Herr Reinert, die weltweite Nachfrage nach Solaranlagen nimmt weiter zu, nur Europa und Deutschland dümpeln noch vor sich hin. Wie kann der europäische Markt wieder flott gemacht werden?
Jürgen Reinert: Aus unserer Sicht entwickelt sich der europäische Markt sehr positiv. Insbesondere in Deutschland ist die installierte Leistung in den letzten beiden Jahren gestiegen. Auch Märkte wie Belgien, Niederlande, Luxemburg, Spanien und Italien haben positive Aussichten. Um Themen wie Energiewende oder Elektromobilität stemmen zu können, ist in Deutschland ein Ausbauziel von zehn Gigawatt pro Jahr notwendig.
Mit welcher Marktentwicklung rechnen Sie für das kommende Jahr in Europa und in Deutschland?
Mittelfristig rechnet SMA mit einem exponentiellen Wachstum im Segment der Speicheranwendungen und mit einem Anstieg der neu installierten Photovoltaikleistung. Grund dafür ist die zunehmende Bedeutung von Batteriespeichern und die damit verbundene Nachfrage nach Speichersystemtechnologie. Das gilt sowohl für neue Eigenverbrauchsanlagen als auch für die Nachrüstung bereits bestehender Anlagen. SMA verfügt bereits heute über Systemtechnik, um große Speicherlösungen für die Stabilisierung der Stromnetze einzusetzen oder um Batterien für die Erhöhung des Eigenverbrauchs bei privaten Haushalten oder Unternehmen zu nutzen.
Welche europäischen Märkte sehen Sie als Zukunftsmärkte und wo bleibt die Nachfrage schwach?
Deutschland und Italien entwickeln sich aufgrund des steigenden Interesses für Systemlösungen mit Speichertechnologien sehr gut. Aber auch andere Länder entwickeln sich sehr positiv mit einem kontinuierlichen Marktwachstum, hierzu gehören heute und in den nächsten Jahren Belgien, Niederlande, Luxemburg, Österreich, die Schweiz und Skandinavien für Lösungen im den Segmenten Residential und Commercial, die Ukraine und Israel für Lösungen in den Segmenten Commercial und Utility sowie Spanien im Segment Utility.
Mit welchen Produkten und Lösungen können Sie als Hersteller auf dem klassischen Solarmarkt in Europa punkten?
In Europa gewinnen Systemlösungen mit Speichertechnologien immer mehr an Bedeutung. SMA bietet für alle Segmente – von der der Hausdachanlage bis zum großen Speicherkraftwerk – Lösungen an, die Batterien optimal einbinden, um das maximale Potenzial der Photovoltaik auszuschöpfen. Die SMA Power Plus Lösung für klassische Hausdachanlagen ermöglicht höhere Energieerträge für den Eigenverbrauch, indem sie selektive Moduloptimierung integriert. Lösungen von SMA bieten Solaranlagenbetreibern die Möglichkeit, verschiedene Speichertechnologien zu integrieren, und so mehr Energie für den Eigenverbrauch zur Verfügung zu haben. Im gewerblichen Umfeld hat SMA mit dem Sunny Tripower CORE 1, erstmals einen Stringwechselrichter auf den Markt gebracht, der dank seiner einfachen Installation die Kosten für gewerbliche Solaranlagen deutlich reduziert. Den Marktdurchbruch haben wir in 2017 zudem bei Großspeichkraftwerken erzielt. SMA war in diesem Segment sehr erfolgreich in Großbritannien und Deutschland mit in Summe mehr als 300 Megawatt installierter Wechselrichterleistung für Großspeichersysteme.
Die Speichernachfrage ist also vielversprechend. Wie wirkt sich diese auf den Absatz von Leistungselektronik für Solaranlagen, also dem Kernsegment von SMA, aus?
Unser Geschäft mit Systemtechnologie für die Speicherintegration hat sich im bisherigen Jahresverlauf sehr gut entwickelt, unser Umsatz in diesem Bereich ist im Vergleich zum Vorjahr um über 50 Prozent gestiegen. In den kommenden Jahren wird die Speichertechnologie zu den Wachstumstreibern der Solarbranche gehören. Für 2018 rechnen wir mit einer weltweiten Marktgröße für Speichersystemtechnologie von 0,8 bis 1,3 Milliarden Euro – ohne Investitionen in Batterien.
Eine immer größere Rolle spielt auch die Digitalisierung der Energiewelt. Wie hat sich SMA darauf vorbereitet?
