„Autogas LPG – Gas brummt“, überschrieb Spiegel Online am Donnerstag vergangener Woche einen immerhin 8.000 Zeichen langen Artikel über einen Trend, den der Deutsche Verband Flüssiggas ausgemacht haben will. Im Juli hatte dieser darauf hingewiesen, dass die Zahl der Neuzulassungen für Autos, die das Flüssiggas LPG tanken, im ersten Halbjahr 2017 um 38 Prozent gestiegen sei. Die Verbraucher würden wieder „vermehrt auf den emissionsarmen Alternativ-Treibstoff setzen“. Die Hinwendung zu LPG sei eine Reaktion auf das sich gerade verschlechternde Image des Diesels vor dem Hintergrund des Skandals um beschönigende Emissionsangaben der Autohersteller, so lautet in etwa die Argumentation des Verbands.
Tatsächlich sind von Januar bis Juni genau 2.154 Autos neu auf den Betrieb mit LPG-Betankung zugelassen worden in Deutschland. Insgesamt fahren inzwischen etwa 450.000 hierzulande zugelassene Wagen mit dem Propan- oder Butan-Gas beziehungsweise mit Gemischen aus beiden Gasen. Raffinerien gewinnen das Flüssiggas als Nebenprodukt bei der Benzinherstellung, oder die Bergungskonzerne sammeln es in noch leicht größerem Volumen aus der Förderung von Erdgas und Rohöl. Mit der Bezeichnung Liquefied Petroleum Gas (LPG) sollte es nicht zu verwechseln sein mit dem Liquefied Natural Gas (LNG), was auf dreistellige Minusgrade heruntergefrorenes Erdgas ist. Zum besseren Transport wird LNG durch die Verflüssigung verdichtet. Denn LNG wird derzeit in gigantischen Mengen beim Fracking nicht zuletzt in den USA gewonnen. Zum Transport ohne Pipelines wird es unter hohem Energieeinsatz gekühlt und dann mit Tankern häufig zum Export nicht zuletzt nach Europa verschifft. LPG hingegen verflüssigt sich bereits bei Zimmertemperatur unter geringem Druck von acht bar.
Der große Vorteil des LPG beim Tanken als Alternative zu Diesel und Benzin: Tatsächlich ist das Propan- und Butangas im Autotank wesentlich umweltfreundlicher als die konventionellen Kraftstoffe und dabei – wohl eine der Haupttriebfedern für den LPG-Erfolg auf dem Markt – sogar noch deutlich billiger. So sinken die Emissionen von Stickoxiden im Vergleich zu Benzin um 20 Prozent und im Vergleich zum Diesel um 95 Prozent – der Deutsche Verband Flüssiggas behauptet sogar: um 99 Prozent. Außerdem sinkt der Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid um gut zehn Prozent. Gerade Dieselfahrzeughersteller haben das gute Image ihres Treibstoffs durch jahrelangen Betrug mit manipulierten Abgastests und zu niedrig angegebenen Stickoxid-Werten ruiniert, was die Öffentlichkeit seit rund zwei Jahren durch immer neue Enthüllungen erfährt.
Vor allem aber müssen die Kunden weniger für das LPG an der Tankstelle blechen, als für Benzin und Diesel. So kostet der Liter Autogas nur rund 60 Cent im Vergleich zu einem aktuell mehr als doppelt so hohen Benzinpreis. Auch die Zahl der Tankstellen mit LPG-Zapfsäulen ist mit über 7.000 in Deutschland wohl ausreichend hoch, um die Versorgung zu garantieren. Und in manchen europäischen Ländern ist LPG sogar noch deutlich verbreiteter als in Deutschland.
Allerdings ist auch an diesem fossilen Treibstoff nicht alles perfekt: Die auf LPG umgerüsteten Motoren schlucken bis zu 20 Prozent mehr von der LPG-Flüssigkeit verglichen mit dem Benzinverbrauch. Das allein freilich würde den Vorteil des nur halb so hohen Preises bei weitem nicht aufbrauchen. Allerdings bieten nur wenige Autohersteller ihre Autos mit LPG-Tanks direkt vom Werk weg an. Nachrüstungen aber kosten 1.500 bis 3.000 oder gar mehr Euro. Bei Nachrüstungen mit diesen Preisen aber lohnt sich LPG finanziell wohl erst für Vielfahrer, die jährlich 30.000 Kilometer auf den Tacho bringen.
