Lithium-Ionen-Batterien sind derzeit die Lösung, um volatil erzeugten Solar- und Windstrom zwischenzuspeichern, um ihn in den Zeiten ins Netz einzuspeisen, wenn zu wenig davon produziert wird. Zudem sind sie einer der Schlüssel zur Energiewende im Verkehrssektor. Doch die Frage, was man mit ausgelaugten Batterien aus Elektroautos macht, ist bisher nur unzureichend geklärt. Ein echtes Recyclingverfahren existiert noch nicht.
Die Speicher der Elektroautos werden zudem schon ausgetauscht, wenn sie nicht mehr die Leistung und die Kapazität bringen, die für die Mobilität notwendig ist. Doch dann können sie immer noch genügend Strom speichern, um Netze zu stabilisieren oder die Ökostromerzeugung auf den Verbrauch abzustimmen. Zumindest steckt diese Idee hinter dem sogenannten Second-Life-Batteriekonzept. Hier werden gebrauchte Autoakkus in stationäre Speicher eingesetzt, um deren Restkapazität dort noch zu nutzen und damit das Leben der Batterien zu verlängern.
Spezielle Anforderungen abdecken
Diesen Ansatz hat Belectric genutzt und drei Großspeicher auf der Basis von neuen und gebrauchten Fahrzeugbatterien verschiedener Hersteller errichtet. „Batteriemodule aus der Automobilindustrie bieten eine ganze Reihe von Vorteilen, durch die sie sehr gut für Anwendungen geeignet sind, bei denen hohe C-Raten, ein großer Temperaturbereich oder spezielle Sicherheitsanforderungen zu beachten sind“, erklärt Tim Müller, Technologiechef bei Belectric. „Wir entwerfen unsere Batteriespeichersysteme immer speziell für die Anwendungen und Nutzungsanforderungen, die der Kunde im Sinn hat und setzen dabei auch wettbewerbsfähige Technologien aus unseren Photovoltaikanlagen ein“, ergänzt Amit Oza, Vertriebschef von Belectric.
Die C-Rate ist dabei eine Angabe, mit welcher Stromstärke die Batterie be- und entladen werden kann, bezogen auf die maximale Kapazität des Speichers. Je höher die C-Rate ist, desto schneller kann die Batterie den kompletten gespeicherten Strom zur Verfügung stellen. Sie ist dann auch schneller geladen. Das ist vor allem bei der Bereitstellung von Primärregelleistung notwendig, wo vor allem viel Strom innerhalb kürzester Zeit abgefragt wird, der Speicher aber auch schnell wieder voll ist. Hier eignen sich Fahrzeugbatterien besonders gut, da sie unter anderem auf hohe Leistungsabgabe getrimmt sind. Diese wird unter anderem gefordert, wenn das Fahrzeug beschleunigt.
Regelleistung mit alten Autoakkus
Zwei der drei Anlagen stehen in Deutschland. Die erste auf dem Gelände eines großen Automobilherstellers. Belectric hat in dieses System die gleichen Batterien eingebaut, die auch die in diesem Werk hergestellten Elektro- und Hybridautos nutzen. Mit einer Leistung von 14 Megawatt unterstützt er das lokale Netz und stellt Primärregelenergie bereit. Ein weiteres Batteriesystem, das auf Fahrzeugbatterien basiert, steht ebenfalls in Deutschland. Es leistet insgesamt sieben Megawatt und unterstützt damit das bestehende Pumpspeicherkraftwerk Hengsteysee in Herdecke. Refinanziert wird dieser Großspeicher mit der Vermarktung von Primärregelenergie im europäischen Stromnetz. Die jüngste Anlage steht in Wales und leistet etwa 22 Megawatt. Sie wurde in eine bestehenden Windpark eingebunden und stellt Netzdienstleistungen für das National Grid zur Verfügung. Dazu hat Belectric einen entsprechenden Vertrag über vier Jahre mit dem Netzbetreiber abgeschlossen. Insgesamt hat Belectric bisher Batteriespeicherprojekte auf Basis verschiedener Technologien mit einer Gesamtleistung von etwa 100 Megawatt realisiert und erbringt Betriebs- und Wartungsleistungen für diese Anlagen.
Autoakkus mit 29 Gigawattstunden Volumen weiternutzen
Auch der finnische Kraftwerksbauer Wärtsilä will in Zukunft mit Second-Life-Batterien aus der Automobilindustrie Speichersysteme herstellen, um den wachsenden Bedarf der Stromversorger an Speichermöglichkeiten im Zuge der Energiewende abzudecken. Dazu hat das Unternehmen mit Hyundai einen Vertrag über die Lieferung von gebrauchten Autoakkus abgeschlossen.
Für den Automobilhersteller ist dieser Vertrag eine gute Lösung, um die gebrauchten Akkus weiter zu verwenden. „Energiespeicher sind der nächste logische Schritt bei der Nutzung von gebrauchten Batterien aus Elektroautos“, betont Youncho Chi, der bei Hyundai für die Geschäftsstrategie und die Technologie zuständig ist. „Durch die Weiterverwendung von ressourcenintensiven Produkten wie Batterien für Elektroautos vermeiden wir die Entsorgungskosten und verlängern den Wert unserer Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen.“ Gerade die Entsorgungskosten werden in den kommenden Jahren auf die Hersteller von Elektroautos zukommen. Allein Hyundai rechnet damit, dass im Jahr 2025 gebrauchte Batterien mit 29 Gigawattstunden Speichervolumen anfallen. Diese sind dann für die Nutzung in stationären Speichern verfügbar.
Nutzung gebrauchter Speicher nicht ganz unkritisch
Mit dem Liefervertrag mit Hyundai hat Wärtsilä vor allem den Kraftwerksmarkt im Blick. Hier sind gebrauchte Batterien durchaus eine denkbare Alternative zu neuen Akkus. Denn die Weiterverwendung von gebrauchten Speicherzellen ist nicht ganz unkritisch. „Mit unserer Erfahrung und unserer hauseigenen Technologie sind wir gut aufgestellt, um die wachsende Anzahl von Batterien, die in Automobilanwendungen am Ende ihrer Lebensdauer stehen, für den steigenden Speicherbedarf in der Energieversorgungsindustrie zu nutzen“, sagt Tim Müller von Belectric.
Doch bisher weiß noch niemand, wie lange die gebrauchten Batterien überhaupt noch sicher genutzt werden können. Entscheidend ist hier die Grenze der linearen Alterung einer Batterie. Wird sie weiter betrieben, kommt es zur nichtlinearen Alterung und die Batterie kann regelrecht gefährlich werden. Dann wird die Batterie beim Laden und Entladen so heiß, dass sich die Komponenten entzünden und die Batterie förmlich explodieren kann. Der Fachmann spricht vom thermal Runaway. Dazu kommt noch die Gefahr des internen Kurzschlusses, der durch das sogenannte Dendritenwachstum in der Zelle ausgelöst wird. Deshalb sind Second-Life-Batterien auch eher im Bereich der Großspeicher denkbar, wo zumindest die Gefahr für Leib und Leben überschaubarer ist als im Eigenheim. Vor der Nutzung im Heimspeicherbereich steht hier zumindest noch eine ganze Menge Forschungsbedarf, um ein Warnsystem vor dem thermal Runaway zu entwickeln. (Sven Ullrich)