Nach dem europaweit starken Zubau neuer Windparks von 2017 prognostiziert die HSH Nordbank in ihrer „Branchenstudie Windenergie“ einen zunächst heftigen Rückgang. Das Volumen der binnen eines Jahres neu installierten Kapazität wird demnach um 3,7 Gigawatt (GW) auf noch 13.1 GW im aktuellen Jahr 2018 zurückfallen. Auch 2019 wird der Jahreszubau laut den HSH-Nordbank-Erwartungen mit 14,5 GW noch mehr als zwei GW niedriger bleiben als der des bisherigen Rekordjahrs 2017.
Die Prognose der Bank, die Daten der europäischen Windenergieverbände mit eigenen Berechnungen abgleicht, fällt damit negativer aus als die Erwartungen des Weltwindenergierates GWEC. In seinem Global Wind Report hatte GWEC im April für beide Jahre zusammengenommen noch ein um 1,3 GW geringeres Minus vorhergesagt. 2018 und 2019 würde der Minderausbau gemessen am guten Niveau des Jahres 2017 genau 3,0 plus 1,8 GW betragen, legte der GWEC-Report damals nahe.
Den Einbruch im Windparkausbaugeschäft rechnet die HSH Nordbank vor allem dem in den Führungsmärkten Deutschland und Großbritannien zurückgehenden Windturbinen-Installationen zu. So erwartet die HSH Nordbank wie viele andere Marktbeobachter auch, dass beide Länder in den kommenden Jahren nicht mehr für das Gros des Zubaus in Europa alleine aufkommen können. Hier verweist die HSH Nordbank beispielsweise für Deutschland auf die 2017 erfolgte Ausbauwelle mit zahlreichen Windparkprojekten, deren Investoren eine Übergangsregelung ausnutzten. Sie konnten vor 2017 genehmigte Projekte in den Genuss einer komfortabel oberhalb des Strommarktpreises fixierten Einspeisevergütung bringen, statt sich schon im unsicheren Wettbewerb des 2017 eingeführten Ausschreibungssystems durchsetzen zu müssen.
Deutschland wird nun gemäß der HSH-Prognose 2018 zunächst noch auf einen Zubau an Land wie im Meer von zusammengerechnet 4,3 GW kommen, nach 6,6 GW im vergangenen Jahr. Nach einem vorläufigen Tiefpunkt von sogar nur noch 2,85 GW im Jahr 2019 sieht die HSH Nordbank den europäischen Führungsmarkt der Windkraft zwar schon 2020 mit 4,75 GW und 2021 mit 6,6 GW zur vorherigen dominanten Größe zurückkehren. Von 2022 bis 2025 aber soll das Niveau auf nur noch durchschnittlichen 3,9 GW verharren. Ähnlich die prognostizierte Entwicklung Großbritanniens: Hier sieht die HSH Nordbank nach dem Rekordjahr 2017 mit 4,3 GW neu installierter Windkraft eine Stagnation bei etwa 2,3 GW voraus. Wobei die „Branchenstudie Windenergie“ für 2020 und 2021 sogar einen kurzen Einbruch des jährlichen Zubaus auf unter ein GW erwarten lässt.
Allerdings legt die Bank für die Jahre 2020 und 2021 auch einen plötzlichen Wachstumssprung im Neuinstallationsgeschäft nahe. Sie zeichnet einen Zwischentrend nach, den schon der GWEC im April angekündigt hatte – erwartet diesen aber um ein Jahr vorher und ist dabei noch optimistischer. So hatte GWEC für 2020 noch einen Jahreszubau von 14,5 GW prognostiziert – weiterhin also mehr als zwei GW unterhalb des Niveaus des Rekordjahres 2017. Doch 2021 und 2022 soll der Zubau laut GWEC wieder auf 16 und 17 GW springen und damit erneut etwa so gut wie 2016 verlaufen. Die HSH Nordbank hält nun sogar Werte von über 19 GW für möglich – und zwar schon in den Jahren 2020 und 2021. Und 2022 bis 2025 würden noch wie im Rekordjahr 2017 etwas mehr als 16 GW pro Jahr neu hinzukommen.