Ohne ein intelligentes Energiemanagement kann das enorme Potenzial der Photovoltaik nicht ausgeschöpft werden. SMA hat frühzeitig in Softwareentwicklungen investiert und weltweit bereits mehr als eine Viertel Million Photovoltaikanlagen mit dem Sunny Portal verknüpft. Mit dem Sunny Home Manager 2.0 können private Betreiber von kleinen bis mittelgroßen Solarstromanlagen bereits heute ihr System optimieren und noch mehr Sonnenstrom für den eigenen Verbrauch nutzen. Mit der neuen Energiemanagementplattform Ennex OS wird SMA ihren Kunden zukünftig die Kopplung der unterschiedlichen Energieerzeuger und -verbraucher ermöglichen, so dass Energieflüsse optimal und gewinnbringend gesteuert werden können.
Welche Bedeutung hat dabei die IT-Sicherheit der Solaranlagen und welche Lösungen sind da schon am Markt oder denkbar?
Mit der zunehmenden Zahl der weltweit installierten Photovoltaikanlagen und der immer weiter fortschreitenden Vernetzung von Erzeugern und Verbrauchern gewinnt natürlich die IT-Sicherheit massiv an Bedeutung. Bei SMA steht das Thema sowohl auf der strategischen als auch auf der operativen Ebene ganz oben auf der Agenda. Durch fest verankerte Prozesse und Maßnahmen sorgen wir dafür, dass unsere Lösungen immer den höchsten und aktuellsten IT-Sicherheitsanforderungen entsprechen und alle internationalen Standards erfüllen. Ein dafür abgestelltes, interdisziplinäres Team arbeitet an sicheren Systemlösungen und deren Integration. Das beginnt bereits ganz früh bei der Produktentwicklung und reicht bis zu regelmäßigen Fernupdates der Gerätesoftware im Feld, so dass diese immer auf dem neuesten Stand ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ganzheitliche IT-Sicherheit nicht einfach als fertiges Produkt gekauft werden kann. Dafür ist das Thema zu komplex und betrifft zu viele Aspekte. Wichtig ist, dass das Bewusstsein für Sicherheit geschärft und diese selbst stetig verbessert wird. Daran müssen alle Beteiligten mitarbeiten – also zum Beispiel auch die Verbraucher.
Ein weiteres entscheidendes Thema wird immer mehr die Sektorenkopplung. Welche Bedeutung hat dieses Thema für Sie als Unternehmen und mit welchen Lösungen können Sie als Hersteller auf diesem Markt punkten?
Mit dem Einzug kostengünstiger Speicher sowie dem Vormarsch elektrischer Fahrzeuge und Heizsystem hat sich die Welt für die Photovoltaik komplett verändert und birgt ein großes Potential. Um die Einsparpotenziale von thermoelektrischen Systemen ganzheitlich zu nutzen wird es zukünftig notwendig, die Photovoltaikanlage sinnvoll mit Speichern, Heizungs-, Klima- und Lüftungstechnik sowie Elektromobilität zu verknüpfen und über technische Plattformen intelligent zu steuern. Neben dem Ziel, möglichst viel Sonnenstrom als günstigste elektrische Energiequelle direkt am Ort der Produktion zu nutzen wird es auch darum gehen, mögliche Überschussenergie zu vermarkten beziehungsweise intelligent zu puffern. Algorithmen von SMA machen es möglich, die schier endlose Datenflut für die Optimierung der Energiekosten zu nutzen. Die neue Energiemanagementplattform für ganzheitliches, intelligentes Energiemanagement Ennex OS von SMA wird es unseren Kunden ermöglichen, künftig alle Energieerzeuger, -verbraucher und -speicher eines Systems zu verbinden und optimal zu steuern.
Mit dieser Energiemanagementplattform hat SMA auf der Intersolar eine Lösung zur Hausautomatisierung vorgestellt. Wie entwickelt sich in diesem Segment die Nachfrage und welche Länder oder Regionen sind dabei die Vorreiter?
Schon mit unserer aktuellen Energiemanagementplattform auf Basis des Sunny Home Manager sehen wir eine deutlich gestiegene Nachfrage nach Systemen zur Energiekostenoptimierung mit Photovoltaikenergie. Durch unsere neue Plattform Ennex OS wird sich das Angebot von SMA auch auf die Segmente der industriellen Anwendung erweitern und wir erwarten auch dort zukünftig eine stark wachsende Nachfrage. Vorreitermärkte für solche Systeme sind neben Deutschland und Westeuropa einige Bundesstaaten in den USA.