„Großer Gewinner“ der ersten Ausschreibungsrunde für Windparks in Deutschland sei die Bürgerenergie, erklärte das Bundeswirtschaftsministerium (BMWI) in einem kurzen Fazit zum Ergebnis der Bieterrunde vom 1. Mai. Als „sehr erfreulich“ bezeichnete Energiestaatssekretär Rainer Baake die Zuschlagsstatistik, die am Freitagmittag die Bundesnetzagentur (BNA) und das BMWI veröffentlichten. Außerdem sagte Baake: „Die Zuschläge sind breit über das Bundesgebiet auf insgesamt neun Bundesländer verteilt. Das hohe Wettbewerbsniveau, die daraus resultierenden niedrigen Zuschlagpreise und die hohe Bürgerbeteiligung zeigen, dass der von uns eingeleitete Paradigmenwechsel von staatlich festgesetzten Fördersätzen hin zu wettbewerblich ermittelten Preisen gut funktioniert.“
Im Einzelnen hatte die BNA 256 Gebote zu einem Projektvolumen von insgesamt 2.137 Megawatt (MW) erhalten. 169 Prozent dieser Gebote, rund 70 Prozent, hatten Bürgerenergiegesellschaften eingereicht. Bei den erteilten Zuschlägen setzten sich diese Gesellschaften fast ganz durch, die zu 51 Prozent mehrheitlich im Besitz von Menschen aus der Nachbarschaft des Windparks sein müssen. Die Mehrheitseigner müssen dabei ihren Wohnsitz im Landkreis oder in der kreisfreien Stadt haben, in deren Gebiet auch der Windpark geplant ist. Mit Zusagen für 65 Bürgerwindparks gewann diese in Deutschland klassische und statistisch führende Investorenschaft in der ersten Runde nun einen Anteil von 95 Prozent an den damit für eine EEG-Vergütung zugelassenen Projektierungen zum Bau neuer Windparks.
Die Zuschläge lassen nun für genau 807 MW die in der Ausschreibung ermittelte Vergütung zu. Das ist leicht mehr, als die geplante 800-MW-Obergrenze des ersten Tenders vorsah. Die niedrigsten Gebote, für die es von der BNA einen Zuschlag gab, betrugen 5,25 Cent pro kWh, das höchste noch siegreiche Gebot soll seinen Strom für 5,78 Cent pro kWh einspeisen. Im ebenfalls vom EEG 2017 eingeführten norddeutschen Netzausbaugebiet führten die Zuschläge zu einem Höchst-Einspeisepreis von 5,58 Cent pro kWh. Der in Bezug auf die Leistung der unterschiedlich großen Windparks gewichtete Mittelwert des Vergütungspreises erreichte 5,71 Cent pro kWh.
Beim Netzausbaugebiet handelt es sich um eine norddeutsche Großregion mit Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern sowie knapp der nördlichen Hälfte Niedersachsen und der Stadtstaatengebiete Hamburgs und Bremens. Das EEG beschränkt hier den Zubau. Demnach dürfen in dem Gebiet die Ausschreibungen jährlich nur zu Zuschlägen für Projektvolumen führen in Höhe von maximal 58 Prozent der in diesem Gebiet 2013 bis 2015 jährlich ans Netz angeschlossenen Kapazität. Die BNA beschränkte das Ausbauvolumen für 2017 im Netzausbaugebiet somit auf 902 MW, während das EEG für 2017 drei Ausschreibungen zu insgesamt 2.800 MW Windkraft an Land vorsieht. Entsprechend dieses Größenverhältnisses erteilte die BNA in der ersten Ausschreibungsrunde Zuschläge für Projekte im Netzausbaugebiet mit genau 258 MW.
Das Abschneiden der Bürgerwindparks galt in der Branche seit Verabschiedung des EEG 2017 als eines der am meisten mit Spannung erwarteten Ergebnisseder ersten Ausschreibungsrunde. Denn nach langem politischen Ringen und versuchter Einflussnahme durch die Windenergieverbände hatte die Bundesregierung für die Windenergie-Ausschreibungen eine Vorzugsbehandlung in den Ausschreibungen für Bürgerwindparks eingeräumt. Die wichtigsten zwei Sonderregeln: a) Während jeder andere Investor wenige Tage vor dem Gebotstermin auch die finale Baugenehmigung für den geplanten Windpark vorlegen muss, können Bürgerwindparks die Baugenehmigung erst nach dem Zuschlag in Angriff nehmen. Das soll Kosten für die eher weniger kapitalstarken Bürgerinvestoren senken. Und es soll das Risiko beim Misserfolg einer Vorplanung, wenn das Projekt nämlich im Tender keinen Zuschlag gewinnt, für sie verkleinern. Denn anders als größere Projektierungsunternehmen und Energiekonzerne können die auf nur ein Einzelprojekt konzentrierten Bürgerwindgesellschaften nicht auf den Gewinn von Zuschlägen für Alternativprojekte setzen – um die Vorkosten eines nicht finanzierten Projekts aus den Erträgen neuer Projekte auszugleichen. Und b): Bezuschlagte Bürgerwindparks erhalten unabhängig von ihren tatsächlichen Geboten den jeweils höchsten Preis pro eingespeister kWh, der in den Ausschreibungen zum Zuge kommt. Zuschläge für einzelne Bürgerenergie-Windprojekte sind allerdings auf höchstens 18 MW begrenzt.