Wer genauer auf die Erfolgszahlen des Flüssiggasverbandes und auf frühere Medienberichte schaut, erkennt einen nur langsamen Aufwärtstrend beim LPG – mit vielen Wellenbewegungen auf und ab. So hieß es beispielsweise bereits 2008, das „Geschäft mit Autogas boomt“, wie die Frankfurter Rundschau damals einen Erfolgsbericht überschrieb. Auch damals waren schon 200.000 Autos mit LPG-Tanks auf den Straßen. Das inzwischen erfolgte Wachstum des fahrenden Bestands auf deutlich mehr als das Doppelte ist allerdings nicht ganz so beeindruckend, wenn der Blick auf den dafür zurückgelegten Zeitraum von seither schon zehn Jahren fällt. Zudem hatte der in der Autobranche als Experte weithin anerkannte Hochschullehrer für Autowissenschaften, Ferdinand Dudenhöffer, damals für 2015 einen Bestand von zwei Millionen Autos erwartet. Gemessen an solchen Erwartungen stockt die Autogas-Wirtschaft längst. Auch der Mineralölkonzern Shell kann sich nun eine annähernd hohe Zahl zugelassener LPG-Autos in Zukunft vorstellen. Auf ähnlichem Niveau wie Dudenhöffer taxiert der die Marke von 1,7 Millionen LPG-Autos als realistisch – allerdings erst im Jahr 2040.
Ein Manko für die weitere Entwicklung könnte sein, dass LPG bisher weitgehend steuerbefreit war. Aber ab 2018 bis 2022 soll nun die Steuererleichterung um 15 Cent pro Liter fallen. Der alternative Verkehrsverband VCD bewertet den Treibstoff sogar als empfehlenswert. Ganz anders die VCD-Einschätzung aus Verbraucher-, Umwelt- und Klimaschützersicht für die Agrokraftstoffe Biodiesel, Pflanzenöl und Bioethanol, die der VCD allesamt für nicht empfehlenswert hält. Dagegen wertet der politisch grün gefärbte Verkehrsverbund das Biomethan – durch CO2-Waschung aus Biogas gewonnenes Erdgas – als „sehr empfehlenswert“ und damit noch besser als das fossile Autogas. Schon bei einem 20-Prozent-Anteil in einem Gemisch mit Erdgas führt Biomethan im Tank dazu, dass das Auto 40 Prozent weniger CO2 emittiert, als ein Benzin-Auto. Ais reiner Biomethan eingefüllt lässt sich der Stoff sogar zu 100 Prozent klimaneutral nutzen, heißt es, so lange das Biogas aus Gülle oder Kompostabfällen stammt. Allerdings existieren nur ein paar Hundert Tankstellen dafür deutschlandweit. 2016 versorgte der Kraftstoff Biomethan den Verkehr gerade Mal mit 0,4 Terawattstunden (TWh) Antriebskraft, wie das Bundesumweltamt meldet.
Ähnlich weit hinterher ist Deutschland bei Wasserstoff-Tankgelegenheiten. Der für sogenannten Brennstoffzellen-Autos getankte Wasserstoff lässt sich aus Ökostrom-Anlagen gewinnen, wenn etwa Wind- oder Solarstrom reichlich dank gutem Wetter erzeugt wird – aber nicht mehr in die bereits überfüllten Stromleitungen passt. Der bei dieser so genannten Sektorkopplung gewonnene Wasserstoff ist damit auch in seiner Bilanz sogar emissionsfrei. Nur gibt es hierfür gerade mal wenige Dutzend Tankmöglichkeiten bundesweit. Ausländische Autohersteller wie Toyota oder Hyundai bieten Brennstoffzellenautos schon an. In Deutschland hingegen haben Hersteller wie Daimler und BMW oder VW ihre Entwicklungen mehrmals verschoben oder umgekrempelt. Kleinserien sind möglicherweise wie bei BMW erst ab 2020 geplant.
Bei den Elektroautos, die Ökostrom tanken können, ist Deutschland bei gerade einmal 34.000 Wagen angekommen, die der Bundesstatistikdienst Statista für den Stichtag 1. Januar 2017 meldet. Die von der Bundesregierung versprochene Ausweitung des Bestands auf eine Million E-Autos schon bis 2020 ist bereits wohl unerreichbar.
(Tilman Weber)