Mit Unverständnis reagieren Branchen- und Umweltverbände sowie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) auf das wohl kaum überraschende Votum des Bundestages zur EEG-Novelle. Günther Cramer, Präsident des Bundesverbandes für Solarwirtschaft (BSW-Solar) spricht von eine „schwarzen Tag für die Energiewende“. Man habe sich trotz massiven Widerstands aus der Solarbranche, der Wissenschaft, der Umweltbewegung, den Gewerkschaften sowie gegen den klaren Willen der Bevölkerungsmehrheit für massive Einschnitte bei der Solarstromförderung entschieden. „Diese politische Fehlentscheidung gefährdet Deutschlands Spitzenstellung bei der Photovoltaik, die Existenz zahlreicher Solarunternehmen und vieler tausender Solarjobs“, so Cramer. Bei BSW-Solar prophezeit man, dass es nach einer „Endrallye“ vor dem Auslaufen der Übergangsfristen spätestens zum vierte Quartal dieses Jahres zu einem Einbruch der Photovoltaiknachfrage in Deutschland kommen wird.
Industriepolitisch hat Bundesregierung keine Antwort für die Zukunftsbranche
Auch beim DGB befürchtet man eine Insolvenzwelle in der Photovoltaikbranche und die Verlagerung der Produktion. „Die verabschiedeten Kürzungspläne verschärfen die ohnehin angespannte Situation der deutschen Solarhersteller noch zusätzlich. Es drohen massive Arbeitsplatzverluste vor allem in den ostdeutschen Industriekernen“, erklärt DGB-Vorstand Dietmar Hexel. „Industriepolitisch hat die Bundesregierung für diese Zukunftsbranche keine Antworten“, kritisiert er. „Um die Solarindustrie mit ihren Beschäftigten halten und entwickeln zu können, müssen endlich industriepolitische Maßnahmen verstärkt werden. Es geht um Unternehmensfinanzierung und verstärkte Forschungsförderung. Hier gilt es, zukunftsfähige Unternehmen zu unterstützen, die sich zu ‚guter Arbeit’ bekennen. Schließlich laufen wir Gefahr, die Technologieführerschaft nach den Mühen des Aufbaus leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Und die Politik schaut zu.“
Herausforderungen bei weiterem Ausbau technisch lösbar
Der BSW-Solar betont, dass zahlreiche Gutachten bestätigt haben, dass Herausforderungen für einen weiteren kräftigen Ausbau der Solarenergie technisch lösbar sind und die jetzige Entscheidung dem einzelnen Verbraucher kaum entlastet, wie es die Argumentation der Bundesregierung glauben machen will. Nach Ansicht des BSW-Solar „stehe dies in keinem Verhältnis zum nun befürchteten Schaden für die Energiewende und den Klimaschutz“. Denn durch den Preisverfall bei den Solarmodulen fallen die Anschubkosten immer geringer aus. Außerdem zahlen sich diese gesamtwirtschaftlich aus. Die Regierung kann so ihre Ziele zum Umstieg auf erneuerbare Energien gar nicht schaffen. Denn mit der Solarenergie bremst sie gerade die am schnellsten ausbaubare und verbrauchsnah verfügbare saubere Stromquelle aus. „Ursache für diese Blockadepolitik ist ein hinter den Kulissen geführter harter Verteilungskampf um zukünftige Marktanteile“, sagt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW-Solar. „Die großen Energiekonzerne fürchten die Solarenergie wie der Teufel das Weihwasser. Sie haben wenig Interesse daran, dass Bürger, Kommunen, Landwirtschaft und Mittelstand die Stromerzeugung zunehmend selbst in die Hand nehmen und vom Energieverbraucher zum Energieerzeuger werden.“
Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) kritisiert vor allem den Vermarktungszwang von Photovoltaikstrom aus kleineren Dachanlagen auf einem Strommarkt, der dafür überhaupt nicht konstruiert ist, so dass das Marktintegrationsmodell in der Praxis überhaupt nicht umsetzbar ist. „Das ‚Marktintegrationsmodell‘ wird somit zu einer versteckten Vergütungskürzung und geht komplett an den Notwendigkeiten eines zukunftsfähigen Energiemarktes vorbei“, heißt es in einer Stellungnahme des BEE. Da die Preise an der Strombörse sich nach den Grenzbetriebskosten (Rohstoffeinsatz und CO2-Zertifikate) richten, diese aber bei den meisten erneuerbaren Energien nahe Null liegen, „läuft der Ansatz einer ‚Marktintegration‘ beim aktuellen Marktdesign ins Leere“, kritisiert der BEE. „Nach der Einführung der Marktprämie, die nach den bisherigen Erfahrungen zu erheblichen Mehrkosten, aber keiner bedarfsgerechten Stromeinspeisung führt, wäre dies der zweite erfolglose Ansatz, die erneuerbaren Energien in den bestehenden Markt integrieren zu wollen“, sagt der BEE-Präsident Dietmar Schütz. „Dieser zwanghafte Versuch, die Erneuerbaren Energien in den nicht mehr funktionierenden Markt zu integrieren, ist zum Scheitern verurteilt.“ Schütz fordert, dass zunächst einmal der Strommarkt umgestaltet werden muss, bevor man einen Vermarktungszwang für Solarstrom einführt. Auch der Vertreter der CSU im Umweltausschuss des Bundestages Josef Göppel hält die Vermarktung unter den jetzigen Bedingungen auf dem Strommarkt für utopisch. Er begründet seine Ablehnung des Gesetzes mit „fehlenden Mechanismen zum Marktzugang für alle Anlagen, die zu groß oder nicht geeignet für den Eigenverbrauch und zu klein für einen Börsengang sind“.
