Seit der Verlängerung der AKW-Laufzeiten liegen die Nerven blank. Und dass, obwohl jeder bei der letzten Bundestagswahl wissen musste, dass bei einem Gewinn der CDU die Energieversorger, Pharmafirmen, Banken und Versicherungen immer die Nutznießer einer schwarzen oder gelben Regierungsbeteiligung sind. So verwundert es nicht, dass es aktuell so kommt, wie es nun mal ist. Jetzt häufen sich die Studien der Vertreter der Erneuerbaren-Energien-Branche. Die Biomasse-Studien sind noch geprägt von den Vorhaltungen über den Landverbrauch und Sinnhaftigkeit von Monokulturen mit Mais. Die Photovoltaik-Welt ist da bereits weiter. Nach dem kurzen Einbruch der Schwermetall-Diskussion über Blei und Cadmium kommt nun immer mehr der volkswirtschaftliche Nutzen zum Tragen. Da die volkswirtschaftlich sinnvollste Methode des stetigen Absenkens der Emissionsobergrenze in Deutschland nicht eingeführt wird. Muss nun die zweitbeste Lösung her: Die einzelnen Technologien versuchen sich bei Investoren und Bevölkerung in besonders nützliches Licht zu rücken.
Die Photovoltaik hat da eine besonders gute Chance, wenn man sich die enormen Investitionen ansieht, die bei zentralisierten EE-Projekten notwendig sind. Der Netzausbau ist bei Windparks und großen Solarparks wie etwa deyertc sie plant das Nadelöhr. Aber an genau dieser Stelle haben natürlich auch die Investoren zukünftig den größten Einfluß - also wirtschaftliche Macht über eine essenzielle Grundlage der Zivilisation. Denn wer große Energieproduktionen und/oder die nötige Netze für den Energietransport besitzt, verfügt auch über die Preisbildungsmacht. Es sei denn, die Menschen haben viele dezentrale Energieproduktionen auf dem Dach wie vertikale Windenergieanlagen und eben die weit verbreiteten Solarmodule.
Um die Potenziale des Solarstroms nutzen zu können, sind laut Studie von Roland Berger/Prognos insgesamt neun Ziele entscheidend:
1. Die Systempreise müssen um mehr als 50 Prozent bis 2020 gesenkt werden. So könnten bereits 2017 erste Anlagen im Haushaltssegment ohne Förderung auskommen.
Dieser Umstand wird aktuell begleitet durch einen enorm rasanten Aufstieg der asiatischen Hersteller sowie durch den Erfolg des Primus in Sachen Fertigungsgkosten FirstSolar. Erste deutsche Player wie aktuell Conergy straucheln bei dem Tempo, dass die Marktkonsolidierung vorlegt. Es wird hier zu Verlagerungen der Arbeitsplätze ins Ausland kommen. Ob und wie sich dieser Preiskampf auf die Volkswirtschaft insgesamt auswirkt, bleibt die Studie schuldig. Denn allein die Modulpreise zu betrachten ist aus Verbrauchersicht nett, aber ein sehr begrenzter Fokus, wenn Zehntausende Arbeitsplätze dabei verloren gingen.
2. Bis 2020 werden 52 bis 70 Gigawatt installierte PV-Leistung erreicht - und damit mindestens das Ausbauszenario des Nationalen Aktionsplans für Erneuerbare Energien (NAP) der Bundesregierung realisiert.
Diese Zahlen prognostizieren einen jährlichen Zubau von 5 bis 7 Gigawatt. Fraglich bleibt, ob die aktuellen Hinweise diese Prognose decken. Denn der Rückgang der Förderung ist schneller als die Preissenkungen. Laut EPIA würde die weltweit installierte Leistung von 23 Gigawatt zum Jahresbeginn 2010 auf 180 Gigawatt im Jahr 2015 steigen. Im Jahr 2030 wären dann laut dem PV-Herstellerverband weltweit gigantische 1800 Gigawatt möglich. Zugleich erwarten die Autoren der EPIA/Greenpeace-Studie bis 2015 einen Rückgang der Kosten der Solaranlagen um vierzig Prozent, also 10% jährlich - gegenüber 13% Rückgang der Förderungen.
