Großbritannien mausert sich langsam aber sicher zu einem Zukunftsmarkt für die Photovoltaik, wie es schon lange vorausgesagt wurde. Allein im ersten Quartal haben die Installateure im Vereinigten Königreich Solarstromanlagen mit einer Gesamtleistung von 1,1 Gigawatt installiert. Dabei war nicht etwa wie in anderen Ländern die Dachanlage der Favorit. Über drei Viertel der neu zugebauten Leistung wurde als Freiflächenanlagen realisiert. Die Hälfte dieser Freiflächenanlagen wurden dabei wiederum als Großkraftwerke mit einer jeweiligen Leistung von mehr als zehn Megawatt gebaut. Nur 22 Prozent der neuen Anlagen entstanden auf Hausdächern. Inzwischen machen die großen Freiflächenanlagen mit 47 Prozent fast die Hälfte der gesamten in Großbritannien installierten Solarstromleistung von inzwischen 4,46 Gigawatt als Solarkraftwerke auf dem englischen Rasen installiert.
Solarstrategie soll den Weg weisen
Damit entwickelt sich die Photovoltaik in Großbritannien komplett anders als im Rest Europas, wo die Dachanlagen den Großteil des Zubaus ausmachen. Finlay Colvill, Analyst beim amerikanischen Marktforschungsinstitut NPD Solarbuzz mit Sitz in Santa Clara, Kalifornien, schreibt diese Entwicklung der neuen Solarstrategie zu, die das Energieministerium in London jüngst veröffentlicht hat. Die sieht den Ausbau der Photovoltaik auf den britischen Inseln innerhalb der nächsten zehn Jahre auf 20 Gigawatt vor. Dabei will die Regierung als positives Beispiel voran gehen. So soll in Zukunft kein geeignetes Dach von öffentlichen Gebäuden, Schulen und Krankenhäusern ohne Solarstromanlage bleiben. „Die Regierung muss sich darum bemühen, in den nächsten Jahren bis zu einem Gigawatt Solarstromleistung auf die eigenen Flächen und Gebäude zu bauen“, erklärt Energieminister Gregory Barker.
Die Mieter im Blick
Auch Colvills Marktforscherkollegen von IHS sehen die Solarstrategie als Grund für die optimistische Stimmung in der Branche an, auch wenn das Dokument wage ist und nichts über konkrete Fördermaßnahmen für gewerbliche Dachanlagen aussagt. „Diese sind aber wesentlich, um den Markt von den Großkraftwerken zu Dachanlagen zu verschieben“, betonen die Analysten von IHS. Immerhin hat die Regierung auch den Bau von Anlagen auf großen Mehrfamilienhäusern im Blick. „Wir würden gern mehr Vermieter von Sozialwohnungen sehen, die dem Beispiel der Vermieter folgen, die schon Photovoltaiksysteme auf ihren Hausdächern installiert haben, um die Energiekosten ihrer Mieter zu senken“, schreibt das Energieministerium im zweiten Teil seiner Solarstrategie.
Der Oktober 2013 war der Wendepunkt für die britische Photovoltaikindustrie. Denn zu diesem Zeitpunkt sind die Preisabsprachen zwischen der EU und China wirksam geworden, was das Ende des Handelsstreits bedeutete. Seither wurden in Großbritannien Photovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von 1,54 Gigawatt installiert. Die neuen Kraftwerke konzentrieren sich in wenigen Regionen: 37 Prozent der installierten Leistung befindet sich im Südwesten Englands, 26 Prozent in Ostengland und 20 Prozent im Südosten. Weitere acht Prozent wurden in den East Midlands installiert.
Optimistischer Blick in die Zukunft
Colvill sieht für den britischen Photovoltaikmarkt optimistisch in die Zukunft. „Es sind immer mehr Photovoltaikprojekte in der Pipeline“, sagt er. Allein bei der britischen Niederlassung des Hamburger Systemanbieters Conergy stehen derzeit Aufträge mit einer Gesamtleistung von 68 Megawatt in den Auftragsbüchern, deren Fertigstellung noch innerhalb der nächsten drei Monate ansteht. Dazu kommt jetzt noch ein neuer Auftrag von RWE. Der Energieriese lässt Conergy eine Solarkraftwerk mit einer Leistung von 37 Megawatt errichten. Der Bau soll noch im Spätsommer dieses Jahres fertig sein. Bis dahin werden die Monteure von Conergy auf dem gut 52 Hektar großen Gelände eines ehemaligen Militärflugplatzes in Kencot, etwa 30 Kilometer westlich von Oxford, insgesamt 144.000 Solarmodule installieren. Um den gesamten Solarpark wird Conergy noch eine Heckenlandschaft anpflanzen, um die Biodiversivität zu schützen und den einheimischen Wildtieren einen Lebensraum zu bieten. Gleichzeitig wird damit das Kraftwerk vor den skeptischen Blicken der Anwohner versteckt. „Damit hat Conergy weltweit Solarkraftwerke mit einer Gesamtleistung von 600 Megawatt gebaut“, erklärt Alexander Gorski, Geschäftsführer der europäischen Niederlassungen von Conergy.
Für RWE indes ist es ein Pilotprojekt für ein neues Geschäftsmodell. Denn der Energiekonzern wird die Anlage nichts selbst betreiben, sondern sondern an den „Forsight Solar Fund“, einem Infrastrukturfonds der Forsight-Gruppe, verkaufen. Das Projekt ist ein Testlauf von RWE für ein neues Geschäftsmodell. „Wir setzen unser Know-how im Projektmanagement – auf der technischen Seite unterstützt von RWE Innogy – und in der Beschaffung ein, um dem Investor einen schlüsselfertigen Solarpark übergeben zu können, der den britischen Förderrichtlinien für Erneuerbare entspricht“, erklärt Stefan Judisch, Vorsitzender der Geschäftsführung von RWE Supply amp; Trading. „Diese Form der Projektfinanzierung und -realisierung ist sehr innovativ. Wir schließen eine Lücke zwischen Finanzinvestoren, die an erneuerbaren Energieanlagen interessiert sind, aber keine Projektrisiken tragen wollen, und Projektentwicklern, denen das Kapital fehlt, um ihre Projekte auch tatsächlich zu bauen.“ Funktioniert dieses Geschäftsmodell für RWE, soll es auch anderen Mitinvestoren geöffnet werden.
Zubau wird stetig ansteigen
Finlay Colvill geht außerdem geht er davon aus, dass die Preise für Photovoltaikmodule aus China in Europa voraussichtlich sinken werden. Auch seine Kollegen vom Marktforschungsinstitut IHS in London prognostizieren für dieses Jahr eine starke Entwicklung des britischen Photovoltaikmarktes. Sie gehen davon aus, dass in diesem Jahr der gesamte Zubau mindestens 2,4 Gigawatt betragen wird. Davon werden 1,5 Gigawatt auf die Freiflächenlagen entfallen. Dieser Zubau wird sich in den nächsten Jahren langsam weiter nach oben entwickeln. Für das Jahr 2018 prognostizieren die britischen Marktanalysten einen Zubau zwischen 2,5 und drei Gigawatt. Einen Vorteil für den britischen Markt sehen die Marktforscher, dass er wenig zersplittert ist. Immerhin haben die fünf größten Systemanbieter und Projektentwickler im ersten Quartal dieses Jahres 46 Prozent aller Photovoltaikkraftwerke installiert. Dazu gehört auch die britische Niederlassung des Hamburger Systemanbieters Conergy. (Sven Ullrich)