Grundsätzlich zeichnet die HSH Nordbank in ihrer „Branchenstudie Windenergie“ das Bild einer guten Ausgangssituation des Windenergieausbaus in Europa. „Nach gut eineinhalb Jahren mit verpflichtenden Auktionen zur Förderhöhenbestimmung lässt sich resümieren, dass die Einführung dieses Wettbewerbselementes bei neuen Windenergieprojekten den angestrebten Druck auf die Vergütungshöhen entfaltet hat“, schreibt sie mit Blick auf Europas führenden Windenergiemarkt Deutschland in der Einleitung ihrer Analyse. Und mit Blick auf ganz Europa erklärt die HSH Nordbank, warum sie von einem immer einfacher werdenden Investitionsumfeld der Windkraft auf dem Kontinent ausgeht: „In den vielen Ländern liegen diese (Vergütungshöhen, tw) nur noch leicht über dem aktuellen Strompreisniveau und in einigen sogar schon darunter. Die Windenergie braucht also zusehends weniger staatlich gesteuerte Unterstützung.“ Zudem habe sogar der Windparkzubau auf See nun eine Entwicklungsstufe erreicht, in der er künftig „keine oder nur noch eine marginale Förderung zu benötigen“ scheine.
In diesem Zusammenhang geht die HSH Nordbank zugleich von einem aktuell „sehr förderlichen Finanzmarktumfeld“ aus. Dieses dürfte die Förderungs-freien Windparkinvestitionen in Europa wesentlich erleichtern, legt es das Finanzinstitut damit nahe. Niedrigzinsen, niedrige Kreditrisikoprämien und ermäßigte Eigenkapitalquoten-Vorgaben gingen einher mit einem anhaltend starken Interesse von Versicherern, Kapitalanlage-Fonds oder anderen so genannter institutioneller Anleger an den Windparkprojekten „mit sehr gut abgesichertem Cashflow“ – also mit einem sicheren Rückfluss an Einnahmen aus der künftigen Einspeisung.
Allerdings lässt eine tiefere Prüfung der Prognosestatistiken in der HSH-Untersuchung dann auch große Probleme des europäischen Windenergiemarktes erkennen: So brachen im vergangenen Jahr die jährlichen Investitionen für Windenergieprojekte im Großraum EMEA – Europa, Mittlerer Osten und Afrika – schlagartig um fast 40 Prozent auf 28,9 Milliarden Euro ein. Weniger war es zuletzt 2012, während 2016 mit einem Investitionsvolumen von 47,3 Milliarden Euro noch ein Rekordjahr war.
Außerdem deutet die Entwicklungsprognose der HSH Nordbank bis 2021 nur für sieben der weit mehr als 40 Länder Europas eindeutig nach oben: Italien, Schweden, Polen, Niederlande, Spanien, Türkei und Norwegen. Und von diesen haben lediglich drei Länder, nämlich Spanien, Türkei und Norwegen, mehr als nur ein Ausnahmejahr mit wirklich großem Zubau in Gigawattgröße zu erwarten. Frankreich wird nach einem zwischenzeitlich deutlichen Rückgang des Ausbaus erst ab 2022 einen neuen Höhepunkt des Zubaus erreichen und zwar bei durchschnittlich 2,1 GW. Damit würde das Land dann einen Ausbau wie der Windmarkt Großbritanniens erleben, das zuvor ebenfalls einen zwischenzeitlichen Einbruch verkraften muss, im Zeitraum 2022 bis 2025 aber laut HSH-Nordbank-Analyse auf einem Niveau von jährlich 2,3 GW angekommen sein wird.
Die HSH Nordbank sieht vor allem die Einigung der Länder der Europäischen Union (EU) auf eine Neufassung ihrer Erneuerbare-Energien-Richtlinie mit einem Ziel eines 32-Prozent-Anteils am Energieverbrauch für das Jahr 2030 als entscheidenden Faktor an, um den Windkraftzubau zumindest zu verstetigen. In Kombination damit bewirkten die überall eingeführten neuen Ausschreibungssysteme das Positive00: „Für die Zukunft hält Primär der zukünftig langfristigere Ausschreibungskalender bietet für die Projektentwickler, aber auch Anlagenhersteller einen längerfristigen Planungshorizont, welcher in der Vergangenheit in einigen Ländern nicht gegeben war. Die Uniformierung verschiedener Fördersysteme kann administrative Hürden für die Windbranche abbauen.
(Tilman Weber)