3. Die Umlage für Solarstrom kann auf rund 2 Cent je Kilowattstunde begrenzt werden - oder umgerechnet pro Person in einem Durchschnittshaushalt auf weniger als 2 Euro pro Monat. Die Umlage wird zwar durch einen erwarteten Zubau von 8 bzw. 6 Gigawatt bei Solaranlagen in den Jahren 2010 bzw. 2011 getrieben, ab 2012 ist aber ein Einschwingen auf einen Zubau von etwa 3 bis 5 Gigawatt pro Jahr zu erwarten.
An genau dieser Stelle wird die Tragfähigkeit der Berger/Prognos-Argumentation offenbar: Ich prognostiziere einen jährlichen Zubau von 5 bis 7 Gigawatt. Dann stellen die Studienautoren fest, dass bei diesen Mengen die Umlage noch schneller steigt. Also beschränken sie den Zubau mental auf 3 bis 5 GW. Das allerdings läßt die Vorhersage von 52 bis 70 GW bis 2020 in weite Ferne rücken. Seltsam. Das erinnert schon ein wenig an Milchmädchenalgebra.
4. Mindestens 5 Prozent des Umsatzes der Branche werden in Forschung und Entwicklung investiert, damit die Technologieführerschaft auch in Zukunft besteht.
Diese Zahlen könnten untertrieben sein. Denn die Fertigungskosten sinken nur dann, wenn man - wie die Chinesen mittlerweile - die gesamte Wertschöpfungskette im Auge hat und/oder viele Innovation im Produktionsvorgang selbst zur Kostensenkungen realisieren kann. Fertigungslinien sind aber nicht in zwei Jahren amortisiert, sodass deren Umbau und Modernisierung in kurzen Investitionszyklen realsiert werden können. Es sei denn Roland Berger hat eine Idee an welcher Stelle man noch durch Forschung den niedrigen Kostenpotenzialen in Asien Paroli bieten könnte.
5. Der Weltmarktanteil aus deutscher Produktion wird bei mindestens 12 Prozent gesichert - bei einer stark wachsenden globalen PV-Nachfrage und einer Vervielfachung des deutschen Exports.
Auch diese Prognose steht und fällt mit Faktoren wie dem Schutz des geistigen Eigentums deutscher Hersteller sowie der Kostenentwicklung in ausländischen Fertigungsstätten (Wechselkurse, Arbeitskosten und Umweltgesetze). Denn der Boom in Amerika, Kanada und Asien ist nicht auf das deutsche Know-How angewiesen. Aktuell sind die Technologietreiber hinsichtlich Frequenz, GoToMarket und Produktionsinnovationen nicht gerade deutsche Hersteller.
6. In Deutschland werden Kapazitäten zur Modulproduktion von rund 8,5 Gigawatt aufgebaut.
7. Rund um die PV-Technologie sind in Deutschland mindestens 130.000 Menschen beschäftigt.
Die Frage ist, wie lange das noch so bleibz. (s.o.)
8. Bis 2020 schafft die PV-Technologie durch Investitionen in weitere Produktion und Innovationen entlang der gesamten Wertschöpfungskette einen Ausgleich der volkswirtschaftlichen Gesamtbilanz und bis 2030 einen positiven Beitrag von insgesamt mindestens 25 Mrd. Euro.
Würde man die versteckten Kosten der Energieproduktion in AKWs offen kalkulieren, müssten die AKWs binnen Jahresfrist auf das Runterfahren vorbereitet werden, damit man 2020 mit dem Rückbau beginnen könnte. Auch die Kosten für Kohlekraftwerke sind nur aus der Perspektive der niedrigen Kosten für den CO2-Emissionshandel vertretbar und weil die Kohle, anders als Uran und Erdöl, in 20 Jahren noch in relevanten Mengen vorhanden sein wird.
9. Photovoltaik wird zum wesentlichen Baustein für das Energiesystem der Zukunft. Die höhere Fluktuation, geringere Planbarkeit, Dezentralität und damit höhere Steuerungskomplexität der Solarstromerzeugung stellen hohe Anforderungen an die Netze. Diese Herausforderungen sind jedoch durch Innovationen lösbar. (jw)
Eine Kurzversion der Studie gibt es hier (4MB PDF)
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