Martin Maslaton
Die neue Mindestabstand-Vorgabe schützt niemanden, bringt keine Akzeptanz, verschiebt die Verantwortung auf die Kommunen, erhöht die Kosten und könnte am Ende verfassungswidrig sein. Die Vorgabe steht auch im Gegensatz zu diesen Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vom 24. September 2019: „Wir haben alle den Weckruf der Jugend gehört.“
Klimaziele 2030 in Frage gestellt
Man weiß nicht, wie die Bundesregierung den Weckruf der Jugend mit den jüngsten Klimabeschlüssen zusammenbringt. Die Kommentatoren sind sich einig, dass ein Mindestabstand von 1000 Metern zwischen Wohnbebauung und Windkraftanlagen die Erreichung der Klimaziele 2030 massiv in Frage stellt. Woher sollen 65 Prozent Strom aus Erneuerbaren kommen, wenn die Fläche für „das Arbeitspferd der Energiewende“ um ein Drittel bis die Hälfte reduziert wird?
Große Abstände haben Akzeptanz nicht geholfen
Der Beschluss ist schon allein handwerklich miserabel, weil im Hinblick auf die Implementierung diffus von „Flächenplänen“ die Rede ist. Gravierender ist jedoch, dass eine derartige Festsetzung gegen die in Art. 28 Abs. 2 GG verortete kommunale Selbstverwaltungsgarantie und Planungshoheit verstößt. Am Ende wird diese Frage womöglich vor dem Verfassungsgericht geklärt werden.
Glauben SPD und CDU wirklich, dass ein höherer Abstand die Akzeptanz fördert? Das lässt sich weder empirisch belegen – und schon gar nicht juristisch herleiten. Beim Kriterium der „optischen Bedrängung“ sieht die Rechtsprechung (VGH München, Urt. v. 28.7.2009 – 22 BV 08.3427) vor, dass die erforderlichen Abstände sich aus dem § 35 Abs. 3 BauGB in Verbindung mit dem Rücksichtnahmegebot ergeben. Eine optisch-bedrängenden Eindruck von Windrädern entsteht nach dem Urteil des VHG München bis zur zweifachen Gesamthöhe der Anlagen. Das wären also auch bei den modernen Windenergieanlagen von 200 bis 250 Metern Gesamthöhe eher bis zu 500 anstelle der jetzt ins Spiel gebrachten 1000 Meter. Dass Abstände heute in Deutschland fast durchgehend mindestens 800 Meter betragen, hat der Akzeptanz beim harten und sehr lauten Kern der Windkraftgegner in keiner Weise geholfen.
Abstand ist bei Schall und Schatten kein Kriterium
Auch Lärm löst man juristisch nicht über Abstände. Nach den Konkretisierungen von § 5 Abs. 1 BImSchG im untergesetzlichen Regelwerk der TA-Lärm ergeben sich verschiedene Grenzwerte je nach baulicher Nutzung, Wohngebiete genießen darum höheren Schutz als Gewerbe- und Industriegebiete. Damit die Anlagen die gegebenen Grenzwerte am Immissionsort einhalten, haben die Hersteller die Technik massiv weiterentwickelt. Die Gesamtschallemissionen weniger großer Anlagen ist heute viel geringer als die von vielen alten Möhrchen auf einer Fläche. Abstand spielt hier eine untergeordnete Rolle.
Wie nachgrade widersinnig „Abstand“ als Kriterium der Belästigung ist, zeigt sich besonders beim Schall: Um Beeinträchtigung bei tief stehender Sonne zu vermeiden werden Abschaltzeiten, aber keine Abstände festgelegt.
Es geht ums Ganze der Energiewende
Eine Abstandsflächenpflicht erhöht also nicht den Schutzes gegen schädliche Umwelteinwirkungen, sondern schafft lediglich eine darüber hinausgehende Vorsorge und adressiert die Bekämpfung von bislang als bloße Unannehmlichkeiten qualifizierte Beeinträchtigungen.
Politisch werden bundeseinheitliche Abstände von 1000 Metern die Akzeptanzdebatte daher nicht befrieden. Die einschlägigen Bürgerinitiativen und Parteien wie die AfD machen seit Langem klar: Es geht ihnen ums Ganze der Energiewende, nicht um einzelne Regelungen zum Schutz vor Bedrängung, Lärm oder Schatten im Detail.
Der Autor dieses Textes, Dr. Martin Maslaton, ist Rechtsanwalt und Professor für das Recht der Erneuerbaren Energien, Leipzig.
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