Lange hat die Bundesregierung das Thema der Digitalisierung der Energiewende vor sich hergeschoben. Doch jetzt hat sie endliche einen Entwurf für die gesetzliche Regelung des sogenannten Smart Meterings veröffentlicht. Dieser Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende“ basiert auf einem Verordungspaket aus dem Februar dieses Jahres. Dieses wiederum enthält eine Messsystemverordnung, eine Datenkommunikationsverordnung und eine Verordnung über die Installation von Smart Metern.
Vor allem die letzten beiden Punkte waren für die Bundesregierung immer heikel. Denn der Datenschutz ist ein schon lange debattiertes Problem bei der Schaffung intelligenter Netze. Es stand immer wieder die Frage im Raum, wie sich die Netzbetreiber gegen Manipulationen der Datenleitungen und der Daten selbst absichern können. Für eine umfassende Markteinführung von intelligenten Zählern und die Verpflichtung zu Einbau muss schließlich erst einmal die sichere Kommunikation von netzdienlichen Informationen, von Verbrauchs- und Erzeugungswerten möglich sein. Erst dann wird auch ein umfassendes Last- und Erzeugungsmanagement umgesetzt werden. Denn Netzbetrieb, Bilanzkreismanagement, Integration von Strom aus fluktuierenden erneuerbaren Energien, Vermarktung von Flexibilität, Abrechnung variabler Tarife und Eigenverbrauchslösungen setzen voraus, dass detaillierte Informationen bereitgestellt werden und zwar zuverlässig.
Datensicherheit steht an erster Stelle
Rechtlich hat Berlin diese Frage vor wenigen Wochen mit dem IT-Sicherheitsgesetz zumindest in Ansätzen beantwortet. Technisch beruft sich die Regierung auf die seit 2011 unter Federführung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik entwickelte Basisversion eines mit einem Schutzprofil abgesicherten Smart Meter Gateways. „Ergänzt durch künftige Weiterentwicklungen besteht damit eine große Chance, dass nach und nach für verschiedenste Anwendungen eine mit dem notwendigen Fokus auf Datenschutz und Datensicherheit entwickelte Lösung zur Verfügung steht“, betonen die Berliner Beamten. „Im Wege modularer Erweiterungen kann diese zur Kommunikationsplattform für das intelligente Netz ausgebaut werden. In das Schutzkonzept sollen Rückfalllösungen integriert werden, die für zusätzliche Sicherheit sorgen.“ Dazu sollen vor allem Großverbraucher und große Ökostromanlagen zunächst mit speziellen Varianten von Schutzprofilen ausgestattet werden. Nach und nach können diese dann durch Einzellösungen ersetzt werden, die für die verschiedenen Bereiche entwickelt werden. Grundvoraussetzung sind aber einheitliche Standards für den Datenschutz und die Datensicherheit und eine intelligente Kommunikation. Um dies zu koordinieren, wird die Bundesregierung noch eine Roadmap „Schutzprofillösungen für das intelligente Energienetz“ veröffentlichen.
Jeder hat seine Vorteile
Bleibt noch die Frage, wer wann mit welchen Zählern zwingend ausgestattet werden soll und vor allem wer diese bezahlt. Grundlegende Regelungen dazu gibt es bereits im Energiewirtschaftsgesetz. Die Netzbetreiber und Verbraucherorganisationen streiten sich aber seit Jahren darüber, ob jeder Haushalt tatsächlich einen intelligenten Zähler braucht und wer diesen dann finanziert. Während die Verbraucherorganisationen darauf beharren, dass der Zähler schließlich zum sicheren Betrieb eines Netzes zwingen dazugehört und die Netzbetreiber durch die intelligenten Zähler schließlich weniger Aufwand haben, die Netze stabil zu halten, sollten diese auch die Zähler bezahlen. Die Netzbetreiber hingegen argumentieren, dass die Verbraucher nur dann einen Vorteil aus intelligente Netze ziehen können, wenn sie auch ein Smart Meter haben. Erst dann könnten sie variabel Stromtarife nutzen und Geld sparen. Deshalb sollen sie auch die intelligenten Zähler finanzieren.
Der Kunde muss zahlen
Die Bundesregierung löst diesen Konflikt mit dem jetzigen Plan klar auf. Die Verbraucher und dezentralen Stromproduzenten müssen für den Einbau intelligenter Messsysteme aufkommen. Allerdings wird es keine flächendeckende Installation solcher Systeme um jeden Preis geben. Die Bundesregierung legt fest, dass stufenweise bestimmte Verbraucher- und Erzeugergruppen in intelligente Messsysteme investieren müssen. Damit will sie verhindern, dass Letztverbraucher und Erzeuger nicht mit unverhältnismäßig hohen Kosten belastet werden. Aber auch Messstellen- und Netzbetreiber dürfen nicht zu überteuerten Einbaumaßnahmen verpflichtet werden. Den Streit, wer denn konkret für die intelligenten Zähler aufkommen soll, löst die Bundesregierung damit nicht auf.
