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Offshore

Energie aus regelmäßig viel Wind

Seit den Anfängen von Offshore-Windenergie haben sich sowohl die Anlagen als auch die Marktbedingungen deutlich geändert. Nach einer Zeit hoher Einspeisevergütungen wird der Markt in Europa inzwischen mehrheitlich durch Auktionen bestimmt. Der hiermit einhergehende Wettbewerb zwischen den Projektentwicklern und der gesamten Lieferkette hat zu einer deutlichen technologischen Weiterentwicklung und signifikant gesunkenen Stromgestehungskosten (Levelized Costs of Energy/LCoE) geführt.

An dieser Entwicklung sollten Deutschland und Europa unbedingt weiterhin partizipieren, denn dass dieser technologische Fortschritt in wenigen Jahren erreicht werden konnte, ist das Ergebnis der Förderung erneuerbarer Energien. Um das Potenzial von Offshore-Anlagen voll auszuschöpfen, sollte der Fokus in Deutschland nun auf der Beseitigung der schon frühzeitig erkannten Hindernisse etwa im Stromnetz liegen.

Deutschland ist im Bereich Offshore-­Windenergie Pionier: Bereits 2010 wurde der erste Park ans Netz angeschlossen, inzwischen sind es über 1.000 Anlagen, die vor der deutschen Küste Strom erzeugen. Diese Art der Energieerzeugung bietet verschiedene generelle Vorteile. Die Volatilität etwa ist deutlich geringer als bei Onshore-Windenergieanlagen oder Photo­voltaik und ermöglicht somit eine zuverlässige Stromerzeugung auf dem Kapazitätsniveau von konventionellen Kraftwerken. Zudem hat sich – trotz der grundsätzlich positiven Wahrnehmung erneuerbarer Energien in der Bevölkerung – gezeigt, dass der verstärkte Zubau an Land inzwischen in Teilen kritisch gesehen wird und laut aktuellen Einschätzungen für die ausgeschriebenen Volumina nicht genügend geeignete Standorte verfügbar sind.

Primärer Vorteil und Argument für den weiteren Ausbau von Offshore-Anlagen ist jedoch ökonomisch, dass die Stromgestehungskosten seit dem Netzanschluss der ersten Anlage auf etwa ein Drittel des ursprünglichen Werts gesunken sind. Diese Entwicklung resultiert unter anderem aus der deutlichen Leistungssteigerung der Anlagen und wird politisch über verschiedene Projekte gefördert. Die Erkenntnis, dass Windenergieanlagen größter Kapazität „die Wahl“ bei den relativ hohen Infrastrukturkosten auf See sind, hat Senvion schon vor über zehn Jahren – damals noch unter alter Firmierung REpower – zur Entwicklung der Fünf-Megawatt-­Klasse veranlasst. Dieses Prinzip wird weiterhin verfolgt: So hat Senvion etwa mit einer Vielzahl von Partnern entlang der gesamten Wertschöpfungskette eine Ausschreibung der EU-Kampagne Horizon 2020 gewonnen, die die Entwicklung einer Turbine der Klasse 10-MW+ vorsieht – einer Windenergieanlage mit zehn oder mehr Megawatt Nennleistung (MW). Schon der Name dieses Forschungsprojekts, ReaLCoE, stellt die Levelized Costs of Energy – also die Stromgestehungskosten – in den Fokus und basiert auf einer signifikanten Weiterentwicklung bestehender Offshore-Turbinen.

10-MW-Anlage: Ziel 35 Euro pro MWh

Ziel der Partner ist es, die LCoE auf 35 Euro pro Megawattstunde (MWh) zu reduzieren. Bei der Auktion im April 2017 gewannen erstmals Windparks, die laut Stiftung Offshore Windenergie ohne jegliche Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) auskommen und sich ausschließlich über Marktpreise finanzieren. Diese sollen bis 2025 in Betrieb gehen, was bedeutet, dass Offshore-Windenergie innerhalb der nächsten sechs bis sieben Jahre eine komplette Wettbewerbsfähigkeit gegenüber konventionellen Energieerzeugern erreichen wird.

