„Wir könnten mehr erneuerbare Energien in die heute als problematisch geltenden Netzabschnitte integrieren“, sagt der Diplom-Wirtschaftsingenieur Julian Langstädtler von der FGH GmbH, eines für Zertifizierungen zuständigen Tochterunternehmens der FGH. Langstädtlers Optimismus bezieht sich auf eine jetzt erstmals erfolgte Zertifizierung von spezialisierten Netzregelungseinheiten, die prinzipiell zunächst nur Spannungsschwankungen in einer Transformationsebene nicht auf die nächste Netzspannungsebene überschwappen lassen. Konzeptionell werden sie seit längerem in ähnlicher Weise auf Höchstspannungsebene eingesetzt. Überprüft hatte die FGH einen so genannten regelbaren Ortsnetztransformator (RONT) der zwischen einem Mittelspannungsnetz für den regionalen Stromtransport sowie einem Niedrigspannungsnetz zur näheren räumlichen Versorgung von Haushalten und Unternehmen geschaltet wird.
An Tagen mit starker dezentraler Stromeinspeisung in das Verteilnetz gibt es bereits heute massive Schwierigkeiten, die mit dem Fortschreiten des geplanten Ausbaus von Photovoltaik- und Windenergieanlagen weiter zunehmen werden. Das dabei am häufigsten auftretende Problem sind Spannungsbandverletzungen.
Der Kniff mit den so genannten Ronts ist so simpel wie einleuchtend: Die Spezial-Transformatoren können mit Hilfe eines Reglers bei Spannungsschwankungen beispielsweise im von unstet eingespeisten Grünstrom belasteten Mittelspannungsnetz diese Schwankungen vom Niedrigspannungsnetz fernhalten. Der Regler sorgt dafür, dass das mit schwankender Spannung befüllte Netz vergleichbar einem unregelmäßig und schwungvoll befüllten Becken nicht vom Überschwappen bedroht ist. Genauer: Es verschiebt die Grenzen der Belastbarkeit, indem es die Schwankungen der Wasser- beziehungsweise eigentlich ja Spannungsebenen nicht in die nachfolgende Leitungsebene weitergibt, sondern sie gleichmäßig wie ein gutes Bewässerungssystem verteilt. Vor allem aber könnte es die Schwankungen der Grünstromeinspeisung von den Solardächern der Häuser mit dem gegenläufigen Hoch- und Runterschieben des Spannungsreglers begegnen.
Doch die Ronts könnten wohl noch eine weitere Bedeutung für die Spannungshaltung haben: Bisher verlangen Netzbetreiber und Gesetzgeber von den Erzeugern von Wind- und Solarstrom die Bereitstellung so genannter Systemdienstleistungen: Dazu müssen sie mit so genannter Blindleistung, einer gegenläufigen Verschiebung dieser beiden Sinuskurven, unter anderem eben auch generelle Spannungsschwankungen im Netz abfedern. Notwendig ist das, um eine flexiblere Abnahme der Leistung erneuerbarer Energien zu ermöglichen. Für die Windenergieanlagen ist das seit 2009 und einer weiteren Übergangszeit gesetzlich verordneter Standard geworden, die Solaranlagen folgten. Doch bei zu geringer Spannung können manche der Windturbinen diese Systemdienstleistungen nur noch mit teuren Extraausrüstungen bewältigen. Die Ronts könnten trotz Spannungsabfällen am Netzeinspeisepunkt die Spannung am Turbinengenerator stabil halten, sagt Langstädtler – und somit der Erneuerbaren-Branche eine weniger aufwändige Ausstattung ihrer Anlagen erlauben.
(Tilman Weber)
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