Mit einer Grundsteinlegung haben die beteiligten Akteure am Donnerstag die Errichtung eines Zehn-Megawatt-Elektrolyseurs für das Arcelor-Mittal-Stahlwerk in Bremen-Mittelbüren im nordwestlichen Umland des Stadtstaates eingeleitet. Mitte 2024 soll die Anlage für die allmähliche Umstellung der Stahlerzeugung in Bremen auf eine klimaneutrale Produktion bereitstehen. Das Rostocker Elektrolyse-Projektentwicklungsunternehmen Apex hatte den Auftrag im Juli vorigen Jahres vom Regionalversorger und Energiekonzern EWE aus Oldenburg und dessen Tochterunternehmen SWB erhalten. EWE und der ehemals stadteigene Energieversorger der Weserstadt SWB sind zwar die offiziellen Projektentwicklungspartner des Elektrolysevorhabens. Sie haben aber den auf Wasserstoffprojekte spezialisierten Rostocker Dienstleister Apex für die technische Umsetzung des Vorhabens eingebunden.
Die geplante Anlage ist Teil des vom Bundesland Bremen geförderten Forschungs- und Entwicklungsprojektes Hybit. Dessen ausgeschriebener Projekttitel Hydrogen for Bremens industrial transformation weist die Zielrichtung: Die Elektrolyse im Stahlwerk soll zum Modell für die Dekarbonisierung der Bremer Industrieproduktion werden. Sie soll also aufzeigen, wie durch Wind- und Solarstrom erzeugter Wasserstoff (chemische Verbindung: H2) künftig als emissionsfreier Energieträger für energieintensive Industrieprozesse wie die Stahlherstellung nutzbar wird. Zunächst wird der Elektrolyseur rund 1.500 Tonnen grünen Wasserstoff pro Jahr bereitstellen und die Roheisenerzeugung und Stahlverarbeitung versorgen. Mehrere Ausbaustufen sollen die Wasserstofferzeugung für das Bremer Stahlwerk in Zukunft stufenweise erhöhen. Die Projektpartner peilen eine Elektrolyse-Erzeugungsleistung „im dreistelligen Megawattbereich“ an.
So wird mit der Apex-Auslegung „eines der größten industriellen Wasserstoffprojekte in Deutschland und Europa“ entstehen – gemessen an zu diesem Zeitpunkt anderen europaweiten Industrieprojekten für eine Versorgung mit grünem Wasserstoff. In Deutschland war 2019 der Stahlkonzern Salzgitter AG an seinem Standort vorausgegangen. Hier hatte dieser zuerst eine 720-Megawatt-Elektrolyse und 2021 zwei miteinander kombinierte Anlagen von jeweils 1,25 Megawatt (MW) elektrischer Leistung in Betrieb genommen. Wie EWE und SWB in Bremen will auch die Salzgitter AG etappenweise die Stahlherstellung auf eine Energieversorgung mit grünem Wasserstoff umstellen und nutzt dafür einen Windpark mit 30 MW Nennleistung direkt am Standort des Tochterunternehmens Salzgitter Flachstahl. Bis 2033 soll die Stahlerzeugung des Konzerns im Rahmen von drei Ausbaustufen fast komplett auf grünen Wasserstoff als Prozessenergiequelle umgestellt sein. Ende 2025 beziehungsweise ab 2026 wollen die Partner des Salzgitter-Projektes – außer Salzgitter AG sind Industriegaselieferant Linde und mittelbar über den Windpark der Energieversorger Eon beteiligt – die Produktion des grünen Stahls bei 1.900 Tonnen jährlich beginnen. Und nach dem Abschluss der beiden weiteren Ausbauphasen in rund zehn Jahren soll dann der niedersächsische Stahlkonzern seine jährlichen CO2-Emissionen um rund 95 Prozent reduziert haben.
Die in Bremen beteiligte Rostocker Pionierfirma Apex bringt derweil einige Erfahrung an der industriellen Direktnutzung grünen Wasserstoffs und einer Hochskalierung der Grünstromelektrolyseure ein. Anfang des vergangenen Jahrzehnts hatten die Projekte entwickelnden nordostdeutschen Unternehmer das Geschäft mit der Errichtung von Druckwasserstoffanlagen und der Entwicklung von Wasserstoffspeichern in Angriff genommen. Das Management um den heutigen Geschäftsführer und damaligen Finanzchef Peter Roessner erkannte die künftige wirtschaftliche und technologische Bedeutung des emissionsfreien Sektorkopplungs-Energieträgers schon, bevor die Bundesregierung 2020 ihre erste nationale Wasserstoffstrategie für Deutschland herausbrachte. Noch 2019 nahm Apex am damals gerade frisch bezogenen heutigen Firmenstandort Laage bei Rostock den Aufbau einer Zwei-MW-Elektrolyseanlage in Angriff. Vorplanungen hatten schon 2017 begonnen. Die Elektrolyse am Unternehmensstandort startete 2020 zuerst mit geringerer Leistung, und 2021 erreichte sie die volle Zwei-MW-Leistung als damals angeblich größte Anlage für grünen Wasserstoff in Europa. Den Energierohstoff sieht Apex vorwiegend zur Direktversorgung eines Industriegebietes vor. Erste zwei Unternehmen des Industriegebietes nehmen die durch die Wasserstoffnutzung verstetigte Energieversorgung in Anspruch. Ein Blockheizkraftwerk erzeugt am Standort Laage auch Fernwärme für die Unternehmen oder verstromt den Wasserstoff bei Bedarf wieder und liefert diese grüne Elektrizität. Ein 11,5-MW-Photovoltaikpark versorgt über eine Direktleitung den Elektrolyseur mit überschüssig erzeugtem Sonnenstrom.
