegsdatum des letzten Kohlekraftwerks spätestens 2038 nicht rütteln. Doch das Ausstiegsgesetz lasse ein früheres Ende zu, wo es Alternativen gebe. Scholz will deshalb im ersten Regierungsjahr alle Gesetzesänderungen für einen deutlich schnelleren Ausbau der Erneuerbaren einleiten.
Grünen-Spitzenkandidatin Annalena Baerbock, eine der drei chancenreichen Bewerbenden für die Kanzlerschaft, will das Kohle-Aus auf 2030 vorziehen und dafür auf jedem Dach eines neuen Hauses verpflichtend Photovoltaikanlagen sehen und zwei Prozent der Landesfläche für Windkraftausbau sichern.
Für die CDU bekannte Bundeswirtschaftsminster Peter Altmaier, er „rechne damit, dass wir den Ausbau der erneuerbaren Energien noch einmal um bis zu ein Drittel steigern müssen“. Dafür wolle er in Koalitionsverhandlungen konkrete Vorschläge vorlegen. Auch CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet hält am Kohleausstiegsplan fest. Bis Mitte August beschränkte sich der Kandidat auf eine knappe marktwirtschaftliche Botschaft – wohl aus Rücksicht um seine teils windenergieskeptische Wählerschaft unter ländlichen Eigenheimbesitzern, die bei Windparks in Sichtweite um Wohnqualität und ihre Immobilienwerte bangen: Laschet ist demnach für marktwirtschaftliche Anreize und einfachere, kürzere Planverfahren, um die Erneuerbaren schneller auszubauen.
Doch während Ende August die Umfragewerte für die CDU erstmals unter die der SPD sackten, präsentierte Laschet plötzlich ebenfalls neue Energiewendeforderungen. Er will demnach einem Flächenziel von zwei Prozent der bundesweiten Landesfläche für die Windkraftnutzung folgen. Die CDU präsentierte mit einem im Nachrichtenmagazin Spiegel am Montag lancierten Artikel plötzlich ein 15-Punkte-Programm für den Ausbau der Erneuerbaren-Versorgung auf eine Erzeugungskapazität für 100 Prozent des Strombedarfs in Deutschland. Die von der Windenergiebranche geforderte und bisher als ausreichende betrachtete Zwei-Prozent-Ausweisung von Windenergieeignungsflächen will Laschet allerdings mit einer Einschränkung versehen: Der Ausbau soll sich möglichst auf vorbelastete Flächen konzentrieren – „entlang von überregionalen Verkehrswegen im Außenbereich oder an Parkplätzen“. Eine PV-Dachpflicht will die CDU vermeiden, dafür aber zinslose Darlehen an Hausdach-PV-Investoren ausgeben. Für die Energiewende ist nun außerdem ein neues CDU-Klimateam zuständig, das aus drei Mitgliedern wie der Gründerin der neuen CDU-Klima-Union, Wiebke Winter, besteht.
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