„Zahlreiche Beschwerden von Verbrauchern und Wettbewerbern“ haben ihn dazu bewegt. Am 18.12. eröffnete der EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia ein Verfahren gegen die Teilbefreiung stromintensiver Unternehmen von der sogenannten EEG-Umlage. Die EEG-Umlage zahlen Stromverbraucher um die Differenzkosten zwischen der Ökostromförderung und den Börsenstrompreisen auszugleichen.
Allerdings musste die bisher nicht jeder Stromkunde zahlen: Energieintensive Firmen durften sich ganz oder teilweise befreien lassen, wodurch die finanzielle Belastung durch die Umlage für alle anderen Unternehmen und Verbraucher stärker war: Die Industrierabatte steigern die Mehrbelastung allein 2013 um über zwei Milliarden Euro.
Die EU-Kommission will nun prüfen, ob diese Befreiungspraxis die EU-Beihilfeverordnung verletzt. „Durch die Teilbefreiungen scheint den Begünstigten ein selektiver Vorteil gewährt zu werden, der den Wettbewerb im EU-Binnenmarkt wahrscheinlich verfälscht“, schreibt Almunia.
Neben energieintensiven Unternehmen widmet sich das Verfahren auch der Umlagebefreiung, die das sogenannte Grünstromprivileg vorsieht. Stromlieferanten, die mindestens 50 Prozent ihres Stroms aus inländischen erneuerbaren Quellen beziehen, wurden bislang von der Umlage befreit. Dadurch entstanden zahlreiche kleine Grünstromanbieter im Markt. Die EU-Kommission kommt mit der Prüfung an dieser Stelle allerdings fast zu spät – schon im aktuellen Koalitionsvertrag Privileg abzuschaffen.
Dass Almunia die Industrie-Privilegien kürzen will, trifft in der Grünstrombranche auf offene Arme. „Hier ist über die Jahre ein Wildwuchs und teilweise sogar massiver Missbrauch entstanden, der die Verbraucher über Gebühr belastet. Einige Unternehmen erschleichen sich regelrecht die Befreiung von der EEG-Umlage: Sie lassen über Nacht z.B. die Produktionsbänder auf Hochtouren laufen und schalten dabei das Flutlicht ein“, sagt etwa Ove Petersen, Geschäftsführer des Projektierers GP Joule.
Der zweite Vorstoß Almunias löst dagegen herbe Kritik aus: Mit einer Änderung der EU-Beihilfeverordnung will der Wettbewerbskommissar Fördermodelle, wie sie das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz, vorsieht künftig unterbinden. Das stößt auch beim neuen Energieminister Sigmar Gabriel auf Unverständnis.
Zertifikate und Prämien - Modelle der Zukunft?
„Entwurf der Beihilfevorschriften für Energie und Umweltschutz“. So harmlos das neue Papier der EU-WEttbewerbskommission klingt - es ist ein offener Angriff auf die feste Einspeisevergütung, wie sie von diversen Ländern zur Förderung erneuerbarer Energien genutzt wird.
Dazu heißt es in einer Mitteilung der Wettbewerbskommission: „Angesichts steigender Marktanteile und sinkender Kosten der erneuerbaren Energien sollten staatliche Beihilfen schrittweise auf eine marktfreundlichere Förderung erneuerbarer Energien in Form von Marktprämien oder Zertifikaten übergehen. Mit den Marktprämien erhalten die Erzeuger einen Aufschlag zu dem Großhandelspreis und mit den Zertifikaten wird ein Markt geschaffen, auf dem Erzeuger und Anbieter von erneuerbarer Energie Zertifikate handeln können.“
Almunia will damit, wie er selbst schreibt, die Umweltbeihilfeleitlinien auf das Energiewesen ausweiten. Nationale Fördermodelle, die dem entgegenstehen wären demnach EU-rechtlich verboten. Bis zum 14. Februar dürfen sich die Länder nun zu diesem Vorschlag äußern. So lang ließen die ersten Reaktionen nicht auf sich warten.
Der neue Energieminister Sigmar Gabriel etwa urteilte: Die EU-Kommission „mischt sich über den Umweg des Wettbewerbsrechts in die nationale Energiepolitik ein“. Er zeigt sich in Sachen EEG-Prüfverfahren, was die Ausgleichsregelungen und das Fördersystem angeht allerdings gesprächsbereit: „Wir wollen das EEG ohnehin novellieren und wenn irgend möglich mit der EU-Kommission abstimmen.“
Klar Stellung bezog die Branche der erneuerbaren Energien. „Der Leitlinienentwurf von Almunia ist in keiner Weise akzeptabel“, urteilt etwa Hermann Falk, Geschäftsführer des Bundesverbands Erneuerbare Energie. Die detaillierten Vorgaben der EU-Kommission für die Refinanzierung der Erneuerbaren seien mit der geltenden EU-Richtlinie nicht vereinbar. „Diese legt eindeutig fest, dass die Nationalstaaten die Hoheit über die Förderung der Erneuerbaren behalten müssen, um ihre Ausbauziele für das Jahr 2020 zu erreichen“, heißt es beim BEE.
Häme erntete EU-Kommissar Almunia auch aus Österreich: Funktionierende Fördersysteme sollen einfach über Bord geworfen und stattdessen ein völlig unerprobtes Modell vorgeschrieben werden, das bis dato nirgendwo in Europa funktioniert“, urteilt die österreichische Umweltschutzorganisation Global 2000. (Denny Gille)