Ein regelrechter Forschungswettlauf hat sich rund um die Systemeinbindung von Solarstromspeichern entwickelt. Gleich zwei neue Projekte testen jetzt den systemdienlichen Speicherbetrieb. So wird die Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Nürnberg im Auftrag des Nürnberger Energieversorgers N-Ergie die „Schwarmfähigkeit“ von Stromspeichern erproben. Konkret geht es um die Entwicklung virtueller Großspeicher, indem viele kleine Speicher zu einem Schwarm zusammengeschlossen werden. Dazu bündeln die Forscher der FAU zunächst 75 Energiespeichersysteme. Sie werden über Mobilfunk angesteuert und können so Primärregelleistung zur Stabilisierung des Netzes bereitstellen. Die Speicher sind über das gesamte Netz von N-Ergie verteilt.
Erneuerbare stabilisieren das Netz
Die Idee ist, dass die Speicher den Strom horten, der zu viel im Netz ist. Umgekehrt speisen sie den gespeicherten Strom wieder ein, wenn der Strombedarf steigt. „Damit kann die bisher überwiegend von fossilen Kraftwerken übernommene Stabilisierungsfunktion des Netzes zunehmend durch erneuerbare Energieerzeuger erfolgen“, erklärt Josef Hasler, Vorstandsvorsitzender von N-Ergie, das Ziel des Projekts. „Das ist ein wichtiger Beitrag zur Energiewende.“ Das Projekt ist noch nicht aus den Kinderschuhen herausgekommen. N-Ergie hat aber einen konkreten Fahrplan, wie die Forschungen vorankommen sollen. „Derzeit werden die Speicher nach und nach eingebaut und getestet. Im Sommer 2015 soll die virtuelle Vernetzung zum Schwarm erfolgen“, erklärt der Nürnberger Energieversorger. Am Ende sollen die Forscher der FAU herausfinden, unter welchen Bedingungen private Betreiber von Solarstromanlagen in Speicher investieren, wie diese Speicher zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen und welchen Nutzen sie aus Sicht des Netzbetreibers und der Privathaushalte haben.
Die Oldenburger Speicherwolke
Mit der Frage der Kommunikation von zu einem virtuellen Großspeicher zusammengeschlossenen kleinen Speichereinheiten beschäftigen sich Forscher in Niedersachsen. Der Oldenburger Energieversorger und Netzbetreiber EWE, der Telekommunikationsanbieter Alcatel-Lucent, das IT-Beratungsunternehmen BTC, der Energietechnikkonzern ABB, der Energieversorger Süwag in Frankfurt/Main, das Institut für Informatik der Universität Oldenburg (Offis), das EWE-Forschungszentrum Next Energy sowie das Institut für Hochspannungstechnik und Elektrische Energieanlagen (Elenia) der TU Braunschweig beteiligt haben vor gut zwei Jahren das Projekt Green 2 Store gestartet. Dabei geht es um die Möglichkeiten einer sogenannten Energy Storage Cloud. Die Projektpartner schalten Stromspeicher so zusammen, dass Energieversorger, Dienstleister, Energiehändler und Verbraucher darauf zugreifen können, ohne selbst Speicher betreiben zu müssen. Das Konzept lehnt sich an das Cloud-Computing an, bei dem Computernutzer ihre Daten in entfernten Rechenzentren speichern. „Die technischen Voraussetzungen sind fast vollständig erreicht“, betont Magnus Pielke, Projektleiter bei EWE in Oldenburg. „Die für den Feldtest vorgesehenen Speicher sind installiert und werden jetzt über Gateways mit einer zentralen IT-Cloud vernetzt.“
Informationsverarbeitung steht im Mittelpunkt
Die Herausforderung ist die Verarbeitung der Informationen sowohl des Speicherplatzes, der zur Verfügung stehenden Kapazitäten, dem aktuellen Status im Netz, der aktuellen Nachfrage – und das auch noch in kürzester Zeit. Die Projektbeteiligten haben jetzt die informationstechnische Infrastruktur und die darauf laufenden Energiedienste installiert. Jetzt werden sie getestet. „Sie stehen bald bereit, um Interessenten für Energiespeicher verfügbare Kapazitäten anzubieten und deren Buchungen über eine Fahrplansteuerung sicherzustellen“, erklärt Pielke. „Erste Simulationen der Energiewirtschaft zeigen bereits Potenziale des Ansatzes einer integrativen Nutzung von dezentralen Speichern. Doch auch eine energiewirtschaftsrechtliche Bewertung macht deutlich, welche Herausforderungen der Rechtsrahmen heute für diesen innovativen Einsatz von Energiespeichern mitbringt.“
Viele Fragen bleiben offen
Die beiden Projekte zeigen nicht nur, wo noch die Hürden für virtuelle Großspeicher liegen, sondern auch dass die Netzbetreiber ein Interesse an der Thematik haben. Anders als an den Möglichkeiten der Netzstabilisierung, die Photovoltaikanlagen auch ohne Speicher mitbringen. Denn auch ohne rotierende Massen in den konventionellen Kraftwerken kann die Leistungselektronik der Solaranlagen bereits heute problemlos Systemdienstleistungen bereitstellen. Die Netzbetreiber greifen allerdings noch viel zu wenig auf diese Möglichkeiten zurück. Jetzt haben sie mit den Stromspeichern einen neuen Ansatz, die rotierenden Massen endlich abzuschalten und den nächsten Schritt auf dem Weg zur vollständigen Versorgung mit erneuerbaren Energien zu gehen.
Dazu haben sich die Netzbetreiber aber den sperrigen Weg ausgesucht, auch wenn die systemdienliche Betriebsweise von Stromspeicher einfacher zu verstehen ist. Allerdings während zum Beispiel die Abreglung von Solarparks bereits rechtlich geregelt ist, kommen die Netzbetreiber beim Zugriff auf Hausspeicher in eine rechtliche Grauzone. Fragen, wie und unter welchen Bedingungen sie darauf zugreifen können, sind genauso wenig geklärt wie die Frage der Vergütung der Systemdienstleistungen durch die Betreiber der Speicher. Dies wird die nächste Herausforderung, wenn die technischen Voraussetzungen eingehend untersucht sind. (Sven Ullrich)