Tobias Münchmeyer, stellvertretender Leiter Politik von Greenpeace in Berlin, kommentierte dazu: „Für mich ist das in der Krisenstunde das Pfeifen im Walde, was hier veranstaltet wird. Vattenfall Deutschland steht auf der Streichliste des Mutterkonzerns. Das hier Diskutierte geht am eigentlichen Thema vorbei.“ Er wollte von Vattenfall wissen, wie viele Volllaststunden Braunkohlestrom der Konzern absetzen muss, damit sich sein Geschäft weiter lohnt. Sprich: Je mehr Regenerativstrom mit den entsprechenden Systemdienstleistungen verfügbar ist, desto weniger Vattenfall wird gebraucht. Diese Antwort blieb der Vorstand ihm schuldig. Stattdessen ging es um die Flexibilisierung des Kraftwerksparks – und darum, ein gesundes Unternehmen mit Wachstumspotenzial zu präsentieren. „Durch Erweiterung der Tagebaue“ soll die Braunkohle erfolgreich bleiben. „In der jüngsten Vergangenheit haben wir so viel produziert, wie die letzten 20 Jahre nicht“, so Zeiß. 62 bis 63 Millionen Tonnen Braunkohle will Vattenfall langfristig wie bisher jährlich fördern. Das sei für die Versorgung nötig: "Wie die Stromlücke durch den Wegfall der Atomkraft geschlossen werden kann, das kann ich Ihnen nicht sagen", so Zeiß. Statt einer Stromlücke haben wir allerdings heute einen massiven Stromüberschuss, der zu den höchsten Stromexportraten seit Langem führt. Greenpeace hatte gestern eine Protestnote an die schwedische Regierung veröffentlicht, in welcher die Umweltschützer gegen die Tagebaupläne von Welzow Süd II protestierten. "Braunkohle ist der CO2-intensivste aller überhaupt verfügbaren Energieträger."
Konventionelle Energie sei ein wichtiger Partner für die Energiewende. „Wir sind auf eine verlässliche Stromversorgung angewiesen.“ Diese könne durch erneuerbare Energien nur anteilige ausgeglichen werden. Wenn Erneuerbare witterungsbedingt nicht verfügbar sind, dann seien es die Konventionellen, die ausgleichen müssten. Zeiß sprach hier von einer „Partnerschaft zwischen Braunkohle und Erneuerbaren“. So seien beispielsweise 81 Prozent weniger Erneuerbarenstrom im Februar ins Netz geflossen. Ausgeglichen worden sei durch Fossile.
„Seit 100 Jahren fördern wir Braunkohle im Revier Lausitz“, sagte Vorstand Hubertus Altmann. Früher sei Braunkohle immer als Grundlast gefahren worden, also auf Nennleistung hochgefahren und konstant so gehalten worden. „Dafür sind unsre Kraftwerke vor 25 Jahren ausgelegt worden.“ Das aber werde der heutigen Situation nicht gerecht. Von neun Gigawatt fossiler Leistung seien derzeit drei bei Vattenfall flexibel. Das Kraftwerk Jänschwalde könne die Leistung zum Beispiel in 20 Minuten von 100 auf 50 Prozent absenkbar. Wenn also kurzfristig der Verbrauch reduziert wird oder Wind und Sonne zunehmen, dauert es 20 Minuten, bis das Kraftwerk auf seine halbe Leistung runter gefahren ist.
Jetzt will Vattenfall seine Anlagen ohne größere Umbauten flexibler machen. Ältere Komponenten sollen zum Beispiel durch empfindlichere Geräte ersetzt werden, die die Flexibilität erhöhen. Kohle soll nicht mehr „grubenfeucht“ im Kraftwerk Schwarze Pumpe angeliefert, sondern per Trocknungsanlage vorgetrocknet werden. Dadurch könne die Anlage stärker gedrosselt werden. Das sei ein wesentliches Entwicklungsfeld. „Mit der neuen Technologie kann von 500 auf 100 Megawatt heruntergefahren werden; die Netze werden dann weniger verstopfen.“ Der Pilottrockner in Schwarze Pumpe habe alle Umbauten inklusive 70 Millionen Euro gekosten, Die Förderung betrug drei Millionen Euro.
Das Demonstrationsprojekt solle langfristig keine Mehrkosten verursachen. Und auch für den Emissionshandel sei es positiv, wenn die Trocknungsanlage verstärkt eingesetzt würde. In dem Zusammenhang sagte Zeiß auch, die Reduzierung der CO2-Zertifikate, die gerade in der EU erörtert wird, müsse sich nicht negativ für Vattenfall auswirken. Man müssen zwar mehr für Emissionen bezahlen, aber auch der Strompreis insgesamt werde steigen, was zu besseren Einnahmen führt. (Nicole Weinhold)