Die sogenannte Länderöffnungsklausel, welche den Bundesländern die Möglichkeit der Einführung gesetzlicher Mindestabstände von Windenergieanlagen zu Wohnbebauung geben soll, ist möglicherweise rechtlich nicht haltbar. Die von der bayerischen Landesregierung initiierte Reform der Bundesregierung könnte aus juristischer Sicht sowohl gegen das Baugesetzbuch, als auch gegen die Hoheit und Eigenständigkeit von Ländern und Kommunen verstoßen, betont der Leipziger Erneuerbare-Energien-Anwalt Maslaton.
In einer Bundesratsinitiative hatte Bayern unterstützt von Sachsen auf die Öffnungsklausel für ländereigene gesetzliche Abstandsregeln gedrängt. Die in München regierende CSU-Administration, durch Parteifreunde auch in Deutschlands großer Koalition vertreten, zielt mit der Öffnungsklausel auf weitreichende Abstände im eigenen Bundesland. Demnach sollen künftige Projekte zehn Mal so weit von Siedlungen entfernt bleiben, wie ihre Anlagen bis zur oberen Blattspitze hoch sind. Angewandt auf die derzeit im Einsatz befindlichen Windenergieanlagen bedeutet dies zwei Kilometer Mindestabstand zur nächsten Wohnbebauung. Bleibt aufgrund der technischen Fortschritte in der Windkraftbranche noch zu erwähnen: es wird nicht bei zwei Kilometer bleiben. Kritiker fürchten aber, dass mit dieser Regelung der Ausbau fast vollständig zum Erliegen kommt.
Branchenrechtsexperte Maslaton hat mehrere Kritikpunkte zum Gesetzesentwurf der Länderöffnungsklausel zusammengefasst, die im Rahmen der Verbändeanhörung beim Gesetzgebungsverfahren diskutiert worden sind. Es fängt bereits damit an, dass es gemäß Maslaton grundsätzlich Zweifel gibt, ob dem Bund überhaupt die Gesetzgebungskompetenz zusteht. Im Entwurf stütze sich demnach das Länderöffnungsgesetz auf das Bodenrecht, das in der rechtlichen Hoheit des Bundes liegt.
Weiterhin stehe die geplante Länderöffnungsklausel im krassen Widerspruch zur bundesrechtlich weiterhin geltenden Privilegierung der Windenergie im Baugesetzbuch. Dort steht das Entscheidende unter Paragraf 35, der die Windkraft als eine privilegierte Flächennutzung definiert. Das Argument beruft sich auf das in der Branche vielfach zitierte Bundesverwaltungsgerichtsurteil wonach „der Privilegierungsentscheidung des Gesetzgebers“ Rechnung getragen werden müsse, um „für die Windenergienutzung in substanzieller Weise Raum“ zu schaffen. Zur Erinnerung: Das Gericht hatte in der Urteilsbegründung sogar explizit in fast politischem Tonfall gemahnt: „eine Gemeinde darf Darstellungen in einem Flächennutzungsplan, …nicht als Mittel benutzen, um unter dem Deckmantel der planerischen Steuerung von Windenergieanlagen diese in Wahrheit zu verhindern“.
Für den Branchenrechtsexperten verzeichnet sich freilich auch ein „Verstoß gegen die Einheit der Rechtsordnung“ ab. Auf der kommunalen Ebene gelte schließlich das Subsidiaritätsprinzip. Die geplante Länderöffnungsklausel sei daher ein zu großer Eingriff in die Gestaltungs- und Planungshoheit der Gemeinden. Die Gesetzesinitiative sieht auch eine umstrittene Stichtagsregelung vor, wonach das neue Gesetz für bereits vor dem 16.12.2013 aufgestellte Flächen- und Planungsnutzungspläne nicht gelten soll. Maslaton bezeichnet dies als „unzulässige Rückwirkung eines Gesetzes“.
Die Länderöffnungsklausel hat bereits jetzt einer Klage der Gemeinschaft Pro Windkraft provoziert. Der Initiator und ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Josef Fell sammelt bereits fleißig Geld und beabsichtigt gegen den von Bayern angekündigten Mindestabstand gerichtlich vorzugehen.
(Per Holderberg)