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Verträge

Kein Zugriff aus Deutschland

Ein Modulhersteller aus Nanjing in China hat auf Grund seiner guten Verkaufszahlen in Europa Mitte 2009 eine Vertriebsgesellschaft in Deutschland gegründet. Das Büro in Frankfurt wird vom Hauptsitz und Mutterkonzern in China gesteuert. Es dient allein dem Zweck, dem Kunden einen besseren Service vor Ort zu bieten und die Verkäufe zu beschleunigen. Laut dem Hersteller ist es einigen deutschen Abnehmern chinesischer Module wichtig, auch den Liefervertrag mit einer deutschen GmbH abzuschließen. Dass diese Sichtweise ein trügerisches Risiko in sich bergen kann, soll das folgende Fallbeispiel erläutern.

Plötzlich stimmt die Qualität nicht mehr

Die Projekt-GmbH für größere Photovoltaikanlagen mit Sitz in Norddeutschland hat häufig Lieferverträge mit dem deutschen Vertriebsbüro des chinesischen Herstellers abgeschlossen. Die Lieferung und die Qualität waren immer zufrieden stellend. Bis bei einer Lieferung von mehreren Megawatt für einen Solarpark die Qualität nicht mehr stimmte. Nachdem die Vertriebs-GmbH des Herstellers den Reklamationen des Projektunternehmens nicht nachkam und nach monatelangem Streit keine Einigung in Sicht war, erhob der Projektierer eine Klage gegen die Vertriebsgesellschaft. Dabei stellte sich heraus, dass sich die beiden Parteien in ihren Lieferverträgen nie auf einen Gerichtsstand geeinigt hatten. In solchen Fällen wird der Gerichtsstand am Sitz derjenigen Partei festgelegt, die die charakteristische Leistung (hier: die Lieferung der Ware) erbringt.

Zusätzlich bestimmt § 28 EGBGB, dass das Recht des Staates Anwendung findet, mit dem das Unternehmen die engste Verbindung aufweist. Dies ist in der Regel dort der Fall, wo der Lieferant oder Hersteller seinen Sitz hat. Bei Kaufverträgen kommt also das nationale Recht des Herstellers oder Verkäufers zur Anwendung. Dies bedeutet konkret: Der Käufer muss seine Mängelrechte nach für ihn fremden Recht geltend machen.

Ein deutsches Gericht entscheidet …

In diesem Fall wurde die charakteristische Leistung, nämlich die Lieferung der Module, in Deutschland erbracht, da letztendlich auch der Vertrag mit der deutschen Vertriebsgesellschaft geschlossen worden war. Der Prozess findet demnach – und für die Projektgesellschaft völlig logisch – vor einem deutschen (staatlichen) Gericht statt. Auf Grund der vorliegenden Fakten war es eindeutig, dass die chinesische GmbH den Prozess verliert. Der Eigentümer der Projekt-GmbH sah sich bereits siegessicher. Aber da es sich bei der Vertriebsgesellschaft mbH nur um ein Büro in Frankfurt mit einem geringen Vermögenswert handelt, ist das Prozedere für die Projekt-GmbH noch nicht überstanden.

… aber das Vermögen befindet sich in China

Das Gerichtsurteil ist zwar rechtskräftig, müsste jedoch in China vollstreckt werden. Denn nur dort befinden sich hinreichende Vermögenswerte des chinesischen Herstellers. Eine Vollstreckung deutscher Gerichtsurteile in China ist aber mangels bilateraler Abkommen zwischen beiden Staaten nicht möglich. Nachdem der Eigentümer der Projekt-GmbH dies erfahren hatte, fiel er aus allen Wolken: Obwohl er im Recht war, sollte er leer ausgehen?

Wie wäre der Fall ausgegangen, wenn beide Parteien im Vertrag den Gerichtsstand Deutschland gewählt hätten? Auch dann würde der Prozess eindeutig vor einem deutschen Gericht stattfinden, aber das Ergebnis wäre das gleiche: ein nicht vollstreckbares Urteil. Um den Fall weiterzuspinnen: Hätten sich die Parteien auf eine Stadt in China als Gerichtsstand geeinigt, hätte die Projekt-GmbH bessere Chancen gehabt. Der Prozess findet dann vor einem chinesischen Staatsgericht statt. Auch hier verliert die Vertriebs-GmbH des chinesischen Herstellers den Prozess. Aber es ergeben sich keine Probleme hinsichtlich der Vollstreckung, da Urteil und Vollstreckung im selben Land, in China, stattfinden.

Ein Vertrag mit dem Mutterhaus?

Sollte ein deutscher Abnehmer den Liefervertrag direkt mit dem chinesischen Mutterkonzern abschließen? Auch dann kommt es wieder auf den Gerichtsstand an. Wenn er nicht vereinbart wurde, findet der Prozess vor einem chinesischen Staatsgericht statt, da die charakteristische Leistung in China erbracht wurde. Das heißt, die Vollstreckung ist unproblematisch, denn hinreichende Vermögenswerte sind im Land vorhanden. Haben sich beide Parteien auf einen Gerichtsstand in Deutschland geeinigt, geht der Kläger ebenfalls leer aus. Das deutsche Gerichtsurteil müsste in China vollstreckt werden, eine Vollstreckung ist aus dem oben aufgeführten Grund nicht möglich. Das Urteil kann nur vollstreckt werden, wenn sich der deutsche Käufer und der chinesische Mutterkonzern auf den Gerichtsstand in China geeinigt haben.

In den zunehmenden Geschäftsbeziehungen zwischen deutschen und chinesischen Unternehmen gibt es bisher keine deutschen Urteile, die in China erfolgreich vollstreckt wurden. Denn in Drittstaaten gibt es spezielle Vorschriften zur Vollstreckung ausländischer Gerichtsurteile. Zwischen Deutschland und China gibt es kein bilaterales Abkommen, das die Anerkennung und Vollstreckung jeweiliger Staatsurteile ermöglicht. Bis auf zwei Ausnahmen wurden auch in China gefällte Gerichtsurteile nicht in Deutschland vollstreckt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es sich für beide Parteien empfiehlt, im Zuge der Vertragsverhandlungen ein Schiedsgericht als neutrales Forum zu benennen. Diese Variante ermöglicht im Streitfall einen reibungslosen und kostengünstigeren Prozess. (Daniel Weithe, Konkoma Solutions)