Wasser aus der Tiefe pumpen, Lithium abtrennen und daraus Batterien für die Elektromobilität produzieren – ist die Idee, Lithium als „Nebenprodukt“ der Geothermie zu fördern, in Deutschland wirklich umsetzbar? Zumindest ist sie nicht ausgeschlossen: Ein Team des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) hat in einer jetzt vorgelegten Studie ermittelt, dass theoretisch so Tausende Tonnen Lithium pro Jahr gefördert werden. Allerdings: Die Menge kann nur einen Teil des Bedarfs decken und viele Fragen sind noch offen.
Thermalwasser hat teilweise hohen Lithiumgehalt
Derzeit sei Deutschland vollständig auf Importe angewiesen, sagt Valentin Goldberg vom Institut für Angewandte Geowissenschaften (AGW) des KIT. „Gleichzeitig nehmen wir erhebliche Umweltkosten beim konventionellen Abbau in diesen Ländern in Kauf, etwa negative Auswirkungen auf das Grundwasser.“
Bei der Lithiumgewinnung in Geothermiekraftwerken dagegen soll bestehende Infrastruktur in Europa genutzt werden, mit der bereits große Mengen Thermalwasser mit teilweise hohem Lithiumgehalt gefördert wird. Nach der Energieproduktion soll das Lithium dabei technologisch abgetrennt und das Wasser, wie im Kraftwerkbetrieb üblich, in den Untergrund zurückgeführt werden. „Grundsätzlich sehen wir die Technologie sehr positiv. Flächenverbrauch und Umweltkosten wären gering, genauso die Transportkosten“, so Goldberg.
Bis zu 4.700 Tonnen im Jahr möglich
Wie viel Lithium gewonnen werden kann, sei allerdings nicht nur von den Lithiumkonzentrationen im Wasser abhängig, sondern auch von der standortabhängigen Fließrate und der Reservoirgröße. Für ihre Schätzung haben die Forschenden potenzielle Standorte in Deutschland betrachtet, die Rohstoffmärkte analysiert und unterschiedliche Technologien hinsichtlich ihrer Effizienz, Anwendbarkeit und Integrationsfähigkeit für die geothermische Energieproduktion bewertet.
„Auf dieser Basis halten wir bei einer optimistischen Abschätzung eine jährliche Produktion von ungefähr 2.600 bis 4.700 Tonnen Lithiumkarbonat-Äquivalent für möglich, wenn alle relevanten Geothermiestandorte mit entsprechenden Anlagen ausgerüstet werden“, sagt Fabian Nitschke vom AGW, der ebenfalls an den Studien beteiligt war. „Damit könnten wir etwa 2 bis 13 Prozent des Jahresbedarfs der geplanten Batteriefertigung in Deutschland decken.“
Mehr Geothermie, mehr Lithium
Durch den Zubau weiterer Geothermiekraftwerke sei eine Steigerung der Fördermengen denkbar, allerdings dauere es mindestens fünf Jahre, bis ein neu geplantes Kraftwerk in Betrieb geht. „Angesichts des globalen prognostizierten Lithiumdefizits und der geplanten Batteriefertigung wird sich die Lage speziell für Deutschland rasch zuspitzen. Das Lithium aus der Geothermie kann mittelfristig also nur eine Ergänzung darstellen“, so Nitschke.
Prognosen noch mit vielen Unsicherheiten
Noch sind die Prognosen von vielen Unsicherheiten geprägt: Die Größe und die Herkunft der Lithiumvorkommen in den Geothermalsystemen sowie die Reaktion der Reservoire auf eine kontinuierliche Förderung werden zurzeit erforscht. Zudem befinden sich die Technologien zur Extraktion in einem frühen bis mittleren Entwicklungsstadium – entscheidende Entwicklungsstufen sowie Langzeittests stehen noch aus.
Ob die Lithiumgewinnung mittels Geothermiekraftwerke in Deutschland letztendlich realisiert wird, hänge aber nicht nur von der weiteren Technologieentwicklung sowie geeigneten Standorten ab. Vielmehr seien auch gesellschaftliche Unterstützung und Akzeptanz notwendig, betont Valentin. (kw)
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