Viele in der Branche hatten vor der ersten Ausschreibungsrunde befürchtet, die Auktionen könnten künftig die für die Akzeptanz der Windkraft in Deutschland wichtige Beteiligung der Bürgerinvestoren abwürgen. Nun zeigt sich auch der Bundesverband Windenergie (BWE) vorsichtig erleichtert. Das Ergebnis sei „ein Signal dafür, dass sich diese Akteure den neuen Herausforderungen (– einer Ausschreibung – Einschub durch ERNEUERBARE ENERGIEN) stellen“, betonte der Verband kurz nach Bekanntgabe der Ergebnisse. Die erzielten Preise der Windkraft hätten sich im „erwartbaren Rahmen bewegt“. Allerdings müssten jetzt auch die Genehmigungsbehörden ihren Teil für den Erfolg der Ausschreibungen leisten und mit Wohlwollen dem größten Teil der Bürgerprojekte die noch ausstehende BimschG-Genehmigung erteilen: die Baugenehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BimschG).
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace mahnte, nun müssten Branche oder Politik überprüfen, ob bei den siegreichen Bürgerenergiegesellschaften auch wirklich „Gesellschaften zum Zuge kamen, in denen tatsächlich engagierte Bürger die Zügel in der Hand halten – oder in wie vielen Fällen am Ende doch versteckte Großinvestoren dahinterstecken.“
Greenpeace verweist damit auf mögliche Schlupflöcher in der EEG-2017-Definition für große Planerfirmen oder Energieversorger. Die Anteilseigner der Bürgerenergiegesellschaften dürfen zwar nur höchstens zehn Prozent der Stimmrechte halten, müssen mit einem Anteil von 51 Prozent der Stimmrechte ihren Wohnsitz seit mindestens einem Jahr im Landkreis des geplanten Projekts haben und müssen in einer Größenordnung von mindestens zehn realen Personen stimmberechtigt sein. Außerdem dürfen die Bürgerenergiegesellschaften ein Jahr lang vor dem Gebotstermin keinen Zuschlag erhalten haben – damit sich nicht im normalen Projektgeschäft wirtschaftende Windenergiefirmen als Bürgerenergiegesellschaften tarnen können. Doch befürchten Kritiker wie Greenpeace, dass die Bürgerwindkraft-Definition im EEG auch Schlupflöcher für eine verschleierte Projektführung durch Tochtergesellschaften von Energieunternehmen enthalten könnte.
Fest steht allerdings, dass durch die weit überwiegende Teilnahme der Bieter als Bürgerenergiegesellschaften auch viele sehr kleine Windparks mit nicht selten nur einem bis drei Windrädern zum Zuge kamen. Sogar nur ein einziges der nun siegreichen Projekte überschritt mit sieben das für Bürgerwindparks außerdem geltende Limit von höchstens sechs Turbinen.
Eine abschließende Bewertung der ersten Ausschreibungsrunde könnte hingegen erst in maximal viereinhalb Jahren möglich sein. Bürgerenergiegesellschaften dürfen 24 Monate länger bis zum tatsächlichen Netzanschluss der in einer Ausschreibung siegreichen Projekte beanspruchen, als andere Projekte, für die eine Frist von 30 Monaten gilt. Außerdem gab die Bundesnetzagentur nicht bekannt, wie viel die Projektierer und Investoren nach dem Netzanschluss ihrer neuen Projekte wirklich pro kWh einstreichen werden. Denn die bezuschlagten Preise sind nur ein rechnerischer Wert bezogen auf einen sogenannten 100-Prozent-Standort. Bei diesen Projekten mit normal gutem Windaufkommen erhalten die Windparkbetreiber für die eingespeiste Arbeit genau so viel wie es die Auktionszuschläge festlegen. Bei schlechteren Windparks gibt es im EEG festgelegte Aufschläge, bei Windparks auf Standorten mit mehr Wind Abschläge: Also hier mehr Cent pro kWh, dort weniger.
(Tilman Weber)