Rostock-Laage ist ein Referenzprojekt für weitere Industrieprojekte und ein technologischer Baukasten für die dafür erforderlichen technologischen Konzepte. So erklärte es auf der Industriemesse in Hannover schon am Dienstag der Forschungs- und Entwicklungsschef des Unternehmens, Peter Sponholz, im Gespräch mit ERNEUERBARE ENERGIEN. Aus der Zwei-MW-Elektrolyseanlage beliefern die Rostocker auch Tankstellen zur 700-Bar-Druckbetankung von Lastwagen und zur 350-Bar-Betankung von Bussen und PKW. Ähnliche und verschieden große Industriegebietsprojekte entwickeln die Rostocker bereits für andere Orte. Merkmal dieses Konzeptes ist es, dass die Komponenten in 20-Fuß-Containern unterkommen.
Außerdem wird ebenfalls 2025 eine Fünf-MW-Anlage aus der Apex-Projektentwicklung am Wasserkraftwerk Grenzach-Wyhlen in Südbaden in Betrieb gehen. Sie soll H2 aus überschüssigem Wasserstrom erzeugen. Baden-Württembergs Großversorger EnBW betreibt das Wasserkraftwerk und gab unmittelbar zu Beginn der Hannover Messe bekannt, eine Ausschreibung für Abnehmer der Wasserstoffvolumen aus dem Grenzach-Wyhlen-Kraftwerk gestartet zu haben. Mit langfristigen Stromliefer- oder Stromabnahmeverträgen, sogenannten PPA, will EnBW, den Vertrieb des Energieträgers sehr frühzeitig und langfristig regeln.
Zudem startete Apex im Februar ein 100-MW-Elektrolyse-Projekt für jährlich bis zu 7.500 Tonnen grünen Wasserstoffs zur Versorgung von Abnehmern in Berlin oder der Industrieregion Leipzig-Leuna. Der wertvolle Energiestoff soll schon ab 2027 über eine Gaspipeline dort hinfließen können. Das Projekt gehört dem Förderprogramm Doing Hydrogen Mecklenburg-Vorpommerns für einen ostdeutschen Wasserstoff-Hub an. Zwei Drittel der geplanten Pipelinestrukturen dafür seien durch das vorhandene Gasnetz abgesichert, sagte Sponholz.
Der Chief Research Officer (CRO) beaufsichtigt zugleich die Entwicklung von Speichertanks, die als Schlüsseltechnologie für den Wasserstoff künftig eine zunehmend wichtige Rolle spielen dürften. Denn das Gas Wasserstoff ist ein besonders flüchtiger und auch explosiver Stoff, der sich eher schwierig transportieren lässt. Apex entwickelt dafür zum Beispiel Kunststoffliner genannte Tanks. Hierbei handelt es sich um Kunststoffblasen, die das Unternehmen mit Kohlefasern umwickeln und damit mit einer Druckfestigkeit für 500 Bar einfassen lässt. Diese zigarrenförmigen Kunststoffliner sollen durch spezielle Vorrichtung stapelbar sein und in 20-Fuß-Containern auf den Transport gehen.
Außerdem forschen die Rostocker zusammen mit dem Leibniz-Institut für Katalyse in Rostock an der Speicherung von H2 in einem mit Backpulver vergleichbaren Salz. Herausforderung ist es, wie sich das H2 nicht nur in den Wasserstoffspeicher hinein, sondern vor allem, wie es sich wieder herauskristallisieren lässt. 2024 werde das Produkt marktfähig sein, sagte der CRO. Das Ziel ist es, den Wasserstoff hierbei nur auf 40 Bar komprimieren zu müssen und im Temperaturbereich von Raumtemperatur bis 60 Grad Celsius damit hantieren zu können. Die Speicherfähigkeit sei dann mit einer Druckbetankung eines herkömmlichen Tanks mit 850 Bar zu vergleichen, heißt es bei den Rostockern.
Durch eine Übergabe des Unternehmens unter das Dach eines finanzstarken großen Unternehmens gewann Apex zuletzt auch neuen Zugriff auf neues Kapital für Investitionen. Zu Anfang 2023 übernahm das luxemburgisch-schweizerische Elektronik-Technologieunternehmen Exceet die Rostocker. Apex gehören aktuell rund 60 Mitarbeitende an.
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