Damit ist der Verband auf einer Linie mit dem energiepolitischen Sprecher der Fraktion der Grünen im Bundestag. Der fordert, zuallererst den Vermarktungszwang aus dem Gesetz zu streichen. Außerdem sollten die alten Vergütungsklassen wieder hergestellt, der viel zu niedrige und obendrein noch sinkende Ausbaukorridor deutlich angehoben und ein Speicherbonus eingeführt werden. Zusätzlich will er, dass auch Anlagen über zehn Megawatt wieder eine Einspeisevergütung erhalten. Die fallen nach dem jetzigen Regelungen vollständig aus der Förderung heraus.
Axt an die Energiewende gelegt
Als „energiepolitische Geisterfahrt von CDU/CSU und FDP“ bezeichnet der Vorsitzende des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND) Hubert Weiger die gestrige Entscheidung. „Die Regierungsfraktionen legen die Axt an die Energiewende und würgen die Photovoltaik ab“, so Weiger. „Bei uns in Deutschland, Europa und weltweit gehört die Solarstromerzeugung zu den Grundpfeilern der Energiewende. Die gefährliche Atomenergie und die klimaschädlichen fossilen Kraftwerke können nur durch einen Mix umweltfreundlicher Energien ersetzt werden. Wie dieser Mix ausgebaut wird, muss endlich das Thema sein“, bringt er es auf den Punkt. Auch dass mit der Solarstromförderung hauptsächlich die Eigenheimbesitzer auf Kosten der Verbraucher ihre Renditen einfahren hält Weiger für einen Mythos, „der auch durch ständige Wiederholung nicht wahrer wird“. Auch Josef Göppel, der für die CSU im Bundestag sitzt, ist das Argument, die Betreiber von Solaranlagen würden sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichern, zuwider. „Diese Haltung konserviert technologisch überlebte Strukturen“, sagt er. „Sie bremst die Verlagerung der Wertschöpfung auf breite Bevölkerungsschichten und nimmt unseren Bekenntnissen zur Energiewende die Glaubwürdigkeit.“ Immerhin existieren in Deutschland sehr viele Bürgersolaranlagen, durch die auch jeder Einzelne mit wenig Kapital an der Energiewende teilhaben kann.
Benachteiligung kleiner Anlagen
Immerhin hatte man die stille Hoffnung, dass sich mehr Abgeordnete der Regierungskoalition gegen die massiven Einschnitte bei der Solarstromförderung positionieren würden. Am Ende waren es aber gerade mal drei Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion, die dem Gesetz ihre Zustimmung verweigert haben: Veronika Bellmann und Helmut Heiderich (beide CDU) sowie Josef Göppel (CSU). Alle anderen Abgeordneten der Regierungsfraktionen haben dem Gesetz in der namentlichen Abstimmung zugestimmt. Diese hatte Ulrich Kelber (SPD) schon in der ersten Lesung des Gesetzes im Bundestag am 9. März angekündigt, „damit jeder in den Wahlkreise weiß, wo sein Abgeordneter oder seine Abgeordnete in dieser wichtigen Frage steht“.
