Eigentlich sind Halbleiter eine Domäne der Physiker. Wenn es um Solarzellen geht, ist meist von Silizium die Rede, von eingeschleusten Atomen (Donatoren) wie Bor oder Phosphor, oder von der Dicke der Waferscheiben. Doch zunehmend übernehmen die Chemiker das Geschäft, schrauben den Wirkungsgrad der Solarzellen nach oben. Ein Beispiel ist die so genannte Metallisierung: Die Solarzellen werden mit einer leitfähigen Paste bedruckt. Dadurch wird die Oberfläche des Siliziums kontaktiert, die metallisierte Beschichtung sammelt den Solarstrom ein und macht ihn nutzbar. „Wir haben eine Erfindung ausgezeichnet, die den Wirkungsgrad von kristallinen Solarzellen um 0,4 Prozent steigert“, hieß es in einer Pressemitteilung aus dem Frühsommer dieses Jahres. „Die neue Metallisierungspaste Solamet PV16x steigert die Effizienz und damit die Ausbeute an Solarstrom. Der Hersteller der Paste hat sich durch die ständige Weiterentwicklung des Verfahrens als innovativer Zulieferer profiliert.“
Das Statement kam direkt aus dem Buckingham Palast, denn der Chemiekonzern DuPont hatte soeben den begehrten Queen’s Award 2010 eingeheimst. In der Industrie gilt der Preis als Trendsetter, als Zeiger, wohin der technologische Fortschritt geht. DuPont machte das Rennen, einer der weltgrößten Produzenten von Metallisierungspasten und Kunststofffolien für die Solarindustrie. Die traditionellen Hersteller von Solarzellen, Modulen oder Wechselrichtern hingegen gingen leer aus.
Die Stunde der Zulieferer
Die Metallisierung der Siliziumzellen ist ein kritischer Prozess, der sich entscheidend auf den Wirkungsgrad der Solarzellen auswirkt. In der Regel wird die dem Sonnenlicht zugewandte Oberfläche der Zelle als negativ leitender Kontakt metallisiert, mit einer silberhaltigen Paste. Die Rückseite metallisiert man positiv, durch Pasten mit Aluminium und Silber. Das elektrische Potenzial zwischen der Frontseite und dem Rücken der Zelle ergibt die Zellspannung, über die Metallisierung wirken die beiden Seiten wie Elektroden. Je feiner das aufgedruckte Geflecht der Strombahnen ist, desto besser lässt sich der Strom ableiten. Auch Dünnschichtzellen muss man metallisieren, um den Strom aus den hunderten Einzelzellen eines Moduls zu ziehen. Für Silizium-Dünnschicht und CIS/CIGS verwendet man silberhaltige Pasten, für den Rückkontakt von Cadmiumtellurid eine Paste aus Grafit.
Die neue Solamet PV16x von DuPont, seit Juni auf dem Markt, zeichnet sich durch sehr geringen Kontaktwiderstand an der Frontseite der Solarzellen aus. Dadurch erzeugt der Stromfluss nur geringe Verlustwärme, wird also optimal zur Kontaktierung geleitet. Die Pasten lassen sich für verschiedene Verfahren und Maschinen zum Bedrucken der Zellen einsetzen, auch für sehr feine Strukturen mit weniger als 80 Mikrometer Linienbreite. „Wir sehen derzeit eine extrem hohe Nachfrage bei unseren Kunden“, sagt David B. Miller, Chef der Elektroniksparte von DuPont, und nimmt Geld in die Hand: Die Fabriken für die Solamet-Paste in Puerto Rico, China und Taiwan werden bis 2011 deutlich vergrößert.
Dass die Queen ihren begehrten Preis ausgerechnet einem Zulieferer aus der Chemiebranche verleiht, ist ein starkes Signal. Der Ausbau der Produktionskapazitäten in der Solarindustrie erzeugt einen Sog, in den auch die klassischen Industriezweige geraten. DuPont hat 1802 in Wilmington mit Schießpulver angefangen, im 20. Jahrhundert kam die Petrolchemie hinzu. Seit 1995 wandelt sich der Konzern zunehmend, mit Produkten aus der Umweltchemie und den erneuerbaren Energien. Kunststoffe wie Tedlar, Teflon oder Elvax wurden vor 50 Jahren in der Raumfahrt oder anderen Spezialgebieten eingesetzt.
Ausbau in Bristol
Mit Metallisierungspasten für die Chipindustrie und die Hersteller von Solarzellen ist DuPont schon seit zwei Jahrzehnten am Start. Die Produktion findet in Bristol statt, wo allein 800 Quadratmeter Reinräume zur Verfügung stehen, um die Mixturen zu kreieren. Im Frühjahr 2009 baute DuPont das Werk in Bristol aus, die Kapazität für die Pasten wurde verdoppelt. Sie sind für den europäischen Markt gedacht. Eine weitere Fabrik befindet sich in Dongguan in China, auch dort wurde die Produktion verdoppelt. Bis Ende 2009 hatte der Konzern weltweit rund 550 Millionen US-Dollar aus Pasten und Kunststoffen für die Photovoltaik bilanziert.