Immerhin legt sie schon einmal einen Plan vor, wer wann ein intelligentes Messsystem installieren soll, dessen Basis die intelligenten Zähler sind. So sollen Stromkunden mit eine Verbrauch von mehr als 20 Megawattstunden pro Jahr als erste intelligente Messsysteme installieren. Bis 2024 soll dies abgeschlossen sein. Im gleichen Zeitraum müssen alle Ökostrom- und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen mit einer Leistung von mehr als sieben Kilowatt mir einem solchen System ausgestattet sein. Ab 2018 soll dann die Installation bei Gewerbetreibenden mit einem jährlichen Verbrauch ab zehn Megawattstunden beginnen und bis 2026 abgeschlossen sein. Danach sind Stromkunden mit einem Verbrauch ab sechs Megawattstunden pro Jahr dran. Diese müssen zwischen 2021 und 2028 mit einem intelligenten Messsystem ausgestattet sein. Bei diesen Verbrauchsgrenzen spielt es keine Rolle, ob der Gewerbetreibende oder der Industriebetrieb einen Teil seines Stroms mit einer Solar- oder KWK-Anlage selbst produziert.
Erst müssen die Systeme billiger werden
Haushaltskunden mit einem Stromverbrauch unter sechs Megawattstunden und Betreiber von kleinen Ökostromanlagen sollen zunächst einmal intelligente Zähler installieren. Doch müssen die Installateure platz im Zählerkasten lassen, damit später ein Smart Meter Gateway nachgerüstet werden kann. Ein komplettes intelligentes Messsystem wird erst dann notwendig, wenn der Netzbetreiber deren Stromverbrauch und Einspeisung flexibel regeln darf. Doch diese Verbraucher werden mit einem geringeren Netzentgelt belohnt. Inwiefern diese Vorteile durch den Einbau eines intelligenten Messsystems wieder aufgefressen werden, darüber gibt die Vorlage der Bundesregierung keine Auskunft. „Die Hinzunahme weiterer Gruppen kann bei positiver Preisentwicklung in regelmäßigen Abständen überprüft werden“, erklärt die Bundesregierung. Sie schlägt vor, alle vier Jahre die Preisentwicklung bei intelligenten Messsystemen zu prüfen.
Digitalisierung der Energiewende nimmt Fahrt auf
Mit dem jetzigen Entwurf nimmt die Digitalisierung der Energiewende endlich Fahrt auf. „Dieses System aus intelligenten Stromzählern wird einen entscheidenden Beitrag zur Bewältigung der Energiewende leisten“, erklärt Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Digitalverbands Bitkom. „Die zentrale Herausforderung der Energiewende besteht darin, die wetterabhängige Produktion aus erneuerbaren Energien und den schwankenden Verbrauch der Kunden miteinander in Einklang zu bringen. Voraussetzung dafür ist, dass Netzbetreiber, Erzeuger, Verbraucher und Speicher miteinander interagieren. Durch die intelligente Infrastruktur können sich Strompreise künftig stärker am Preis der Strombörse orientieren. Dieser kann sogar unter null fallen, wenn zum Beispiel am Wochenende große Mengen Erneuerbarer Energie ins Netz eingespeist werden. Das macht grünen Strom attraktiver und treibt die Energiewende weiter voran.“
Lange herrschte Unsicherheit
Auch der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE) lobt zunächst einmal, dass es die Bundesregierung überhaupt schon einmal geschafft hat, die Digitalisierung der Energiewende anzustoßen, auch wenn sie damit hinter anderen Ländern hinterherhinkt. Schließlich herrschte lange Unsicherheit. Jetzt soll endlich Transparenz für die Verbraucher, Produzenten, Energieversorger und Netzbetreiber geschaffen werden. „Schließlich muss klar sein, wann und wie eine Einbaupflicht für Smart Meter greift, wer diese umsetzt und dass es die Möglichkeit zur Auswahl eines wettbewerblichen Anbieters gibt“, betont Robert Busch, Geschäftsführer des BNE. „Unabhängige Messstellenbetreiber müssen wissen, in welchen Netzgebieten Ausschreibungen stattfinden.“
Flexibilitätspotenziale nutzen
Busch unterstützt auch den Plan der Bundesregierung, die Einführung von intelligenten Messsystemen schrittweise und in Abhängigkeit vom Verbrauch zu organisieren. Schließlich haben diese Kunden auch die größten Potenziale, den Stromverbrauch zu flexibilisieren und damit auf die fluktuierende Erzeugung von Ökostrom abzustellen. „Digitalisierung erlaubt die effiziente Echtzeitkommunikation von vielen mit vielen“, weiß Eberhard Holstein, Geschäftsführer von Grundgrünenergie. „Viele Verbraucher und viele Erzeuger interagieren. Kunden werden dabei zu sogenannten Prosumern, die etwa über Wärmepumpen, Mikro-BHKW, Photovoltaikanlagen verfügen. Für diese neuen Akteure des Energiemarktes ist die Einbindung intelligenter Messsysteme in virtuelle Kraftwerke eine wichtige und längst fällige Voraussetzung, um Erzeugung und Verbrauch energiewirtschaftlich und ökonomisch sinnvoll zu verzahnen.“
Den Wettbewerb stärken
Als nächste Aufgabe steht allerdings noch die Markteinführung und der Wettbewerb ins Haus. Denn nur so können die intelligenten Messsysteme auch wirklich billiger werden und die Versorger neue energiewirtschaftliche Geschäftsmodelle entwickeln. Aber auch der Wettbewerb am Messmarkt muss gestärkt werden. Bestehende Hemmnisse für die Digitalisierung der Energiewirtschaft, wie überhöhte Abrechnungsentgelte müssen endlich beseitigt werden, betont Robert Busch vom BNE. Auch diesen Punkt will die Bundesregierung mit ihrem Gesetz angehen. Dieses befindet sich jetzt in der Konsultationsphase. Bis zum 14. Oktober können sich die Bundesländer und bis zum 9. Oktober die Verbände dazu äußern. (Sven Ullrich)