Die durchgehend arbeitenden Kernkraftwerke, Erdgaskraftwerke oder Geothermieanlagen als Kraftwerke zur Bereitstellung einer wetterunabhängigen Grundlast erreichten in Zukunft ihre frühere große Bedeutung für die deutsche Stromversorgung nicht mehr. Das ist ein Fazit der am Dienstag von unterschiedlichen Wissenschaftlern veröffentlichten Studie „Kernspaltung, Erdgas, Geothermie, Kernfusion: Welche Rolle spielen Grundlastkraftwerke in Zukunft?“. Klimaneutral arbeitende Dauerbetriebs-Kraftwerke solcher Technologien könnten aber eine „wertvolle Ergänzung“ sein.
Studienautoren sind eine Gruppe von Wissenschaftlern im Projekt Energiesysteme der Zukunft (Esys), hinter dem die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften Acatech sowie die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften stecken.
Die Wissenschaftler waren bei ihren Untersuchungen der Frage gefolgt, ob der Einsatz von durchgehend und treibhausgasarm betriebenen Kraftwerken wie Kernkraftwerke, Erdgaskraftwerke mit Kohlendioxid-Abscheidung, Geothermie- oder Kernfusionsanlagen bis 2045 Vorteile für die deutsche und europäische Stromversorgung bringt. Ihre Erkenntnis aus der Forschung lautet: Ein Zusammenspiel von Wind- und Solarenergieanlagen mit Speichern und einem flexiblen Stromverbrauch sowie mit nur noch als Bedarfskraftwerke betriebenen steuerbaren Stromerzeugungsanlagen genügt. „Durch den Ausbau der erneuerbaren Energien sowie der europäischen Strom- und Wasserstoffnetze ließe sich voraussichtlich der Strombedarf und der größte Teil des Wasserstoffbedarfs innerhalb Europas decken“, lautet das Fazit in der Schrift.
Als Problem der Grundlastkraftwerke werteten die Autorinnen und Autoren, dass diese wegen ihrer hohen Investitionskosten fast durchgehend in Betrieb bleiben müssten, um genug Einnahmen für einen lukrativen Betrieb wieder einzuspielen. Doch ließen sie sich – wohl bei einer entsprechenden Vergütung als Kraftwerke zur Vorhaltung von Kapazitäten – gut und sinnvoll in eine Stromversorgung mit erneuerbaren Energien integrieren. Dann könnten diese klimaschadstoffarmen Stromerzeugungsanlagen in Momenten mit zu wenig Stromverbrauch oder zu hoher wetterabhängiger Grünstromerzeugung den überschüssigen Strom zur Produktion von Wasserstoff verwenden. Die Elektrolyse könnte dann grünen Wasserstoff als emissionsfreien Energieträger bereitstellen, um auch den Verkehr oder die Industrie klimafreundlich mit Energie zu versorgen. Dies würde dann die künftig notwendigen Wasserstoffimporte reduzieren helfen.
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Allerdings hätten die bisherigen Grundlastkrafwerke mit klimaschadstoffarmen Technologien kaum einen Einfluss auf den Bedarf an einem starken Ausbau der Stromnetze sowie auf die Umstellung des Verkehrs auf überwiegend Elektromobilität oder die Wärmeversorgung auf Wärmepumpentechnik. Dies bleibe unverändert notwendig. Die heutigen Grundlastwerke der in Frage kommenden wenig klimawirksamen oder klimaneutralen Technologien würden aber die Gesamtkosten der Energieversorgung nicht senken. Im Gegenteil bergen sie gemäß einer Mitteilung die Gefahr, die Kostenrisiken sogar noch zu erhöhen im Vergleich zu einem rein mit erneuerbaren Energien bestrittenen Stromversorgungssystem. So seien die „Risiken für Kostensteigerungen und Verzögerungen bei Grundlasttechnologien tendenziell sogar höher … als beim weiteren Ausbau der Solar- und Windenergie“, sagte Karen Pittel, die Leiterin des Ifo-Instituts und stellvertretende Vorsitzende des Esys-Direktoriums.
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