Mitte 2010 verkündete Miller: „Der Umsatz des Konzerns in der Photovoltaik wird sich in diesem Jahr voraussichtlich um 50 Prozent erhöhen.“ 2011 will die Firmengruppe erstmals mehr als eine Milliarde US-Dollar als Zulieferer für die Solarindustrie umsetzen. Für 2014 peilt der Gigant zwei Milliarden Dollar an. Der Gesamtumsatz erreichte 2009 insgesamt 26,1 Milliarden US-Dollar, über alle Sparten hinweg: Automobiltechnik, technische Kunststoffe und Elastomere, Flugzeugbau und Raumfahrt, Saatgut und Dünger, Baumaterialien, Textilien und Elektronik.
Weltweit sind 58.000 Mitarbeiter bei DuPont beschäftigt, ungefähr so viel wie in der ganzen deutschen Photovoltaikbranche – Installateure und Händler eingerechnet. Der Forschungsetat des Konzerns belief sich 2009 auf 1,3 Milliarden US-Dollar. Damit ist DuPont innerhalb der chemischen Industrie keine Ausnahme. Unternehmen wie Hoechst, 3M, Dow und Henkel sind ebenfalls mit ihren Produkten in der Solarindustrie unterwegs: Folien, Pasten, Kunststoffe, Kleber, Säuren oder Prozessgase.
Langsam erkennt die chemische Industrie, welche Chancen in der Photovoltaik schlummern. „Wir wollen unseren Kunden einen One-Stop-Shop mit einer breiten Palette an Produkten anbieten“, sagt Gonzalo Alonso, der bei DuPont das PV-Geschäft in Europa, dem Mittleren Osten und Afrika (EMEA) verantwortet. Die Kunden sind Zellhersteller oder die Produzenten von Solarmodulen, die beispielsweise EVA, PVB, Teflon oder Tedlar als Harze und Folien für die Laminierung verwenden.
Neues Labor in Meyrin
Mit Rynite bietet DuPont seit kurzem einen Kunststoff an, der als Träger für gebäudeintegrierte Photovoltaikpaneele dient, inklusive Ableitung des Regenwassers. Die Module werden mit Silikonkleber befestigt, der gleichzeitig die Versiegelung übernimmt. Das Produkt wird demnächst auf dem französischen und italienischen Markt eingeführt.
Seit dem Spätsommer 2010 backt DuPont große Brötchen: Die Photovoltaik wurde innerhalb des Unternehmens in einem eigenen Geschäftsbereich angesiedelt. „Früher gehörte sie zur Elektronik oder zur Polymerchemie, je nach Produkt“, berichtet Horst-Ulrich Reimer, verantwortlich für die Pressearbeit von DuPont Photovoltaik in Europa. „Das machte die Kommunikation untereinander und gegenüber den Kunden schwierig. Der neue Geschäftsbereich Photovoltaik gehört operativ zur Elektroniksparte unseres Unternehmens.“
Ende 2009 eröffnete DuPont in Meyrin bei Genf ein neues Applikationszentrum für Photovoltaik, um seine Produkte für die Solarindustrie maßzuschneidern. In Meyrin, einen Steinwurf von der französischen Grenze entfernt, stehen 27.000 Quadratmeter Laborfläche zur Verfügung, rund 60 Wissenschaftler arbeiten an neuen Ideen. Rund 50 Millionen US-Dollar wurden investiert, davon ein erheblicher Teil in die Speziallabors für die Photovoltaik. „Wir bauen das Team schrittweise auf“, sagt Lucie Garreau-Iles, in deren Händen die Fäden der PV-Forschung zusammenlaufen. „Derzeit forschen wir beispielsweise daran, das Frontglas durch Teflonfolie zu ersetzen. Teflon ist sehr beständig und seine Durchlässigkeit für Licht liegt um vier Prozent höher als bei Glas. Der Wirkungsgrad dieser Module ist um vier bis fünf Prozent höher als mit Frontglas.“ Im Unterschied zu Glas kann man den elektrischen Widerstand der Folien gezielt beeinflussen. Je höher er ist, desto besser ist die Stromausbeute aus Licht im blauen Bereich. „Das erhöht jedoch die Anforderungen an die Metallisierung“, sagt Gareau-Iles. So schließt sich der Kreis. In Meyrin werden auch bleifreie Lötpasten entwickelt und erprobt.
