Tilman Weber
Zu diesem Schluss kommt der britische Klimaschutz-Think-Tank Committee on Climate Change (CCC). Das mit Wissenschaftlern besetzte unabhängige Beratergremium CCC hält eine Volkswirtschaft mit netto null Emissionen 2050 für machbar, heißt es in der Analyse „Net Zero – The UK´s contribution to stopping global warming”. Das CCC erklärte bei der Präsentation der Studie am 2. Mai, das Netto-Null-Emissionen-Szenario für das Vereinigte Königreich stütze sich auf eine starke Elektrifizierung der Energieverbrauchssektoren Verkehr und Wärmeversorgung. Laut diesem Szenario wird sich der Stromverbrauch im Vereinigten Königreich bis 2050 verdoppelt haben. Um den gestiegenen Verbrauch dann dennoch zu 100 Prozent aus CO2-armen Energiequellen zu ermöglichen, schlägt CCC einen Ausbau der Offshore-Windkraft auf eine Erzeugungskapazität von 75 Gigawatt (GW) vor.
Das CCC berechnet das Szenario konservativ mit den Möglichkeiten heute verfügbarer Windkrafttechnologie. Es geht von einem Ausbau der Offshore-Windparks vor den britischen Küsten bis 2050 mit durchschnittlich zehn Megawatt (MW) leistenden Windturbinen aus, was der Nennleistung der ab 2020 verfügbaren größten Windturbinen entspricht. Demnach wären auf britischem Seeboden 7.500 Windturbinen zu installieren – oder bei schwimmenden Windparks auch zu verankern. Der Windkraftausbau im Meer beanspruche dafür ein bis zwei Prozent der Fläche des britischen Seebodens. Dies entspreche dem heute schon für Offshore-Windparks ausgewiesenen Meeresgrund, den die britische Seebodenverwaltungsgesellschaft The Crown Estate für Windenergieprojekte freigegeben habe. Diese arbeitet derzeit daran, neue Flächen in dem nun vierten Offshore-Windkraft-Tender des Landes auszuschreiben.
Offshore-Windkraft-Deal sieht 30 GW bereits für 2030 vor
Bereits jetzt plant die britische Regierung einen Ausbau der Offshore-Windkraft von aktuell bereits 8 GW installierter Leistung bis 2030 auf 30 GW. Das entspräche bereits dem Doppelten der Windstrom-Erzeugungskapazität, die gemäß den Plänen der Politik in Europas zweitgrößtem Offshore-Windkraft-Land Deutschland errichtet sein soll. Anfang März hatte die britische Regierung sich mit der nationalen Offshore-Windenergie-Wirtschaftsszene auf das 30-GW-Ziel geeinigt und dieses als Offshore Wind Sector Deal präsentiert. Britische Offshore-Windparks sollen demnach in gut zehn Jahren zudem einen Anteil von einem Drittel an der Stromversorgung erreicht haben.
Das CCC-Szenario für 2050 sieht einen Anteil von 95 Prozent an der Stromversorgung durch emissionsarme und erneuerbare Energien vor. Dabei werde sich die jetzige Erzeugungskapazität der aller Erneuerbare-Energien-Anlagen bis dahin vervierfacht haben müssen. Allerdings würden nach dem Szenario auch weiterhin Kernkraftwerke sowie zudem mit CO2-Abscheideanlagen ausgerüstete Gaskraftwerke einen Teil der emissionsarmen Erzeugung leisten. Die restlichen fünf Prozent Stromerzeugung will das CCC durch die Verstromung von dekarbonisiertem Gas gewährleistet sehen, zum Beispiel Wasserstoff oder durch CO2-Abscheider gereinigtes Erdgas.
Stark fallende Erzeugungskosten
Dabei bleibt das Beratergremium optimistisch, dass der Umbau zur Klimagas-neutralen Volkswirtschaft neue Investitionen von ein bis zwei Prozent des nationalen Bruttoinlandsproduktes von 2050 kosten werde. Die Erzeugungskosten werden laut CCC pro Megawattstunde (MWh) der Offshore-Windkraft bis 2025 bereits auf 69 britische Pfund gefallen sein, was Meereswindstrom nach Solarstrom zur zweitgünstigsten Elektrizität werden lässt. 2050 soll die Erzeugung von Meereswindstrom dann sogar nur noch 51 Pfund pro MWh kosten, nur 10 Pfund mehr als Solarstrom, aber 20 Pfund weniger als Atomstrom und 28 Pfund weniger als Strom aus Gas in Verbindung mit CO2-Abscheidung.
Das CCC ist ein 2008 gesetzlich eingeführtes unabhängiges Gremium mit Beratern aus Wissenschaft und Wirtschaft und einem eigenen Verwaltungsstab von 30 Mitarbeitern. Es berät die britische Regierung und das britische Parlament in Klimaschutzfragen.