Veronika Bellmann, in deren Wahlkreis in Mittelsachsen das Freiberger Werk von Solarworld mit 1.500 Angestellten befindet, begründet ihre Ablehnung mit dem fehlenden Schutz deutscher und europäischer Module gegenüber der Billigkonkurrenz aus Fernost. Für sie untragbar ist die Benachteiligung der kleinen Anlagen unter einem Megawatt. Das ist gerade das Anlagensegment, „auf deren Modulbauteilproduktion sich deutscher Hersteller spezialisiert habe“, so Bellmann in einer gesonderten Erklärung zur Abstimmung. Diese ungerechtfertigte Ungleichbehandlung „wirkt im Hinblick auf die Zielsetzung der Energiewende oder einer dezentralen Stromeigenproduktion absolut kontraproduktiv.“
Keine Antwort auf Systemfehler
Für den Umweltpolitiker der CSU Josef Göppel gibt der „Gesetzentwurf gibt keine Antwort auf einen Systemfehler der Strompreisfindung. Große Mengen erneuerbaren Stroms senken den Großhandelspreis an der Börse. Darauf haben die mit der steigenden EEG-Umlage belasteten Kleinverbraucher jedoch keinen Zugriff. Großverbraucher hingegen werden auch noch von der Umlage befreit, auf die ihr eigener Preisvorteil zurückzuführen ist“, erklärt er. Außerdem fehlt im ein Speicheranreiz, der die Regelung zum Eigenverbrauch mit der Anschaffung netzgesteuerter Speichereinheiten koppelt. „Gerade die mangelnde Speicherfähigkeit erneuerbaren Stroms wird von Kritikern der Energiewende ständig beklagt“, so Göppel. „Gleichzeitig wurden jedoch wirksame Schritte zur Lösung dieses Problems verhindert.“
„Wir alle profitieren von der Solarförderung“, bringt es der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger auf den Punkt. „Die Bundesregierung wird das Ziel, im Jahr 2020 ein Zehntel des Stroms mit Solaranlagen zu erzeugen, niemals erreichen, wenn sie die Photovoltaik abwürgt. Wir fordern den Bundesrat auf, diese falsche Weichenstellung zu verhindern.“ Ob der das aber vermag, ist mehr als fraglich. Im Raum steht schon mal das Problem, dass Bayern signalisiert hat, aus der Koalition der Gegner der EEG-Novelle auszusteigen. Doch die fehlenden sechs Stimmen Bayerns im Bundesrat könnten tatsächlich die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit verhindern. Immerhin kolportiert man, der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sei an den Regelungen, wie sie vom Bundestags verabschiedet wurden, maßgeblich beteiligt gewesen. Auch der Umweltminister des Freistaates Marcel Huber (CSU) ist mit der Novelle in ihrer jetzigen Form mehr als zufrieden. „Dank des bayerischen Engagements ist die EEG-Novelle nun insgesamt auf dem richtigen Weg“, so Huber. „Ich bin zuversichtlich, dass einerseits die Strompreise nicht unnötig belastet und andererseits die Ausbauziele für erneuerbare Energien in Bayern durch die Kürzungen nicht gefährdet werden.“ Die Bayern hatten von Anfang an klare Ziele: „Vertrauensschutz für Investoren umfänglich gewährleisten, Freiflächenanlagen nicht benachteiligen und die Beteiligung der Länder an der EEG-Gesetzgebung auch zukünftig sicherstellen", betont der Umweltminister. Mit den Übergangsfristen und dem Streichen der Verordnungsermächtigungen sind schon mal zwei dieser Ziele erreicht. „Zusätzlich konnte eine versteckte Absenkung der Vergütung von Freiflächenanlagen in Höhe von weiteren zehn Prozentpunkten verhindert werden: Das Marktintegrationsmodell wird auf Dachanlagen bis zu einer Leistung von einem Megawatt begrenzt. Für größere Dachanlagen und Freiflächenanlagen gilt es nicht“, frohlockt das Umweltministerium des Freistaates. Für die sächsische CDU-Abgeordnete Veronika Bellmann kommt dieser verstellte Blick gerade mal bis zum Tellerrand nicht unerwartet. „Es ist bekannt, dass sich Anlagen in der Größenordnung von einem bis zehn Megawatt vornehmlich in Bayern und Baden-Württemberg befinden beziehungsweise dort geplant sind“, erklärt sie. „Im Übrigen hoffe ich, dass insbesondere die ostdeutschen Bundesländer unter Führung von Sachsen und Sachsen-Anhalt im Vermittlungsausschuss durch die bereits vorgelegte Bundesratsinitiative Verhandlungsfortschritte erzielen, damit ich bei erneuter Beschlussfassung zustimmen kann.“
Knüppel zwischen die Beine
Die Anrufung des Vermittlungsausschusses wäre auch mit einfacher Mehrheit im Bundestat möglich, sollte Bayern dem Gesetz zustimmen. Doch ob man die zustande bringt, ist nicht sicher. Denn die Abstimmung ist für den 11. Mai geplant, gerade mal zwei Tage vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. An diesem Punkt müssen sich die CDU-Ministerpräsidenten entscheiden, was ihnen näher ist: das Wohl der eigenen Partei oder die Interessen der Solarbranche im jeweiligen Bundesland. Denn selbst die Anrufung des Vermittlungsausschusses würde als Niederlage für den in NRW wahlkämpfenden Norbert Röttgen (CDU) ausgelegt, der ja immerhin diese EEG-Novelle mit auf den Weg gebracht hat. Da bleibt es fraglich, ob die CDU-Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen und dem Saarland ihrem Parteifreund Röttgen gerade in der heißen Phase des Wahlkampfes Knüppel zwischen die Beine werfen werden. (Sven Ullrich)