Dass es dem Wald in Deutschland nicht gut geht, ist für niemanden eine Überraschung, der in den vergangenen Jahren im Harz oder Schwarzwald unterwegs war. Doch eine Neuigkeit aus der aktuellen Bundeswaldinventur war dann doch noch schlimmer als erwartet: Der Wald in Deutschland kann nicht mehr als CO2-Senke dienen. Im Gegenteil: Zwischen 2017 und 2022 wurden die Wälder sogar zur Kohlenstoff-Quelle.
42 Millionen Tonnen Kohlenstoff wurden in Totholz und Holzprodukte abgegeben
Was bedeutet das? Der Wald hat in den vergangenen Jahren durch Trockenheit und Schädlingsbefall so stark gelitten, dass der Holzvorrat und damit auch der Kohlenstoffvorrat seit 2017 erheblich abgenommen haben. „Aktuell ist ungefähr die gleiche Menge Kohlenstoff in der lebenden Biomasse im Wald gespeichert wie vor zehn Jahren“, erläutert Thomas Riedel, Leiter der Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei am Thünen-Institut für Waldökosystem in Eberswalde. Bis 2017 habe die gespeicherte Kohlenstoffmenge um 52 Millionen Tonnen zugenommen. „Danach hat die lebende Biomasse allerdings 42 Millionen Tonnen Kohlenstoff in Totholz und Holzprodukte abgegeben.“ Totholz zersetzt sich und gibt dabei den Kohlenstoff in Form von Humus an den Boden und als Kohlendioxid (CO2) an die Atmosphäre ab. Bei Holzprodukten hängt die Kohlenstoffbindung von ihrer Langlebigkeit ab. Durch den massiven Verlust an lebender Biomasse ist der Wald seit 2017 so von einer Kohlenstoff-Senke zu einer Kohlenstoff-Quelle geworden.
Der Wald speichert 1.184 Millionen Tonnen Kohlenstoff
In Zahlen bedeutet das: Aktuell sind 1.184 Millionen Tonnen Kohlenstoff oder 108 Tonnen Kohlenstoff je Hektar in den lebenden Bäumen und 46,1 Millionen Tonnen oder 4,2 Tonnen je Hektar im Totholz gebunden. Weitere 936 Millionen Tonnen Kohlenstoff sind nach Ergebnissen der Bodenzustandserhebung in Streu und Mineralboden eingelagert. Insgesamt sind also rund 2.200 Millionen Tonnen Kohlenstoff im Wald gespeichert. Der Kohlenstoffvorrat der lebenden Biomasse im Wald hat im Vergleich zur letzten BWI 2012 zwar um ein Prozent zugenommen. Seit der Kohlenstoffinventur 2017 ging er allerdings um 41,5 Millionen Tonnen oder drei Prozent zurück.
Der Weg zur Kohlenstoffsenke ist lang
Von der Kohlenstoffquelle zurück zur Senke kommt man allerdings nicht schnell: „Es braucht Geduld und Ausdauer, um dies durch den Umbau der Wälder wieder umzukehren“, bremste Landwirtschaftsminister Cem Özdemir zu hohe Erwartungen bei der Vorstellung des Berichts. Der eingeschlagene Weg zu stabilen, arten- und strukturreichen Wäldern müsse konsequent weitergegangen werden. Waldbauliches Handeln müsse sich den neuen klimatischen Herausforderungen anpassen, so der Minister.
Weltweit müsste eine Fläche fast so groß wie Brasilien aufgeforstet werden, um das 1,5-Grad-Ziel zu stützen
Leicht wird das nicht. Eine aktuelle Studie der Ludwig-Maximilians-Universität München zeigt, wie viel Wald weltweit aufgeforstet werden muss, um das 1,5-Grad-Ziel nur so kurz wie möglich zu überschreiten und dann die globale Temperatur wieder zu senken: Bis 2060 wäre dafür eine Aufforstungsfläche von 595 Millionen Hektar (Mha) und bis 2100 von 935 Mha nötig. Das ist eine Fläche, die größer ist als Brasilien.
Die positive Auswirkung wären signifikant, meinen die Münchner Forscher. So könnte die globale Spitzentemperatur in der Mitte des Jahrhunderts durch Aufforstung um 0,08°C gesenkt werden, während die Endtemperatur am Ende des Jahrhunderts um 0,2°C niedriger ausfallen würde als ohne Aufforstung. Darüber hinaus könnte die Dauer, in der die globale Temperatur das 1,5-Grad-Ziel überschreitet, um 13 Jahre verkürzt werden. Der Einfluss der Aufforstung auf die globale Temperatur werde bereits ab dem Jahr 2052 deutlich. (kw)
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