ERE: Ist die Energiewende nun verloren?
Eva Bulling-Schröter: Sie steht zumindest auf dem Spiel. Ich halte das EEG für eine Erfolgsgeschichte. Wir haben jetzt fast 26 Prozent regenerativen Strom. Nach unserer Meinung als Linke brauchen wir 45 Prozent bis 2020 – und dann später 100 Prozent. Das ist nötig, sonst können wir das nächste Klimaschutzziel nicht erreichen, den CO2-Ausstoß um 40 Prozent bis 2020 zu reduzieren.
Die Linke hatte sogar schon mal eine Reduktion bis dahin um die Hälfte gefordert…
Nun sprechen aber zwei Dinge dagegen: die von der Bundesregierung geplante Deckelung des Erneuerbaren-Ausbaus bei Photovoltaik und Windkraft sowie das Nichtstun oder gar Befördern bei der Kohleverstromung. So ist dann etwas ungewiss, was durch die geplante verpflichtende Direktvermarktung von Ökostrom an der Börse passiert …
Diese Direktvermarktung haben wir doch jetzt schon.
Zugegeben werden in Einzelbereichen wie der Windkraft schon bis zu 90 Prozent direkt vermarktet. Aber wenn nun alle verpflichtend an die Börse gehen, sehe ich die Gefahr, dass bei negativen Preisen immer mehr abgeregelt wird. Dann bekommt Kohlestrom dort einen De-Facto-Vorrang auch bei der Einspeisung. Wir Linken fordern daher ein Kohleausstiegskonzept für einen Zeitraum bis 2040 – ähnlich dem Atomenergieausstiegsgesetz.
Zum Thema Energiepolitik präsentiert Ihre Partei auf der Homepage auch nur ein Acht-Punkte-Programm zur Senkung der Stromkosten und stellt wie die Regierung die Kosten in den Vordergrund. Ist das hilfreich?
In der letzten Legislaturperiode hatte insbesondere die FDP als damals noch Regierungsbestandteil gesagt, das EEG trage Mitschuld daran, dass die Strompreise immer weiter steigen. Selbstverständlich sind die hohen Strompreise für arme Haushalte ein Problem. Aber diese Argumentation ist dennoch falsch – es geht um andere Kosten als die des EEG. Und darauf mussten wir reagieren. Für uns als Linke muss ein ökologischer Umbau sozial von statten gehen. Und dann geht es eben nicht weiter wie bisher: Energieintensive Unternehmen müssen im Grunde nichts bezahlen, während kleine Stromverbraucher und -verbraucherinnen sowie der Mittelstand die Folgekosten tragen. Übrigens behandeln unsere aktuellen Standpunkte zur EEG-Novelle selbstverständlich auch die energiewirtschaftlichen Problemstellungen. Gregor Gysi und ich werden sie nächsten Mittwoch vorstellen.
Als einzige Forderung direkt in Bezug auf die Energiewende verlangen Sie im Acht-Punkte-Programm, dass Stromnetze in die öffentliche Hand zurück sollen. Nimmt man mit so weit von den Inhalten der EEG-Reformdebatte entfernten Forderungen überhaupt noch daran teil?
Ich stehe auch zu der Forderung, die Stromnetze in die öffentliche Hand zu überführen. Wenn große Netzbetreiber wie Amprion neun Prozent Nettogewinn garantiert bekommen, dann darf man schon fragen: Ist das gerechtfertigt? Es gibt eine ganze Reihe von Kommunen, die sich die Netze zurückgekauft haben. Da liegt die Forderung nicht so daneben.
Wie kann man aber mit der Re-Verstaatlichung des Stromnetzes den stockenden Ausbau so genannter Stromautobahnen lösen? Derzeit macht lokaler Widerstand gegen Südlink in Bayern Schlagzeilen: eine der drei Hochspannungstrassen von Nord nach Süd zur Schnellverteilung des fluktuierenden Windstroms….
Wir hatten ja nun im Bundestag eine aktuelle Stunde genau zu diesem Thema. Alle Parteien über alle Parteigrenzen hinweg haben gesagt, es brauche eine bessere Informationspolitik. Die hat bisher gar nicht stattgefunden. Unabhängig davon, wer einmal das Stromnetz besitzen wird, muss der Eigner diese Informationen liefern. Die Menschen sagen heute aber, dass sie zwar erfahren, wenn eine Leitung an ihrem Wohnort vorbeigeplant wird. Aber sie sagen auch, dass ihnen Fragen nicht beantwortet werden. In Bayern wird Südlink auch in Frage gestellt, weil die Bürger deren Notwendigkeit nicht sehen. Sie vermuten, da kommt nur ein Haufen Kohlestrom durch, während der Ausbau der Windkraft in Bayern nicht voran kommt.
Gibt es denn überhaupt irgendwelche Prämissen der EEG-Reformentwürfe und –Eckpunkte, die Sie teilen?
Da muss man genau hingucken. Die Windkraft im Norden wurde beispielsweise überfördert. Das muss man abstellen und das Geschäft dennoch attraktiv für Investoren belassen – aber nicht nur im Norden, sondern auch in Süddeutschland. Aber man muss zugleich Behauptungen entgegentreten, dass es generell Überförderungen gibt.
Erwarten Sie, dass für die Energiewende im laufenden EEG-Reformprozess noch etwas gewonnen werden kann?
Es wird noch viele Fachgespräche geben. Ich gehe davon aus, dass es im Wirtschafts- und wahrscheinlich im Umweltausschuss noch Fachanhörungen dazu geben wird. Spitzengespräche haben ja schon stattgefunden. In diesen hat die Industrie sich dagegen stark gemacht, dass ihre Privilegien bei der Umlage der EEG-Förderkosten auf die Stromverbraucher angetastet werden. Aus der Zeitung habe ich erfahren, dass immerhin der Termin für die Gültigkeit der geplanten Förderanpassungen auf den ersten August verschoben worden ist. Auch unter den Ländern wird der Reformprozess noch heiß diskutiert. Von CSU-Bürgermeistern höre ich großen Protest gegen die geplanten speziell bayerischen Verschärfungen der Abstandregeln für Windparks.
Also sind Sie doch noch ganz guter Dinge?
Es kommt darauf an, dass sich die Verbände der erneuerbaren Energien noch einbringen. Sie müssen klar machen, dass mit dem für später geplanten Ausschreibungsmodell gerade die Bürgerenergie keine Chance hat – und dass wir regionale regenerative Energie wollen.
Hier deckt sich die Ansicht mit jener der Grünen. Plant die Linke gemeinsam mit der anderen Oppositionspartei im Bundestag gemeinsame Anträge?
Die Grünen handeln derzeit so, als wären sie Regierungsberater. Wenn sie sich entscheiden, endlich Oppositionsarbeit zu machen, sind wir für eine Zusammenarbeit offen, denn inhaltlich gibt es tatsächlich viele Kritikpunkte, in denen wir einig sind.
(Tilman Weber)
Lesen Sie im Aprilheft von ERNEUERBARE ENERGIEN auch das Politiker-Streitgespräch über die EEG-Reform!