Brasilien könnte schon 2016 zum zweit- oder drittgrößten Land gemessen an den jährlichen Investitionen in Windenergie weltweit aufsteigen, meint der Präsident des brasilianischen Windenergieverbandes, Elbia Silva Gannoum. Dies sagte der oberste Branchenvertreter im größten südamerikanischen Windmarkt bereits am 28. Mai auf dem traditionellen Treffen der nationalen Energiewirtschaft Enase.
Es dürfte darüber zu streiten sein, ob die Investitionen in dem Land 2016 zwar noch weit hinter dem des unangefochten größten Windkraftlandes China zurückbleiben werden, aber bereits die in den USA, in Deutschland und Indiens gleichermaßen übertreffen. Diese drei Länder hatten Brasilien bei den Neuinstallationen 2014 noch entweder deutlich übertroffen oder mit dem Land gleichgezogen, wo 2,4 Gigawatt (GW) hinzukamen. In Deutschland beispielsweise wird noch für 2015 ein weiteres Rekordjahr beim Zubau neuer Windkraftleistung erwartet, wo 2014 gut fünf GW ans Netz gingen. Für 2017, darauf kann Gannoum spekulieren, dürften die Investitionen hierzulande einbrechen, weil der vom Erneuerbare-Energien-Gesetz vorgesehene Ausbaudeckel von 2,5 GW jährlichem Kapazitätszuwachs erstmals richtig greift – und weil der 2017 anstehende Wechsel von der bisherigen Einspeisevergütung auf ein Ausschreibungssystem die Investoren dann verunsichert.
Erwartungen erhöhen sich
Doch Fakt ist: Brasilien ist nach einer langen Anlaufzeit, verursacht auch durch spezielle zeitverzögernde Folgeerscheinungen seines Ausschreibungssystems, im vergangenen Jahr erstmals unter die größten Windenergie-Ausbauländer vorgerückt. Und der dänische Analyse-Dienst Make Consulting hat jetzt seine vierteljährlich aktualisierte Zehnjahresprognose für den Weltmarkt für genau fünf Märkte korrigiert: China werde aufgrund eines 2016 bevorstehenden Vergütungsrückgangs in diesem Jahr noch einmal wesentlich mehr ans Netz anschließen, als zuvor angenommen. Nordeuropa werde ein kurzfristig stärkeres Windkraft-Wachstum erleben. Im mittleren Osten und in Afrika werde das Wachstum dank langfristigen Zutrauens der Investoren auf Ägypten und Südafrika um sechs Prozent mehr Zuwachs erleben als zuvor prognostiziert. In der Asien-Pazifik-Region werde hingegen weniger installiert, weil Südkorea und Neuseeland enttäuschten. Die Dynamik in Brasilien ist für Make aber Anlass genug für einzige deutliche Korrektur der Prognose in Bezug auf den gesamtamerikanischen Windmarkt.
Auch Bloomberg New Energy Finance erhöhte seine Erwartungen: Für 2016, so teilte der Make-Konkurrent einige Tage vorher mit, sei von einem Zubau der Windkraft in ganz Südamerika von 6,4 GW auszugehen. 2014 wuchs die Windkraft in der Region noch um 4,7 GW. Alleine in Brasilien habe die Branche im ersten Quartal schon 0,8 GW neu errichtet – bezogen auf ein GW in ganz Lateinamerika.
Zur guten Ausbaustimmung passen auch die Ausschreibungspläne der Regierung für das Stromnetz. Brasilia will noch in diesem Jahr in zwei Auktionen die Investoren dafür ermitteln, die Übertragungskapazität zwischen dem windreichen Nordosten des Landes und den energiehungrigen Industriezentren im Süden zu verdoppeln. Der brasilianische Windenergieverband kann sich indes laut dessen Präsident Gannoum für 2015 sogar einen Zubau um vier auf zehn GW kumulierter Leistung im Land vorstellen. Es wäre ein GW mehr als noch zu Jahresbeginn von Marktanalysten vorhergesehen. Bis Ende 2019 erwartet er gemäß den bisherigen Prognosen von beispielsweise Make Consulting eine installierte Leistung von 18 GW.
Gamesa erweitert Fertigungskapazität auf 640 MW
Auch der spanische Windturbinenhersteller Gamesa korrigiert nun seine Erwartungen nach oben: Am 16. Juni gab das Unternehmen bekannt, es erwarte für das Jahr 2017 ein Liefervolumen von 3,5 bis 3,7 GW. 2015 werde Gamesa 3,1 GW verkaufen. Ausdrücklich betonte das Unternehmen, die führende Position als Turbinenlieferant in seinen vier größten Märkten Indien, Mexiko, Brasilien und China verteidigen zu wollen. In Brasilien hatte das Unternehmen 2014 nach eigenen Angaben 416 Megawatt (MW) installiert – und sogar 587 MW verkauft. Mit einem Marktanteil von 22 Prozent war Gamesa knapp hinter Konkurrent GE zweitgrößter Turbinenzulieferer des Landes. Im Vorjahr 2013 hatte der Marktanteil noch 20 Prozent betragen.
Anfang Juni hatte Gamesa zudem die Eröffnung einer in der Produktionskapazität erweiterten Gondelfertigung bekannt gegeben. Die vergrößerte brasilianische Montagefabrik der Spanier kann nun jährlich Gondeln für eine Gesamtkapazität von 640 Megawatt auswerfen. In Brasilien gelten durch die Ausschreibungsregeln strenge Vorgaben, wonach die Lieferanten von Windturbinen einen hohen Anteil der Fertigung der Anlagen in Brasilien nachweisen müssen.
(Tilman Weber)