Die Nachfrage nach großen Flächen für Photovoltaikanlagen steigt seit einigen Monaten bundesweit deutlich an. Nachdem die Errichtung von Windenergieanlagen in vielen Regionen nahezu vollständig zum Erliegen gekommen ist, rücken dabei jetzt insbesondere landwirtschaftliche Flächen in den Fokus der Betrachtung. Der Stillstand beim Ausbau der Windenergie soll jetzt durch den verstärkten Zubau von PV-Freiflächenanlagen kompensiert werden. Das Rennen hat begonnen, Ackerland in Investorenhand. Aber halt: bevor eine Entwicklung nicht mehr aufzuhalten ist, muss geordnet gegengesteuert werden.
Förderrichtlinien
Eine Einspeisevergütung für PV-Anlagen wird nach dem EEG bis zehn Megawatt gewährt, sofern sie auf einer förderfähigen Freifläche errichtet worden ist. Die Förderfähigkeit ist gesetzlich definiert. Seit dem EEG 2008, ergänzt durch Änderungen 2010, werden PV-Freiflächen auf Acker nicht mehr gefördert.
Allerdings haben die Länder Bayern und Baden-Württemberg im März des Jahres 2017 von der Länderöffnungsklausel, die das EEG 2017 ausdrücklich vorgesehen hat, Gebrauch gemacht. Danach können benachteiligte Acker- und Grünflächen für solche Agrophotovoltaik-Anlagen wieder mit in die Ausschreibungen einbezogen werden. In Baden-Württemberg sind pro Jahr maximal 200 Hektar, die für den Bau von 100 Megawatt ausgelegt sind, freigegeben worden. In Bayern dürfen pro Jahr maximal 30 Projekte mit 420 Megawatt auf Acker- und/oder Grünflächen in den Ausschreibungsverfahren gefördert werden.
Als drittes Bundesland hat inzwischen auch Hessen durch die Länderöffnungsklausel zusätzlicher Platz für Photovoltaikanlagen auf ertragsarmen Böden freigegeben. Durch eine Verordnung des Hessischen Wirtschafts- und Energieministeriums können damit insgesamt 35 Megawatt Gesamtleistung pro Jahr durch Ausschreibungen realisiert werden. Jetzt fordert aktuell auch der Landesverband Erneuerbare Energien von NRW, ertragsarme landwirtschaftliche Flächen für Photovoltaik zuzulassen, nachdem bei der jüngsten Photovoltaik-Ausschreibung Nordrhein-Westfalen leer ausgegangen ist.
Die hier genannten Ausbauziele für Photovoltaik auf landwirtschaftlichen Flächen sind gerade noch übersichtlich und überschaubar, auch in ihrer Auswirkung auf den Raum. Weitere Bundesländer, so der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) in einer Verlautbarung im Sommer des vergangenen Jahres, werden diesen Beispielen noch folgen. Nordrhein-Westfalen wird offensichtlich das nächste Bundesland sein. Die Nachfrage nach Ackerflächen, für Freiflächenanlagen und Agrophotovoltaik zur Erzeugung von Strom, nimmt also unübersehbar weiter zu.
Nachfrage und Planungsdruck
Um die Klimaziele bis zum Jahr 2050 zu erreichen, ist auch der weitere Zubau von Photovoltaikanlagen dringend erforderlich. Das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE), so die Frankfurter Rundschau vom 25. Februar 2020, kommt zu dem Ergebnis, dass dazu 500 Gigawatt bei der Photovoltaik nötig sind. Diese pauschale Forderung reicht alleine aber nicht aus. Den Zubau zu erhöhen und damit auch die Flächenkulisse für PV-Freianlagen zu öffnen, ist zwar dringend geboten, kann aber nur rahmensetzend und qualitativ erfolgen, um eine geordnete räumliche Entwicklung zu gewährleisten.
Waren bisher die energierechtlichen Vorgaben und Förderrichtlinien Grundlage jeder Freiflächenplanung, soll jetzt wieder Ackerland für PV-Anlagen bereitgestellt werden. Diese Projekte sollen großflächig ohne Ausschreibung und Förderung landesweit umgesetzt werden. PPA ist dabei das neue Zauberwort.
Gegen solche Stromlieferungsverträge gibt es grundsätzlich keine Bedenken, aber die Tendenz zum verstärkten Ausbau der Photovoltaik bedeutet die Belegung von weiteren Flächen, die wegen drohender Nutzungskonkurrenz und negativer Raumbeanspruchung zu neuen Konflikten führen wird. Zudem können landwirtschaftliche Flächen ohnehin nur einen geringen Teil des zunehmenden Flächenbedarfs decken, dort errichtete Photovoltaikanlagen aber zu erheblichen Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes führen.
