In der Betrachtung von Wissenschaft und Industrie hatten atmosphärische Turbulenz der Windströmung und die Energieproduktion im Windpark nichts miteinander zu tun. Die bisherige Annahme: Bei einem Windpark mit vielen Anlagen gleichen sich die Schwankungen in der Energieerzeugung einzelner Windturbinen gegenseitig aus. Kurzzeitige Böen und Flauten heben sich im Windpark demnach weitgehend auf.
Doch in der Realität ist es umgekehrt, haben jetzt Forscher der Universität Oldenburg ermittelt. Die Lehre daraus: „Die turbulenzbedingten Produktionsschwankungen einzelner Anlagen lassen sich im Windpark nicht wegmitteln“, sagt Physiker Matthias Wächter, einer von drei Projektbeteiligten.
Die Energieproduktion der Turbinen ist laut den Physikern gekennzeichnet durch die so genannte Intermittenz. Dieses Turbulenzmerkmal beschreibt das Phänomen, dass kurzzeitige, sehr starke Schwankungen der Windströmung in der Realität wesentlich häufiger auftreten, als es im statistischen Modell der Fall ist. Statt einmal im Jahr können Extremereignisse zweimal pro Minute auftreten.
Die Oldenburger fanden nun anhand realer Messdaten aus Offshore-Windparks heraus, dass diese Extremereignisse nicht nur an einer Windturbine auftreten. Das Ergebnis: Die Extremereignisse setzen sich nahezu zeitgleich im gesamten Windpark fort – womöglich über Hunderte Kilometer Reichweite. „Das könnte sehr starke Auswirkungen auf ein elektrisches System mit vielen Windparks haben“, sagt Matthias Wächter. Denn schon eine einzelne Windturbine kann ihre Leistung in wenigen Sekunden um 80 Prozent erhöhen, wenn die Windgeschwindigkeit durch eine Böe um elf Meter pro Sekunde steigt. Trifft dieses Extremereignis mit geringer Verzögerung auf mehrere Windparks, steigt deren Gesamtleistung in kurzer Zeit um bis zu 40 Prozent. Die Auswirkungen auf das Netz sind unklar, könnten aber fatal sein. „Wir denken, dass wir die Eigenschaften der Turbulenzen im elektrischen System besser verstehen müssen, um zukünftige Energienetze sicher betreiben zu können“, sagt Wächter.
Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher in „Physical Review Letters“. Es ist der erste Artikel aus dem Windenergiebereich, den das renommierte Physiker-Fachblatt veröffentlicht.
(Denny Gille)