Nach einem Jahr Versuchsaufbau hat die sogenannte Agrophotovoltaik bewiesen, dass der Ansatz zur Doppelnutzung von landwirtschaftlichen Flächen durchaus erfolgreich sein kann. Bei der Agrophotovoltaik (APV) geht es darum, dass eine Solaranlage über einer Ackerfläche errichtet wird. Die Module werden dabei so hoch über der Fläche installiert, dass eine weitere Nutzung der Landfläche für den Ackerbau möglich ist. Denn dann können die Landwirte mit ihren großen Maschinen unter der Solaranlage weiterhin Pflanzen anbauen.
Die erste dieser Installationen entstand auf einem Feld in der Nähe des Bodensees. Die Projektierer und Installateure von BayWa r.e. haben dort 720 bifaciale Module über 10.000 Quadratmetern Ackerfläche installiert. Um die Bodenversiegelung so gering wie möglich zu halten, haben sie die Pfosten für das Montagesystem mit einem sogenannten Bodenanker in der Erde befestigt. Der Abstand zwischen den einzelnen Modulreihen ist so groß, dass noch genügend Licht auf die Ackerfläche fällt, damit die verschiedenen, unter der Anlage angebauten Pflanzen wachsen können. Neben der Anlage haben die Landwirte die gleichen Kulturen angepflanzt.
Weitere Pflanzen testen
Auf diese Weise konnten die Forscher vom Fraunhofer ISE, die das System entwickelt haben, zusammen mit ihren Kollegen von der Universität Hohenheim herausfinden, wie sich die Verschattung durch die Solaranlage auf den Ertrag auswirkt. „Beim Kleegras ist der Ertrag im Vergleich zur Referenzfläche nur leicht um 5,3 Prozent reduziert”, fasst Petra Högy, Professorin und Agrarexpertin an der Universität Hohenheim, die Ergebnisse des ersten Jahres zusammen. „Bei Kartoffeln, Weizen und Sellerie sind die Ernteverluste durch die Beschattung mit rund 18 bis 19 Prozent etwas stärker ausgeprägt.” Allerdings schränkt sie ein, dass noch mehrere Praxisjahre und Untersuchungen mit anderen Kulturen notwendig seien, um eindeutige Aussagen treffen zu können.
Jedoch steht dem geringeren landwirtschaftlichen Ertrag der zusätzliche Nutzen durch die Energieproduktion gegenüber. So konnte die Flächennutzungseffizienz um 60 Prozent gesteigert werden. Mit einer installierten Leistung von 194 Kilowatt lieferte die Anlage im Testjahr immerhin 1.266 Kilowattstunde Solarstrom. Diesen hat die beteiligte Hofgemeinschaft, der der Acker gehört, zu 40 Prozent selbst verbraucht, vor allem zum Betanken eines Elektrofahrzeugs und zur Verarbeitung der Produkte. Im Sommer konnten die Landwirte sogar tagsüber fast den kompletten Solarstrom selbst nutzen. Den überschüssigen Strom haben die Elektrizitätswerke Schönau abgenommen und über ihr Portfolio vermarktet.
Eigenverbrauch erhöhen
Der Eigenverbrauchsanteil könne durch eine Optimierung des Verbrauchsverhaltens noch weiter erhöht werden, sind sich die Demeter-Landwirte der Hofgemeinschaft sicher. Mit dem Einsatz eines Stromspeichers könnte dieser sogar bis zu 70 Prozent steigen. „Auf diese Weise sieht die Agrophotovoltaik aus agrarwissenschaftlicher Sicht nach einem vielversprechenden Ansatz aus, um die Landnutzungseffizienz zu erhöhen und den Mix erneuerbarer Energien zu erweitern”, betont Iris Lewandowski, Leiterin des Fachgebiets Nachwachsende Rohstoffe und Bioenergiepflanzen an der Universität Hohenheim.
Zumindest könne durch den Ansatz die Flächenkonkurrenz zwischen Landwirtschaft und Solarwirtschaft abgemildert und gleichzeitig neue Flächen für den Photovoltaikausbau erschlossen werden, erklärt Andreas Bett, Institutsleiter des Fraunhofer ISE. „Bis zur Marktreife der Technologie müssen jedoch noch weitere Sparten und Anlagengrößen getestet und die technische Integration vorangetrieben werden, zum Beispiel bei der Speicherung”, sagt er.
Marktreife im Blick
Den Ansatz zur Marktreife weiterzuentwickeln, ist jetzt das nächste Ziel der Freiburger Forscher. „Um den für eine Markteinführung notwendigen Nachweis der Funktionstüchtigkeit im Einsatz erbringen zu können, müssen wir weitere techno-ökonomische APV-Anwendungen vergleichen, die Übertragbarkeit in andere Regionen demonstrieren und größere Anlagen realisieren”, umschreibt Stephan Schindele, Projektleiter Agrophotovoltaik am Fraunhofer ISE, die nächsten Schritte. So sollen die unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten unter anderem in Kombination mit Obst-, Beeren-, Wein- und Hopfenbau sowie mit Energiespeicher, organischer Photovoltaikfolie und solarer Wasseraufbereitung und -verteilung untersucht werden. (Sven Ullrich)