Dr. Beel war überzeugt, dass es der Einnahmeunterschied zwischen nassem zu trockenem Holz möglich machen würde, den Devisenkredit in nur wenigen Jahren zu refinanzieren.
Auf der Leipziger Frühjahrsmesse im Jahr 1988 “überfiel” er in der Raucherecke den zuständigen Minister “für bezirksgeleitete Industrie und Lebensmittelindustrie” Udo-Dieter Wange, der in dieser Zeit auch Mitglied der Wirtschaftskommission beim Politbüro des Zentralkommitees der SED war, und erhielt spontan eine Zusage für die Importgenehmigung einer Vestas Anlage.
“Dann kam der Bauantrag und damit die Bürokratie”, berichtet Dr. Beel, dem es gelang an nur einem Tag gleich neun notwendige Unterschriften einzuholen.
Für ihn im Rückblick und im Vergleich zu heute ein interessantes Phänomen:
“Es gab in den Dienststellen in dieser Zeit Mut zu persönlichen Entscheidungen ohne Rückendeckung. Der Bauautrag für Wustrow war nicht dicker als mein Zeigefinger.
Heute muss ich zweimal mit dem Fahrstuhl fahren, um die Aktenordner mit allen geforderten Kopien in der BimSch-Behörde abzuliefern und das Genehmigungsverfahren zieht sich über Jahre hin.”
Im Herbst 1989 begannen die dänischen Techniker von Vestas Windsystems A/S in Wustrow die Anlage auf dem Gittermast zu installieren. Otto Jörn war Tag und Nacht dabei. “Die haben mir alles erklärt und gezeigt, was immer ich sehen wollte”, sagt er. “Nur zwei kleine schwarze Kästchen, so groß wie Zigarettenschachteln, die waren tabu. Darin war die automatische Steuerung der Anlage mittels Mikroprozessoren.”
Die technische Infrastruktur wie Zuwegung, Verkabelung, Netzanschluss, Trafohaus und Übergabestation lieferte das Energiekombinat.
“Am 10. Oktober 1989 um 18.32 Uhr drückte Otto Jörn auf den Knopf zum Probelauf und hielt dies mit Bleistift auf der Innenwand der Übergabestation fest”, berichtet Dr. Beel.
Dort ist es noch heute zu sehen.
Der Standort Wustrow erwies sich als überaus geeigneter Windstandort.
Nach der Prognose sollte die Anlage jährlich 513.000 kWh Strom liefern.
“Und genau das macht sie auch seit 25 Jahren”, bestätigt Dr. Beel. “Zweimal hat sie sogar schon 600.000 kWh erreicht.”
Eigentümer dieser legendären ersten professionellen Anlage in der DDR ist seit 1992 Dr. Beel.
Nach der Wende wurde der VEB Holzhandel Rostock zur Hanseholz GmbH umgewandelt und fusionierte später mit einem Münchener Holzhandelsunternehmen.
“Die hatten allerdings wenig Verständnis dafür, dass ein Holzhändler ein Windrad betreibt und Strom erzeugt – zumal sich kein Versicherer fand und auch das Grundstückseigentum noch strittig war. Die Anlage sollte als “nicht betriebsnotwendig” ausgesondert und verkauft werden. Ich nahm einen Privatkredit auf, kaufte die Anlage zum Buchwert, die Übergabestation von der HEVAG (dem Nachfolger des Energiekombinats und Vorläufer der E.ON), pachtete das Grundstück von der Gemeinde und bin seither Windmüller”, berichtet er.
Dr. Beel ist frühzeitig aus der Hanseholz GmbH ausgeschieden und hat seitdem mehrere Windprojekte in Mecklenburg-Vorpommern realisiert.
“Für mich war und ist diese Anlage die Grundlage meiner beruflichen Existenz, auch wenn ich seither mit anderen Windprojekten und baulichen Aktivitäten viel Glück hatte. Ich entnehme dem Betrieb der Wustrower Anlage jeden Monat 2.000 Euro und weiß, dass jedes meiner anderen Projekte, wenn es fehlschlägt, nur noch ärgerlich, aber nicht mehr tödlich sein kann. Eine solche Situation wünsche ich auch jedem anderen”, beschreibt er den für ihn noch immer realen Nutzen der Wustrower Anlage.
Der Vestas Wartungsvertrag mit der Anlagennummer 23 /32 läuft noch immer und ebenso die Anlage seit 25 Jahren ohne Probleme.
“Solch ein Getriebe hält ewig, weil es noch nicht bis an seine Leistungsgrenze ausgepowert wird”, meint Dr. Beel. “Ich würde auch aus nostalgischen Gründen diese Anlage nie abbauen. Höchstens noch eine stärkere Schwester daneben setzen”, sagt er lachend.
Das allerdings wird wohl selbst Dr. Beel nicht hinkriegen, denn auf dem Fischland-Darß dürfen keine Windenergieanlagen mehr installiert werden.
Die Wustrower Anlage wird auch in den kommenden Jahren sauberen Strom produzieren und den Seglern auf dem Bodden weiterhin zuverlässig die aktuelle Windrichtung anzeigen.
(Gudrun Kromrey)
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