Links die Offshore-Stromproduktion, rechts Onshore. - © Grafik: Fraunhofer ISE (energie-charts.de), Grafik 2: ERNEUERBARE ENERGIEN Quelle: energy-charts.de
Links die Offshore-Stromproduktion, rechts Onshore.

Insbesondere vor diesem Hintergrund ist eine Anhebung der Ausbaugrenzen im Offshore-­Segment energiewirtschaftlich sinnvoll, um nach der anfänglich notwendigen Förderung nun vom Erfolg der Technologie zu profitieren. Ein zentraler Grund für die mit dem EEG 2017 eingeführten jährlichen Obergrenzen der Ausschreibungsvolumen und damit des Offshore-Windpark-Ausbaus ist die Struktur der Stromnetze in Deutschland, die zum einen stark veraltet und zum anderen primär auf wenige große Stromerzeuger nahe an den Verbrauchszentren in West- und Süddeutschland ausgelegt ist. Die Energiewende erfordert dagegen eine deutlich höhere Flexibilität der Netze. Strom wird inzwischen dezentraler erzeugt und durch industrielle Konsumenten antizyklisch dann genutzt, wenn die Preise gerade niedrig sind.

Die notwendige Modernisierung und der Netz­ausbau haben mit Großprojekten wie Südlink oder Nordlink zwar begonnen. Diese Anstrengungen sollten jedoch deutlich intensiviert und mit mehr Ambition verfolgt werden, um eine zeitweise Abschaltung von Erneuerbare-Energien-Anlagen zu verhindern. Wie die Monitoring-Kommission der Bundesregierung in ihrer Ende Juni 2018 veröffentlichten Stellungnahme verdeutlicht, wird Deutschland die für 2020 gesetzten Klimaschutz-Ziele deutlich verfehlen. Sie weist auch darauf hin, dass der Netzausbau in den vergangenen Jahren zunehmend von den gesetzten Zielen abweicht. Der Netzausbau wiederum ist nicht ausschließlich für das Erreichen der Pariser Klimaziele entscheidend, sondern auch, um die Versorgungssicherheit zu garantieren.

Stetige Offshore-Einspeisung spart Kosten

Auch angesichts der zusätzlich benötigten Netzkapazitäten ist mehr Fokussierung auf Offshore-­Windenergie sinnvoll: Die geringere Volatilität der Anlagen reduziert den kostenintensiven Flexibilitätsbedarf der Netze in Form von Kraftwerks- oder Speicherkapazitäten. Rein ökonomisch zieht etwa das Fraunhofer Institut den Schluss, dass die Energiewende durch einen hohen Beitrag von Offshore-Windkraft zum gesamten Energiemix viel kostengünstiger umzusetzen ist als ohne sie. Ein weiterer Schritt kann die europäische Vernetzung in der Nordsee sein, wie sie etwa durch Netzbetreiber Tennet vorangetrieben wird.

Inzwischen ist Offshore-Windenergie nicht mehr nur in Europa eine ernstzunehmende Option. Auch wenn sich die europäische Erfolgsgeschichte kurzfristig nicht überall wiederholen wird, exportieren europäische Unternehmen wie Senvion und auch große Energieversorger ihre Kompetenz bereits in neue Regionen wie Taiwan, Indien oder USA.
Autor: Cornelius Drücker, Vice President Offshore, Senvion
Dieser Fachaufsatz ist in unserem Print-Magazin 5/2018 erschienen. Falls Sie das Heft noch nicht vorliegen und nicht abonniert haben, können Sie ein Einzelexemplar  hier   nachbestellen. Neue und mehr spannende Artikel erhalten Sie, wenn Sie jetzt ein  kostenloses Probeheft  online bestellen.