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Streitgespräch: Regionale Konflikte der Energiewende

„Bundesländer-Solidarität gefordert“

Herr Schlotmann, Sie sagten, es sei „völlig inakzeptabel“, dass Phantasie-Ausbauziele aus dem Süden der Republik gemeldet werden, und im Gegenzug eine realistische Entwicklung mecklenburg-vorpommerscher Potenziale verhindert werde. Da müssen Sie sich wohl noch auseinandersetzen – auch mit Ihrem Gegenüber, der als Umweltminister die Energiepolitik im Binnenland Nordrhein-Westfalen vertritt…

Schlotmann: Richtig. Fakt ist dass wir sehr realistisch unsere Zahlen erarbeitet und entwickelt haben. Und wir wissen aus den Gesprächen, die wir auch mit Ländern aus dem Süden und anderen führen, dass man dort Ausbauzahlen zunächst realistisch prognostiziert hat und sie dann mit einem gewissen Faktor multiplizierte, um sie Richtung Berlin zu melden. Das ist als eine Basis für künftige Rahmenbedingungen nicht nach unserem Geschmack, um es mal vorsichtig zu formulieren.

Haben Sie sich unter den Ländern hierzu schon einmal ausgetauscht? Wie ist es mit Ihnen beiden?

Remmel: Direkt haben wir beide uns miteinander noch nicht ausgetauscht. Aber wir sitzen zusammen an Tischen auf Bundesebene, in Arbeitsgruppen, und da geht es in der Tat auch um den Abgleich der Daten. Auch wir in Nordrhein-Westfalen sind der Meinung, dass wir sehr realistische Zahlen auf den Tisch gelegt haben: 15 Prozent Windstromanteil am Bruttostromverbrauch bis 2020. Wir kommen dabei von einem niedrigen Niveau, weil zwischen 2005 und 2010 die Vorgängerregierung aus CDU und FDP den Ausbau bei Wind sehr gedeckelt hat. Wir haben da unsere Position an dritter Stelle unter den Bundesländern verloren – dahin wollen wir zurück. Und wir wollen bis 2025 einen Erneuerbare-Energien-Anteil am Bruttostromverbrauch von 30 Prozent haben. Es sind sehr realistische Ziele. Deshalb ist eine Diskussion notwendig, in der wir die Zielvorstellungen im Energiekonzept wohlgemerkt auch der Bundesregierung noch einmal auf den Prüfstand stellen. Denn wir müssen ja noch einmal festhalten, dass diese Zahlen vor dem endgültigen Atomausstieg manifestiert worden sind und danach nicht überarbeitet wurden.

Schlotmann: Stimmt.

Remmel: Zudem sollten wir unsere Ausbauziele nicht nur im Strombereich formulieren, sondern die Zielsetzung betrifft ja auch andere Bereiche wie Mobilität und Wärme. Energiewende ist mehr als eine reine Stromwende.

Bundesumweltminister Altmaier befürchtet, dass wir vielleicht 60 Prozent mehr Windstrom mittelfristig im Netz haben werden, als wir verkraften ...

Remmel: Ich sehe das nicht. Wenn die Entwicklung wie sie sich abzeichnet weitergeht – dass wir auch zwischen einzelnen Energienutzungsformen Kompatibilitäten herstellen – warum soll es etwa künftig nicht möglich sein, Strom aus erneuerbaren Energien so umzuwandeln, dass sie auch in der Mobilität Raum greifen können? Notwendig ist, die Umwandlungstechnologien voranzubringen und für Speicherkapazitäten zu sorgen. Und da sind wir in Nordrhein-Westfalen als Technologieland genau richtig.

MV-Energieminister Volker Schlotmann | MV-Energieminister Volker Schlotmann - © vm.mv-regierung.de
MV-Energieminister Volker Schlotmann | MV-Energieminister Volker Schlotmann

Schlotmann: Wenn Herr Altmaier versucht, und das tut er ja immer wieder gerne als ehemaliger parlamentarischer Geschäftsführer der CDU, mit Taschenspielertricks zu arbeiten – jetzt mit den 60 Prozent –, dann ist immer die erste Frage: Worauf beziehen sich denn diese 60 Prozent? Da dürfen wir uns als Bundesländer nicht auseinander dividieren lassen. Und die Gespräche mit Altmaier und Rösler haben ja gezeigt: Wenn die Bundesländer auch über unterschiedliche Interessenlagen hinweg agieren, die es im Detail gibt, dann können wir klare Kante gegenüber dem Bund zeigen – und uns weitgehend durchsetzen.

Sie selbst dividieren ja auch auseinander: Sie sagen, dass man in süddeutschen Ländern eher nicht Windstrom produzieren, ihn lieber vor der Küste Mecklenburg-Vorpommerns erzeugen sollte …

Schlotmann: Man muss doch auch mal die topografischen Möglichkeiten des Südens angucken, wo die Zahl der Höhenzüge etwas größer ist als in Mecklenburg-Vorpommern. Da muss man auf die Kuppen der Berge oder in die Wälder hinein. Da sagen wir aus verschiedensten und nicht nur ökologischen Gründen, dass wir das nicht für zielführend halten. Das zu sagen ist aber doch kein Sakrileg …

Sie plädieren für Realismus. Dazu gehört zu wissen, was benachbarte Bundesländer über künftige Stromautobahnen durchs eigene Bundesland schicken. Wissen Sie, Herr Remmel, eigentlich, wie viel Windstrom Ihnen Mecklenburg-Vorpommern liefert?