Auf der einen Seite kann die Energiewende nur durch einen verstärkten Zubau von Photovoltaik- und Windenergieanlagen beschleunigt werden. Andererseits bedarf es bei einer derartig gravierenden Flächeninanspruchnahme einer möglichst konfliktfreien Lenkung, die auf Landesebene zu erfolgen hat. Sollte sich der Nachfragedruck jetzt weiter fortsetzen, drohen landwirtschaftliche Flächen knapp zu werden, ganze Landesteile werden durch PV-Module optisch geprägt, die Republik wird blau eingefärbt.
Klassische PV-Anlage: sie sollte, wie hier, nur auf geeigneten Flächen realisiert werden.
Die Fehler bei der Errichtung von Windenergieanlagen, die meist ohne jegliche landschaftsgerechte Anordnung im Raum realisiert worden sind, sollten hier nicht wiederholt werden. Sowohl die Wind- als auch die Solarenergie sind ohne die Betrachtung einer Landschaftsästhetik großflächig nicht mehr realisierbar, soweit diese nicht auf vorbelasteten und störunanfälligen Flächen und Standorten zugelassen werden können. Da helfen auch keine Bürgerbeteiligungsmodelle, um falsche Standortentscheidungen zu kaschieren. Darauf muss die Regionalplanung endlich reagieren. Was bei der Windenergie in den nächsten Jahren noch nicht korrigiert werden kann, darf bei Photovoltaikanlagen auf Freiflächen gar nicht erst passieren: der Wildwuchs. Die Gefahr, dass es bei einer ungesteuerten Entwicklung auch hier zu Akzeptanzproblemen kommen wird, ist nicht zu unterschätzen. Es bedarf von Anbeginn einer geordneten Entwicklung, die nur im Rahmen einer kommunalen Bauleitplanung auf der Grundlage regionalplanerischer Vorgaben erfolgen kann. So können auch hier Klagen und langwierige Genehmigungsverfahren vermieden und die Akzeptanz gefördert werden. Sollten landwirtschaftliche Flächen, auch wenn diese als ertragsarm eingestuft sind, für PV-Anlagen in Anspruch genommen werden, sind spezifische Vorgaben dabei dringend zu beachten (Landschaftserfassung und Landschaftsbewertung). Darüber hinaus muss bei Anlagenart und Anlagengröße differenziert werden.
Eignungsgebiete für PV im Regionalplan
Die Regionalplanung ist unter Beachtung des Gegenstromprinzips auch auf Eignungsgebiete für raumbeanspruchende Photovoltaikanlagen auszurichten. Eine Privilegierung solcher Anlagen sollte dabei überprüft und grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden. Landwirtschaftliche Flächen sollten also für Photovoltaikanlagen grundsätzlich nicht ausgeschlossen, aber nur unter Einhaltung eines strengen Vorgabenkataloges für diese Nutzung in Frage kommen. Dabei kommt auch der Ackerzahl (Maßstab zur Kennzeichnung der Qualität einer Ackerfläche) eine entscheidende Rolle zu. Eine hohe Ackerzahl 100 bedeutet eine hohe Ertragsfähigkeit für die Landwirtschaft. Liegt eine Ackerzahl unter 20, kann eine landwirtschaftliche Nutzung nicht mehr als gewinnbringend bezeichnet werden und wäre für eine PV-Nutzung durchaus auch möglich.
Hinsichtlich weiterer Überprüfungskriterien sollte dabei noch nach Anlagenart, Anlagengröße, Ausrichtung und Topographie unterschieden sowie der Einfluss auf das Landschaftsbild einer näheren Betrachtung unterzogen werden.
Strategie und Ausrichtung
Der Zubau von Photovoltaikanlagen wächst unübersehbar weiter und scheint die Windenergie allmählich zu überholen. Auf der einen Seite muss die Politik wegen des Klimawandels jetzt umgehend handeln und den 52-Gigawatt-Deckel so schnell wie möglich aufheben. Andererseits sind die inzwischen wirtschaftlichen PV-Anlagen in ihrer Verteilung raumordnerisch zu lenken, um drohenden Wildwuchs zu verhindern. Eine unkontrollierte Expansion in die Fläche ist zu vermeiden. Der Zubau großer PV-Anlagen sollte, um die zunehmende Flächenbeanspruchung und Nutzungskonkurrenz zu vermeiden, weiterhin schwerpunktmäßig auf geeigneten Dachflächen, insbesondere in Gewerbe- und Industriegebieten, aber auch auf Hallen in Messegebieten und auf Flächen großer Hafenanlagen realisiert werden, um den Eigenverbrauch zusätzlich zu fördern.
PV-Zubau sollte vorrangig auf Dachflächen intensiviert werden. Dachflächen gibt es noch reichlich, hier die Messehallen Berlin.
Zudem ist die Nutzung der bisher klassischen Flächen weiter zu intensivieren. Dazu gehören sowohl Deponien, Konversionsflächen sowie Randstreifen von Autobahnen und Bahnanlagen, die sich in ihrer räumlichen Ausdehnung aber nach anderen Kriterien richten sollten, als auf die bisher damit verbundenen Förderrichtlinien. Es bedarf einer Integration und Vernetzung in ein gesamträumliches Energiekonzept unter Beachtung des Grundsatzes eines schonenden Umgangs mit Grund und Boden. Die starren 110-Meter-Streifen sind völlig überholt.
