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Der neuste Gesetzentwurf aus Berlin

Kommentar: Stromsteuer auf Ökostrom – eine absurde Idee

Neu ist er ja nicht, der Vorschlag, die Befreiung von der Stromsteuer für den Eigenverbrauch von Solarstrom zu kippen. Jetzt haben sich die Beamten im Bundesfinanzministerium in der Berliner Wilhelmstraße endlich ein Kostrukt zurechtgebastelt, wie ein solcher Vorstoße zu begründen ist. Man schiebt die Schuld einfach nach Brüssel. Da wird ein Damoklesschwert gezogen, das aber eigentlich völlig stumpf ist.

Grundsätzlich geht es darum, das bisher der Strom aus Photovoltaikanlagen von der Stromsteuer komplett befreit ist. Das soll sich ändern, weil das Bundesfinanzministerium der Meinung ist, dies sei eine Betriebsbeihilfe, die nicht mit den beihilferechtlichen Regelungen der Europäischen Kommission vereinbar sei. Als Begründung wird die Verschärfung der Beihilferegelungen im Jahr 2014 aufgeführt. Bei genauer Hinsehen fällt aber auf, dass die Stromsteuer überhaupt nicht zwingend als Betriebsbeihilfe angesehen werden kann. Denn eigentlich ist die Stromsteuer ein Teil der ökologischen Steuerreform, die die einstige rot-grüne Bundesregierung im Jahr 1999 durchgezogen hat. Damit soll der Strom künstlich verteuert werden, was als Anreiz zum Stromsparen angesehen werden kann.

Beihilferechtlich wacklig

An dieser Stelle wird es wacklig. Denn die beihilferechtlichen Kriterien der Europäischen Kommission erlauben die Befreiung von Umweltsteuern, wenn sie in Anlagen mit einer Leistung von weniger als 250 Megawatt erzeugt werden. Doch die entscheidende Frage ist hier, ist die Stromsteuer überhaupt eine Umweltsteuer? Reicht die Verteuerung des Strombezugs als Begründung für eine umweltschützende Wirkung aus? Den Verwendungszweck der Steuer kann man nicht mit einbeziehen. Schließlich fließt der größte Teil der eingenommenen Summen in die Rentenkasse. Offizielle Begründung für die Einführung der Stromsteuer war, die Kosten für Arbeit zu senken. Dass sollte damit erreicht werden, dass die Lohnnebenkosten in Form von Beiträgen für die Rentenkasse zurückgefahren werden.

Energiewende von europäischem Interesse

Dennoch wäre eine Argumentation hinsichtlich einer Befreiung des Solarstroms von der Stromsteuer aufgrund einer umweltschützenden Wirkung angebracht. Dadurch müsste die Befreiung überhaupt nicht in Brüssel als Beihilfe angegeben werden. Denn die Befreiung ist Teil einer mit ökologischen Belangen begründeten Steuerreform. Damit würde sie durchaus in Brüssel durchgehen. Da müssten die Beamten im Finanzministerium allerdings die Arbeit, die sie in die neuste unglaubliche Regelung investiert haben, um die Steuerbefreiung zu kippen, in eine Argumentation gegenüber den Brüsseler Kollegen stecken. Diese Mühe würde sich tatsächlich lohnen. Schließlich hat die Europäische Kommission auch ein Interesse, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland weitergeht, um die selbst gesteckten Ziele zu erreichen. In diesem Sinne ist der Eigenverbrauch von Solarstrom – auch aus gewerblichen Anlagen – ein Vorhaben gemeinsamen europäischen Interesses im Sinne des Artikel 107 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Die Befreiung des Eigenverbrauchs kann damit ohne weiteres als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden.

