Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) habe in Aussicht gestellt, bei den Plänen zur Kürzung der Photovoltaikförderung ein Zugeständnis zu machen, verkündet Ulrich Kelber, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion im Bundestag und umweltpolitischer Sprecher seiner Fraktion. „Die Kürzungen sollen erst am 1. April in Kraft treten“, sagt er auf der Großkundgebung der Branche in Berlin. „Die Minister haben Sollbruchstellen in ihren Entwurf hineingeschrieben. Denen war doch klar, dass sie das nicht zum 9. März rückwirkend durch bekommen. Ihnen war doch klar, dass ihnen der Bundestag nicht eine Verordnungsermächtigung ohne jedes Mitspracherecht gibt. Das steht da drin, damit sie es sofort von ihnen serviert bekommen, damit man nicht mehr über die Inhalte verhandelt. Und das wollen wir nicht zulassen. Wir wollen Inhalte verändern und nicht nur die Fristen für diese Inhalte“, fordert Kelber.
Debatte über Inhalte gefordert
Damit trifft er genau den Nerv der Branche. Denn die Solarwirtschaft fordert zum einen, die rasante Absenkung der Förderung innerhalb weniger Tage nicht durchzuziehen. Zweitens fordern man, dass die Förderung von nur 90 Prozent des produzierten Solarstroms vom Tisch kommt. „Denn das ist eine weitere Kürzung durch die kalte Küche“ kritisiert Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW-Solar. „Dann will man die Förderung nicht mehr nach Marktlage kürzen, sondern man will sie fixieren.“ Als drittes setzt sich der Branchenverband dafür ein, dass die weitere Photovoltaikförderung nicht per Verordnungsermächtigung entschieden wird, sondern dass der Bundestag sein Mitspracherecht behält. „Wenn nur noch zwei Minister über die künftige Solarstromförderung allein entscheiden, dann sind das keine verlässlichen Rahmenbedingungen“, erklärt Carsten Körnig. Der BSW-Solar und seine Unterstützer wollen erreichen, dass bei der Gesetzesvorlage erheblich nachgebessert wird. „Aber nicht nur kosmetisch, sondern substanziell“, betont Carsten Körnig vor der Kundgebung.
Photovoltaik hat Vorteile für Netz und Strompreise
Die Branchenvertretung macht noch einmal auf die Vorteile der Photovoltaik aufmerksam und kritisiert die Argumente, die von der Regierung gegen den Solarstrom vorgebracht werden. Weder das Kostenargument noch die Probleme bei der Netzintegration lässt sie gelten. So sagt Günther Cramer, Vorstandsvorsitzender des BSW-Solar, dass die Photovoltaik bei der Netzintegration sogar Vorteile bietet. „Nicht nur der große Anteil des Eigenverbrauchs des auf den Dächern produzierten Stroms in unmittelbarer Nähe der Erzeugung macht die Netzintegration einfacher“, sagt Cramer. „Die Photovoltaikanlagen speisen zum allergrößten Teil in das Niederspannungsnetz ein – bis zu 85 Prozent. Sie erbringen sogar Netzdienstleistungen zur Stabilisierung der Netze durch die Einspeisung von Blindleistung. Und zum dritten wird der Photovoltaikstrom dann produziert, wenn er gebraucht wird.“ Dadurch können die konventionellen Kraftwerke ihren Strom linear einspeisen, während die Spitzenlast von der Photovoltaik zur Verfügung gestellt wird, ergänzt Eicke Weber, Präsident des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme (Fraunhofer-ISE) in Freiburg. „Das bedeutet natürlich Verluste beim Profit für die großen Stromkonzerne, die dann ihre Energie nicht mehr zu hohen Preisen an der Strombörse verkaufen“, sagt Weber. „Von den Kürzungen und dem Ausbremsen der Photovoltaikindustrie profitieren letztlich nur die großen Energiekonzerne“ ergänzt Günther Cramer. „Außerdem lässt sich die Einspeisung von Photovoltaikstrom inzwischen auf zwei Tage im voraus prognostizieren.“
Branche sieht keinen Handlungsbedarf der Regierung
Man sieht in der Branche überhaupt keinen Handlungsbedarf, das Fördersystem jetzt zu ändern. „Ein halbes Prozentpunkt Einsparungen bei Strompreis, den diese massiven Kürzungen bei der Solarförderung bringen, steht in keinem Verhältnis zu den Kosten, um den Zusammenbruch der Photovoltaikindustrie wirtschaftlich auszugleichen“, meint Günther Cramer. Außerdem „kann man nicht sagen, dass die Photovoltaik in den letzten Jahren über die Maßen gewachsen sei“, kritisiert Eicke Weber den Aktionismus der Regierungskoalition. „Das sind zusätzliche Vergütungsabsenkungen, die durch keine Analyse gerechtfertigt sind.“ Weber zitiert die Zahlen der Übertragungsnetzbetreiber aus dem Jahr 2010, die einen noch viel höheren Zubau prognostizieren. „Das Ziel der Bundesregierung für 2020 wurde auf 52 Gigawatt festgelegt. Bisher sind 24 Gigawatt installiert. Jetzt will die Bundesregierung den Ausbau auf ein Gigawatt pro Jahr deckeln. Da hat die Regierung ein Rechenproblem, denn 24 plus acht ergibt nicht 52.“
Unterstützung bekommt die Branche von der deutschen Umwelthilfe (DUH). „Die Bundesregierung steht mit einem Fuß auf dem Gaspedal und mit einem Fuß auf der Bremse“, sagt Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH). „Das ist wie ein Stück aus Absurdistan, weil der Photovoltaikzubau genau in dem Augenblick ausgebremst werden soll, wo der Solarstrom keinen nennenswerten Auswirkungen mehr auf die Strompreise hat. Jetzt wird sich zeigen, ob die Bürger die Lernkurve bei der Photovoltaik finanziert haben und jetzt auch die Früchte einfahren werden, oder ob sie nur die Lernkurve bezahlen und die Früchte jemand anderem zukommen. Denn jetzt kommt dem Stromkunden die Photovoltaik zugute durch die sinkenden Strompreise an der Strombörse aufgrund des Solarstroms. Dies ist letztlich eine Auseinandersetzung zwischen Old und New Economy.“
„Investoren brauchen verlässliche Rahmenbedingungen“
Eicke Weber verweist auf das Signal, das durch das Regierungshandeln international ausgesendet wird. „Wenn die Bundesregierung wegen interner Probleme in der Koalition eine ganze Branche aufs Spiel setzt, gefährdet sie den Wirtschaftsstandort Deutschland.“ Denn was die Investoren – nicht nur in der Solarbranche – brauchen, sind verlässliche Rahmenbedingungen. Diese sind jetzt nicht mehr gegeben. Das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Deutschland sei erheblich gestört. (Sven Ullrich)