Die Schockwelle, der Imageschaden, der Skandal für VW kommen zur Internationalen Automesse IAA gerade recht. Dort haben wir die luxuriöse Glitzerwelt der großen, starken, modernen Automobile. Ganz oben auf der Beliebtheitsskala steht der SUV, das aufgepumpte Fahrzeug, das aus dem Geländewagen hervorgegangen ist – für den Großstadt-Dschungel. Inzwischen hat jeder Aussteller auf der IAA eine SUV-Variante seiner Modelle. Und diese Wagen, die doppelt so hoch und doppelt so breit sind wie ein durchschnittlicher Wagen aus den 90er Jahren, diese Fahrzeuge sind natürlich schwerer als herkömmliche Modelle. Entsprechend hoch ist der Verbrauch.
VW hat schon in den frühen 90er Jahren massenhaft Fahrzeuge gehabt, die nur fünf Liter verbrauchten. Man versuchte es dann ja auch mit Drei-Liter-Fahrzeugen (VW Lupo, Audi A2). Aber es gelang nicht, die Massen dafür zu begeistern. Die Luxuseditionen, die Limousinen, mit denen sich das beste Geld verdienen ließ, geisterten durch die Werbung und damit durch die Köpfe der Verbraucher. Nichts mit arm aber sexy! Das größte Sexappeal haben offenbar immer noch die fettesten Maschinen und die mächtigsten Karosserien.
IAA – das Elektroauto als Feigenblättchen
Entsprechend übrigens auch alle Jahre wieder auf der IAA – das Elektroauto als Feigenblättchen. Für die Reporter werden sie am ersten Tag in Position gebracht, gern mit grünem Rasen als schmückendes Beiwerk. An den Folgetagen werden sie dann nach hinten geschoben und die größten Verbrauchsschleudern werden nach vorne gezerrt. Die Verkaufsschlager eben.
Zur Erinnerung: Matthias Wissmann war 1993 bis 1998 für die CDU Verkehrsminister, seit 2007 ist er Präsident des Verbandes der deutschen Automobilindustrie – und in all den Jahren kämpfte Wissmann dafür, dass die Autohersteller ohne politische Vorgaben, ohne Regulierung durchkommt. Bettelbriefe an Angela Merkel gehören regelmäßig dazu. Freiwillige Schadstoffreduzierungen? Hat die Autoindustrie nie durchgezogen. Irgendwann kamen dann die europäischen Vorgaben für Abgaswerte – an denen die deutsche Autolobby bis zum Ende massiv gesägt hatte. Urplötzlich war klar, dass die deutschen Autobauer den Anschluss verloren hatten. Toyota war weiter mit dem Hybridantrieb, die Franzosen waren weiter mit Schadstoffbegrenzung und Russfiltern.
Strenge Vorgaben bei den Schadstoffen hätte eine Chance sein können. Aber dafür hätte auch ein Image transportiert werden müssen. Weg von den superfetten Fahrzeugen, hin zu den kleinen, schicken Mobilen. Millionen fließen in die Automobilwerbung, diese Aufgabe wäre eine Herausforderung für die Werbebranche gewesen. Das Phänomen nennt sich Downsizing. Das Gegenteil, das Upsizing, sehen wir überall: Beim Kühlschrank ebenso wie beim Automobil. Alles wird immer größer und verbraucht für die Größe und Leistung wenig - aber viel mehr als die Vorgängermodelle. Was unsere Umwelt, unser Klima aber dringend benötigt, sind kleinere Fahrzeuge. Selbst wenn an geringerem Verbrauch gearbeitet wird – derzeit wird der Erfolg von der wachsenden Größe verschluckt.
Das ist die eine Lehre, die aus dem VW-Skandal gezogen werden kann: Wir brauchen andere Autos und wir brauchen ein Umdenken bei den Verbrauchern. SUV ist nicht der richtige Weg, der uns zu den Klimazielen von 80 Prozent CO2-Reduktion bis 2050 bringt. Die andere Lehre aus dem Volkswagen-Debakel lautet: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Wenn Jochen Flasbarth sagt, er sehe „alle deutschen Automobilhersteller in der Pflicht, aufzuklären, ob auch die Abgaswerte anderer PKW-Modelle in dieser oder ähnlicher Weise manipuliert wurden oder werden.“, dann erscheint das ziemlich blauäugig. Denn von allein werden die das nicht tun.
Strengere Kontrollen
Immerhin: Im Mai 2015 wurde auf EU-Ebene das „real-driving emissions“-Prüfverfahren (RDE) beschlossen, bei dem im Rahmen der EU-Typgenehmigung neuer Fahrzeuge die Emissionen auch beim normalen Fahren auf der Straße mit mobiler Messtechnik gemessen werden. So wird erreicht, dass die Emissionen nicht nur im Labor, sondern auch in der Realität deutlich sinken. Unabhängige Kontrollinstanzen müssen nun für Aufklärung und für kontinuierliche Überwachung sorgen. Die Manipulation von Abgaswerten ist ja nichts Neues, sondern bekanntes Phänomen. Die Autobauer werden sich nicht selbst korrigieren. So wenig wie Doping-Sportler sich selbst anzeigen, wenn es nicht unbedingt nötig ist.
Wenn die Regierung hier keinen Riegel vorschiebt, dann deutet das zum einen auf eine allzu enge Vernetzung zwischen Autobauern und Politik hin. Zum anderen schadet die Politik der Industrie – dahingehend dass sie die dringend erforderliche Neuorientierung weiter verschläft. SUVs haben keine Zukunft. (Nicole Weinhold)