Steuern, Konzessionsabgaben, Vertriebskosten. Wenn Stadtwerke ihre Kunden nur als Händler zwischen Strombörse und Steckdose versorgen, bleibt oft wenig Marge übrig. Wer keine eigenen Kraftwerke besitzt, muss sich daher alternative Ertragsquellen suchen. Etwa über reale Produkte. Dieses Ziel verfolgt auch der Schweriner Kommunalversorger Wemag AG. Das Konzept: Als Anbieter eines Kombipakets von Photovoltaiksystem und Batteriespeicher will die Wemag AG die energetische Unabhängigkeit ihrer Kunden unterstützen.
300 E-Bikes lieferten Idee
Auf der Suche nach dem passenden Produkt durchforstete das Unternehmen 2012 die Speicherangebote diverser Hersteller. Und stieß auf ein zunächst unlösbares Problem: „Die Systeme waren so teuer, dass wir nicht wussten, ob sie sich überhaupt jemals amortisieren würden“, sagt Raymond See, Leiter technische Produktentwicklung der Wemag AG.
300 Elektrofahrräder lieferten im Juli 2012 die zündende Idee. Die Wemag hatte sie für ein Forschungsprojekt vom Schweizer Hersteller Biketec angefordert.
Auf die Frage, was mit den Alt-Akkus passieren würde, antwortete Biketec, man könne sie einfach zurück in die Schweiz schicken. Dort würden ohnehin schon Zehntausende ausgediente E-Bike-Akkus des Radherstellers lagern. „Diese Altlasten haben noch 80 Prozent Speicherkapazität. Der ideale Rohstoff für einen PV-Speicher“, sagt See. Innerhalb von sechs Wochen baute die Wemag einen Prototyp, der die Leistung von 16 E-Bike-Akkus bündelt und damit – bei neuwertigen Akkus – fünf Kilowatt leistet.
Das System funktionierte und wurde schließlich unter dem Namen Reevolt als modularer Speicher mit dem Technologieunternehmen Hydyne weiterentwickelt. Ab November soll der Verkauf des Reevolt starten. 6.000 Euro kostet der Schrank ohne Akkus. Die nötigen E-Bike-Speicher können Kunden bei der Wemag mieten. Das kostet 27,50 Euro im Monat. Dafür bekommen sie eine garantierte Speicherkapazität von mindestens 2,5 Kilowatt – unterschreitet der Akkuverbund diese Gesamtleistung, werden die Akkus kostenlos getauscht.
50 Prozent solarer Eigenverbrauch mit Speicher
„Mit einer optimierten Photovoltaikanlage kann man etwa ein Viertel des erzeugten Stroms selbst verbrauchen. Mit unserem Speicherkonzept steigt der Eigenverbrauchsanteil eines Haushalts leicht auf 50 Prozent“, sagt See. Das weiß er aus Erfahrung, denn eines der zehn Systeme aus der Nullserie hat der Wemag-Technologieleiter bei sich installiert – zusammen mit einer kleinen PV-Anlage. Die restlichen neun Geräte sind zu Testzwecken bei anderen Mitarbeitern installiert oder liegen zur Zertifizierung bei Cecert, einem Dienstleister auf dem Gebiet der Produktzulassung.
Die Wemag will den E-Bike-Speicher künftig als Ergänzung zu bestehenden PV-Anlagen anbieten oder im Komplettpaket mit einer Solaranlage, die zwischen 1,2 und vier Kilowatt leistet. Das sei eine ideale Größe, um den Speicher gut auszulasten und damit einen sehr hohen Anteil des erzeugten Solarstroms selbst zu verbrauchen.
Einige Hundert Systeme will der Kommunalversorger 2014 absetzen. Um ausreichenden Akkunachschub dafür macht er sich keine Sorgen. Allein 2012 produzierte Elektrofahrradhersteller Biketec 50.000 E-Bikes. Viele davon vermietet das Unternehmen und tauscht alle zwei Jahre die Akkus, wenn ihre Kapazität nicht mehr für ausgedehnte Radtouren genügt. „Nutzbar bleiben die Speicher für E-Bikes aber weiterhin – besonders im Reevolt“, sagt See: Wer selbst ein E-Bike besitzt, kann einfach einen Akku aus dem geladenen System herausnehmen und mit Rückenwind aus Sonnenstrom in die Pedale treten.
(Denny Gille)