Hinzugekommen sind noch Wasserflächen auf denen schwimmende PV-Anlagen errichtet werden können. Solche Anlagen eignen sich neben Kiesgruben und Baggerseen insbesondere auch für großflächige Bergbaufolgelandschaften und sollten mehr berücksichtigt werden, als dies bisher der Fall war.
Die Regionalplanung muss sich also neu positionieren, um geeignete Flächen für PV-Freiflächen räumlich geordnet zu verteilen. Energie soll sich in den Raum einfügen und ihn nicht prägen. Energie und Landschaft dürfen nicht auf Kollisionskurs geraten, Energie darf Freiraumqualitäten nicht gefährden. Das gilt auch für Flächender Landwirtschaft.
Agrophotovoltaik neu denken
Bei der photovoltaischen Inanspruchnahme von dafür ohnehin begrenzten landwirtschaftlichen Flächen sollten strenge Kriterien angelegt werden. Auch wenn es sich um ertragsarme Flächen handelt, sollten diese nicht automatisch mit einer photovoltaischen Nutzung in Verbindung gebracht werden. Um den Druck auf diese Flächen zu minimieren, sollten diese grundsätzlich auch einer Doppelnutzung zugeführt werden. Stichwort: Agrophotovoltaik. Hier können sowohl ertragreiche als auch ertragsärmere Flächen einer genaueren Betrachtung unterzogen werden. Dabei gilt aber immer, dass diese Flächen zwar photovoltaisch genutzt, diese aber der Landwirtschaft weiterhin zur Verfügung gestellt werden können. Die bisherigen Anlagen in der gewohnten Süd- beziehungsweise Ost-West-Ausrichtung, die lediglich eine Grasbewirtschaftung ermöglichten, sollten nur noch als Ausnahme zugelassen werden.
Auf den doppelt nutzbaren Flächen, also in der Kombination Landwirtschaft und Energiegewinnung, wären nur noch zwei Anlagenarten relevant: neben der bereits erprobten Agro-Photovoltaikanlage als hoch aufgeständertes System, kommt das bifaciale und Ost-West ausgerichtete vertikale System neu hinzu. Hier werden die Solarmodule senkrecht montiert, wobei in den rund zehn Meter breiten Streifen zwischen den Solarzäunen eine landwirtschaftliche Nutzung weiterhin möglich ist.
Bei dem schon bekannten horizontalen System sind die Solarmodule acht Meter hoch montiert, wodurch eine Durchfahrtshöhe von fünf Metern für landwirtschaftliche Fahrzeuge entsteht. Beide Systeme sollten so schnell wie möglich das Pilotstadium überwinden und zur Regelausführung werden. Sie fördern den Zubau von PV-Anlagen, ohne landwirtschaftliche Flächen signifikant zu reduzieren.
Ausblick und Empfehlungen
Der dringend notwendige Zubau von großen Photovoltaikanlagen sollte weiterhin vorrangig auf geeigneten Dachflächen und auf den bisher klassischen Freiflächen erfolgen. Die Flächenkulisse ist dabei zu erweitern. Die Regionalplanung sollte alle raumrelevanten Flächen, die für eine regenerative Energiegewinnung in Frage kommen, als Eignungsgebiete berücksichtigen. Das betrifft auch landwirtschaftliche Flächen, soweit diese für Photovoltaikanlagen vorgesehen sind. Die unterschiedlichen Potenziale sind dabei räumlich-funktional miteinander zu vernetzen und mit der kommunalen Bauleitplanung abzustimmen. Flächennutzungskonkurrenz ist grundsätzlich zu vermeiden. Die Inanspruchnahme von landwirtschaftlichen Flächen für PV-Anlagen sollte nur im Zusammenhang mit einer Doppelnutzung erfolgen. Dabei steht die Agro-Photovoltaik im Vordergrund. Sie ist dazu bestens geeignet, sollte aber dennoch die Eigenart der Landschaft und ortsbildprägende Strukturen beachten.
Die Nutzung weiterer landwirtschaftlicher Flächen darf nur noch im Rahmen von Länderöffnungsklauseln für benachteiligte Acker- und Grünflächen nach strengen Kriterien in Betracht gezogen werden. Hier sind ausnahmsweise auch noch die herkömmlichen Systeme zulässig, wenn sich diese störungsfrei in den Landschaftsraum einfügen können. Standorte von geeigneten PV-Eignungsgebieten sind nach raumrelevanten Kriterien zu beurteilen und nur realisierbar, wenn sie im Rahmen einer Einzelprüfung zu keiner Überprägung des Landschaftsraumes führen und mit dem jeweiligen Landschaftsbild zu vereinbaren sind. Bürgerbeteiligungen sollten frühzeitig organisiert werden, um Akzeptanzprobleme von vornherein zu vermeiden.
Autor:
Ulrich Möller, 6MW, Planungsbüro für Raum und Energie
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