Keine Wettbewerbsverzerrung

Zudem verursacht die Befreiung von Eigenverbrauchern von Solarstrom von der Stromsteuer nicht zwingend eine Wettbewerbsverzerrung im europäischen Sinne. Hier wirft das Bundesfinanzministerium die Befreiung von der Stromsteuer für Eigenverbraucher mit der Befreiung von der EEG-Umlage und den Vergünstigungen bei der Zahlung von Netzentgelten für große energieintensive Industriebetriebe in einen Topf. Kann man machen, ist aber nicht zwingend notwendig. Schließlich steht es ja allen Unternehmen in der Europäischen Union frei, sich eine Solaranlage zum Eigenverbrauch zu errichten und damit von den Vorteilen des preiswerten Solarstroms zu profitieren. Zumal mit der Stromsteuer nur die Energie in Deutschland künstlich verteuert wird und die Befreiung nur den Nachteil ausgleicht, den sich innovativ denkenden Unternehmen einhandeln, wenn die Stromsteuer auf den Eigenverbrauch erhoben würde.

20 Megawattstunden bleiben frei

Der Gesetzentwurf sieht aber genau das Gegenteil vor. Nicht die Investoren in innovative und klimafreudliche Eigenverbrauhcsanlagen sollen besser gestellt werden, sondern die Betreiber von fossilen Eigenverbrauchsanlagen. Denn das Bundesfinanzministerium will den Eigenverbrauch von Strom aus mit Kohle, Öl oder Erdgas betriebenen Anlagen mit einer Leistung von bis zu einem Megawatt komplett von der Stromsteuer befreien. Komischerweise kommt man damit offenbar nicht in Kollision mit dem europäischen Wettbewerbsrecht. Stammt der Strom allerdings aus einer Ökostromanlage, wird die Stromsteuer nur dann nicht fällig, wenn der Eigenverbrauch 20 Megawattstunden pro Jahr nich übersteigt. Was für ein lächerlicher Betrag. Denn eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 999 Kilowatt erzeugt pro Jahr immerhin fast 1.000 Megawattstunden Strom. Davon darf das Unternehmen gerade mal zwei Prozent selbst verbrauchen, während der Eigenverbrauch von Kohlestrom komplett befreit bleibt. Was für ein Irrsinn. Denn immerhin hat die Bundesregierung die Energiewende – zumindest offiziell – noch auf der Agenda. Mit dieser Regelung wird sie die Zubauziele bei der Photovoltaik in diesem Jahr zum dritten mal in Folge verfehlen.

Denn damit werden Geschäftsmodelle wie Mieterstrom oder Strom für kleine und mittlere Unternehmen nahezu unmöglich gemacht. Das sind wiederum nur bedingt Unternehmen, die überhaupt im europäischen Wettbewerb stehen. Im Falle des Mieterstroms fällt dieses Argument ohnehin weg. Unmöglich gemacht werden aber auch die Geschäftsmodelle für die Stadtwerke, die sich mit eigenen Solarparks und Windkraftanlagen ein unabhängiges Ökostromportfolio aufbauen wollen.

Energiewende auf den Kopf gestellt

Die Beamten im Bundesfinanzministerium kann die Bundesregierung und der Bundestag noch stoppen. Aus dem Bundeswirtschaftsministerium als federführende Exekutivstelle für die Energiewende dürfen die Stadtwerke, die innovativen Unternehmer oder die Vermieter kaum Unterstützung erwarten. Schließlich ist Sigmar Gabriel (SPD) derzeit selbst auf dem Weg, den Ausbau der erneuerbaren Energien noch stärker zu verhindern, als es ohnehin schon der Fall ist.

Mit der Stromsteuer auf den Eigenverbrauch wird die ganze Energiewende nicht nur auf den Kopf gestellt, sondern es ist der Versuch, sie wieder zurückzudrehen. Hier wird der Ökostrom künstlich verteuert, während Kohlestrom begünstigt wird. Statt den einzig folgerichtigen Weg zu gehen, Ökostrom grundsätzlich von der Stromsteuer zu befreien und nur noch Strom aus konventionellen Kraftwerken zu besteuern, wird hier die ökologische Steuerreform, die 1999 einmal angedacht war, durch die Hintertür in das Gegenteil umgekehrt worden. Wenn es nicht so zynisch wäre, könnte man den Beamten in der Berliner Wilhemstraße zu diesem Paradebeispiel spitzfindiger Politik haarscharf vorbei an den Interessen der Bevölkerung gratulieren. (Sven Ullrich)