Für die Tests hat DuPont eigene Klimakammern angeschafft. Im Labor stehen verschiedene Laminatoren, ein Klebetisch und eine Maschine zur Verlötung von Zellstrings. Spezielle Analysegeräte und Spektrometer erlauben es, die Oberfläche der Solarzellen mit hoher Auflösung zu detektieren. Ein großer Solarsimulator, Infrarotkameras und Geräte für Alterungstests unter UV-Strahlung runden den Gerätepark ab. Damit ist Meyrin das jüngste von acht Forschungszentren, die DuPont auf dem Globus unterhält: am Hauptsitz in Wilmington im US-Bundesstaat Delaware, in Bristol, in Shanghai, in Hongkong, im japanischen Kanagawa und im taiwanesischen Taoyuan. In Mechelen in Belgien befindet sich ein weiteres europäisches Forschungszentrum. Noch in diesem Jahr wird ein neues Labor im indischen Hyderabad eröffnet, das Labor in Wilmington wird für die PV erweitert. Wie tiefgreifend der Wandel der Industriegesellschaft sein wird, lässt sich an diesem Beispiel ablesen: Ab 2011 will DuPont in seinem Werk in Ohio die erste Tedlarfolie aus biologischen Materialien herstellen. Auch in der chemischen Industrie kündigt sich der Abschied vom Erdöl an. Derzeit befindet sich die Fabrik im Aufbau, sie wird die Kapazitäten für Tedlar ab Sommer 2011 auf einen Schlag verdoppeln. In Fayetteville in North Carolina lief Ende August eine neue Fabrik für Harze aus Polyvinylfluorid an, die man zur Herstellung von Tedlarfolien benötigt. Zusammen genommen belaufen sich diese Investitionen auf rund 295 Millionen US-Dollar.
Einstieg ins Modulgeschäft?
Nach Angaben von EMEA-Vertriebschef Alonso plant DuPont auch, seine Aktivitäten als Modulhersteller deutlich auszubauen. Derzeit fertigt die Unternehmenstochter DuPont Apollo im chinesischen Shenzhen Dünnschichtmodule aus amorphem Silizium. Auf 50.000 Quadratmetern arbeiten dort seit diesem Jahr rund 300 Mitarbeiter. Die jährliche Kapazität der Fabrik erreicht 50 Megawatt. Die Forschungsabteilung sitzt in Hongkong, 120 Wissenschaftler und Ingenieure stark. Die Module messen 1,4 mal 1,1 Meter und wiegen 20 Kilogramm. Ihre Leistung variiert von 90 bis 102 Watt, die Module sind in verschiedenen Stärken und Gewichten (Serien A und B) lieferbar. Die C-Serie bietet mikromorphen Schichtaufbau mit Leistungen zwischen 127 und 133 Watt. „Von China aus wollen wir unser Modulgeschäft entwickeln“, sagt Gonzalo Alonso. „Denn über unseren Geschäftsbereich für Saatgut und Dünger haben wir beispielsweise exzellente Vertriebswege in die Landwirtschaft. Aber der Schwerpunkt unserer Aktivitäten wird weiterhin auf Materialien für die Solarindustrie liegen.“ Der erste Erfolg des jungen Modulherstellers ließ nicht lange auf sich warten: Mit den Paneelen von Apollo wird ein großes Fabrikdach in Hongkong belegt. Rund 5500 Module werden etwa 550 Kilowatt Solarstrom vom Dach eines Kraftwerkes liefern. Auch das Software Building in Shenzhen und das Dach des US-amerikanischen Pavillons auf der Weltausstellung in Shanghai tragen DuPont-Paneele.
Während in Deutschland das Geschäft mit amorphen Siliziummodulen am Boden zu liegen scheint, wittern die Chemiker darin offenbar eine Chance. Im Sommer 2010 gingen DuPont und Oerlikon Solar eine Allianz ein, um die Laminierungsfolie PV 5223 zu entwickeln und zu testen. Diese weiße PVB-Folie wirkte als Rückseitenreflektor und wirft ungenutztes Sonnenlicht in die Schichen aus amorphem und mikrokristallinem Silizium zurück. „Dadurch erhöht sich der Wirkungsgrad der Module um 2,5 Prozent“, sagt Lucie Garreau-Iles aus Meyrin. Künftig braucht man keine spezielle Reflektorschicht mehr aufzutragen, die Fertigung der Module vereinfacht sich. Die Spiegelwirkung der Folie liegt um 50 Prozent höher als herkömmliche Verspiegelungen durch spezielle Lacke. Rund 94 Prozent des Lichts werden in den Halbleiter reflektiert. Das neue Sheet ist nur 0,45 Millimeter stark, im Vergleich zu 0,76 Millimetern der bislang gebräuchlichen Folien.
HEIKO SCHWARZBURGER