Der Berliner Vermieter von Gewerbe- und Wohnräumen ORCO-GSG hat eine neue Photovoltaikanlage auf dem Dach des Gewerbehofes in der Reuchlingstraße in Berlin-Moabit in Betrieb genommen. Mit einer Leistung von 238 Kilowatt ist Anlage Teil eines Gesamtprojektes, das Solarstromanlagen auf weiteren Gewerbehöfen die über verschiedene Teile der Stadt errichtet werden. Die Leistung der einzelnen Anlagen liegt dabei zwischen 15 und knapp 900 Kilowatt. Insgesamt wird es mit einer Leistung von 6,4 Megawatt das bisher größte Solarstromprojekt der Stadt.
Lastgang und Ertragsprofil stimmen gut überein
Die Projektierung hat der Systemanbieter MP-Tec im brandenburgischen Eberswalde übernommen. Die 26.200 Module von Solon, die von den MP-Tec-Monteuren auf den Berliner Dächern installiert werden, sollen jährlich 5,8 Millionen Kilowattstunden Strom liefern. Der Solarstrom soll zukünftig an die gut 1.200 Gewerbemieter von ORCO-GSG zu besonders günstigen Konditionen geliefert werden. „Zunächst werden wir den Strom aber erst einmal für den Betrieb der Gebäude einsetzen, also für die Beleuchtung und die Aufzüge“, erklärt Sebastian Blecke, Geschäftsführer von ORCO-GSG. Mit der Belieferung der Mieter will das Unternehmen bis zum Ende dieses Jahres beginnen. Innerhalb der nächsten zwei Jahre sollen alle Gewerbebetriebe, die Räume in den Gebäuden der ORCO-GSG gemietet haben, auf denen die Photovoltaikanlagen installiert werden, den Solarstrom abnehmen können. „Wir müssen da noch einige bürokratische Hürden nehmen und erst einmal sehen, was da konkret auf uns zu kommt“, sagt Sebastian Blecke. Denn immerhin wird die ORCO-GSG dann von einem reinen Gewerbevermieter zusätzlich auch zum Energielieferanten, was einiges an administrativen Aufwand bedeutet. Zu welchem Preis der Strom angeboten wird, steht bisher noch nicht fest. Ein entscheidender Preisvorteil ergibt sich aber schon einmal aus der Vermeidung der Netzgebühren für den Photovoltaikstrom, da alle Systeme als sogenannte Kundenanlagen errichtet werden und damit bei der Belieferung der Mieter mit Solarstrom das öffentliche Netz umgehen.
Insgesamt geht das Unternehmen davon aus, dass 30 Prozent des Solarstroms in den Gebäuden selbst verbraucht wird. Die restlichen 70 Prozent werden ins öffentliche Netz eingespeist. „Wir haben den Vorteil, dass der Lastgang der Gewerbe, die wir beliefern, gut mit dem Ertragsprofil der Anlagen übereinstimmt“, betont Oliver Schlink, ebenfalls Geschäftsführer von ORCO-GSG. „Dadurch müssen wir einen großen Teil des Stroms nicht ins öffentliche Netz einspeisen und treiben damit die EEG-Umlage nicht weiter in die Höhe“, ergänzt Sebastian Blecke.
Finanzierung als Herausforderung
Die Planungen für das Projekt laufen jetzt schon seit drei Jahren. „Das größte Problem war die Finanzierung des Projektes“, sagt Oliver Schlink. „Denn die Banken bestehen bei der Vergabe der Kredite immer auf eine grundbuchliche Absicherung. Die bisherigen Kredite der GSG sind über das Grundbuch abgesichert. Wenn wir dann noch über eine neue Bank eine Photovoltaikanlage finanzieren wollen, will die auch eine Absicherung haben. Diese Konkurrenzsituation führt dazu, dass beide Banken sagen, dass das ein tolles Projekt ist und das muss dringend gemacht werden. Aber beide Banken wollen die Absicherung, so dass es am Ende mit der Finanzierung nicht geklappt hat.“ Am Ende hat ORCO-GSG die Investitionsbank Berlin (IBB) als Partner gewonnen. „Wir haben zusammen eine Finanzierungs- und Sicherungsstruktur gefunden, die alle Seite zufrieden stellt“, betont Schlink. „Das Projekt ist banktechnisch machbar. Aber man muss es gut durchkalkulieren, was eine große Herausforderung ist“, ergänzt Mathias von Bismarck-Osten, Generalbevollmächtigter der IBB, die letztlich als Finanzierungspartner gewonnen werden konnte. „Da tun sich andere Banken schwer. Wir sagen dazu, es gibt ein Marktversagen, denn der Markt macht nicht das, was volkswirtschaftlich sinnvoll ist. Diese Lücke schließt eine öffentliche Förderbank.“ Die IBB verlangt nicht die klassischen Kreditabsicherungen, sondern stützt sich bei der Vergabe des Kredits auf den Zahlungsstrom, den das Projekt liefert. „Der Strom wird ja an die Kunden verkauft und das generiert einen Zahlungsstrom, an dem wir uns zur Sicherung des Projektes halten“, sagt von Bismarck-Osten. „Dafür brauchen wir eine Projektstruktur, in deren Rahmen dieses Cash-Flows die Bedienung dieses Kredits reserviert werden.“ Insgesamt hat die ORCO-GSG von den neun Millionen Euro Investitionsmittel für das gesamte Projekt 15 Prozent Eigenkapital eingebracht. Die restlichen 85 Prozent laufen über einen Kredit der IBB, der in den kommenden 20 Jahren zurückgezahlt werden soll. ORCO-GSG hat die Berechnung so geführt, dass sich das Projekt ohne Verluste nach diesen 20 Jahren allein über die Einspeisevergütung finanziert. Denn der Vermieter kann den Mietern den Solarstrom nicht aufzwingen. „Wir müssen deshalb den Strom zu einem niedrigeren Tarif anbieten als ihn der Kunde vom Energieversorger bekommt“, betont Oliver Blecke.
Solarstrom für Mieter als zentrales Element
Zusätzlich kommen noch weitere Unsicherheiten dazu. Denn die von der Bundesregierung geplante Streichung des Grünstromprivilegs und die Belastung des Eigenverbrauchs mit einer EEG-Umlage könnte sich auf den Preis für den Solarstrom niederschlagen. An dieser Stelle ist das Engagement des Berliner Senats gefragt. Schließlich plane Berlin bis 2050 klimaneutral zu werden, betont Michael Müller (SPD), Senator für Stadtentwicklung und Umwelt in Berlin. „Dafür gibt es viel zu tun“, sagt er. „Wir müssen nicht nur für eine umweltverträgliche Energieerzeugung sorgen, sondern gleichzeitig auch eine bezahlbare Energieversorgung sicherstellen.“ Da wird der Verkauf von Solarstrom an Mieter eine entscheidende Rolle spielen. „Wir wollen deshalb, dass der Strom, der für den Eigenverbrauch und auch von den Mietern genutzt wird, von der EEG-Umlage ausgenommen wird“, sagt Müller. „Denn wir wollen, dass es Anreize gibt, solche Modelle verstärkt umzusetzen. Das werden wir auch mit in die Runden der Umweltminister und in Bundesratsinitiativen einbringen. Es gibt einige Länder, die sich ebenfalls dafür einsetzen, den von den Mietern verbrauchten Solarstrom von der EEG-Umlage zu befreien. Insbesondere für die Städte spielt das eine große Rolle. Ob das dann am Ende klappt, kann ich noch nicht sagen.“ (Sven Ullrich)