Remmel: (Pause) Muss ich das wissen? Aber die vorangegangene Frage möchte ich beantworten: Sie wird uns ja doch in der Tat beschäftigen bei der Novellierung des EEG. Setze ich auf Standorte der Erzeugung erneuerbarer Energien, wo der Wind mehr weht oder die Sonne mehr scheint? Oder setze ich auf Standorte in der Nähe der Abnehmer, wo Industriekunden oder private Verbraucherinnen und Verbraucher sind? Hier will ich (zugegeben) nordrhein-westfälische Interessen vertreten und diese haben natürlich auch mit Wertschöpfung zu tun. Und da habe ich die Sorge, dass wir uns irgendwann umschauen und um uns herum ist eine schöne neue Energiewelt entstanden – und wir haben dann die Rolle zugeteilt bekommen, aus dem Industriemuseum heraus mit veralteter Technologie den Strom zu liefern. Wir aber wollen auch weiter industriell produzieren und damit die Wertschöpfung in der Region halten. Wir werden uns darauf einstellen müssen, dass sich uns vielleicht im Jahr 2020, vielleicht erst 2022, drastisch die Frage stellt, ob wir Stromexportland sind oder Stromimportland. Denn dann wird der Windstrom aus Norddeutschland sehr stark bei uns reindrücken. Dieser Strom ist uns willkommen. Wir müssen nur darauf achten, dass er auch weiter geleitet werden kann und unsere eigenen Erzeugungskapazitäten nicht beeinträchtigt. Deshalb brauchen wir an zwei oder drei Stellen in der Tat einen (noch einmal) beschleunigten Ausbau des Netzes. Darauf haben wir in Nordrhein-Westfalen alle unsere Kräfte konzentriert: Eine Leitung im Westen unseres Landes und eine im Bereich Sauerland …

…, die die Bundesnetzagentur seit November 2012 anders als zunächst nicht mehr vorsieht.

Remmel: Doch. Von zwei Projekten ist eines schon weiter geplant als das andere. Sonst kriegen wir auch ein wirtschaftliches Problem.

Sie Herr Remmel plädieren für Offshore-Ausbau, weil er Ihrer Industrie nutzt. Und beide Länder treiben den PV-Ausbau stark voran. Ist es nicht doch so, dass jedes Bundesland macht, was es kriegen kann?

Schlotmann: Das sehe ich nicht so. Vor uns steht die große Novellierung des EEG. Und dazu gehören eben eigentlich nicht nur die einzelnen Fördergesetze sondern noch ganz andere Rahmenbedingungen. Ich gehe davon aus, dass es gelingt, dass sich die Länder koordinieren. Zumal wir ja über viele andere Dinge reden müssen. Die erneuerbaren Energien sind für den Normalverbraucher ein kaum noch überschaubares Getriebe. Wenn Sie da an einem Rädchen drehen, drehen sich gleich 20 andere mit. Hier arbeiten wir derzeit wunderbar zusammen. Wir in Mecklenburg-Vorpommern wollen, dass wir uns in der Perspektive komplett neu mit erneuerbaren Energien versorgen.

Das können Sie ja doch nicht autark und unabhängig machen. Woher kommt die Koordination dieser Länderverknüpfung?

Remmel: Hier liegt die falsche Vorstellung zu Grunde, als ob wir in den Ländern planwirtschaftlich für den Ausbau sorgten! Nein. Da sind Investitionen von Bürgergenossenschaften, von Investoren, von Stadtwerken, die dezentral stattfinden. Was wir als einzelnes Bundesland tun können und auch tun, ist Rahmenbedingungen zu schaffen zum Beispiel im Planungsrecht oder wie wir mit Konflikten beim Naturschutz umgehen. Und daran orientiert sich eine bestimmte Prognose. Was wir gemeinsam regeln müssen bei der Novellierung des EEG ist die Antwort auf die Frage, wo denn künftig Grünstrom produziert werden soll. Und wir müssen die Frage der Systemverantwortung stellen, denn es geht auch um ein künftiges Energieerzeugungssystem.

Man muss doch aber im Gegenzug ganz konkret fragen: Herr Schlotmann: Brauchen Sie als Grünstromexportland eine Garantie des Stromtransitlandes Nordrhein-Westfalen, dass es die Netze nicht mit Kohlekraft in entscheidenden Momenten verstopft?

Schlotmann: Ja schon, aber: Wir haben ja den Vorrang der erneuerbaren Energien im EEG geregelt.

Remmel: Ich glaube dass die Problemlage mit der Frage nicht richtig beschrieben wird. An der Strombörse wird erneuerbarerer Strom quasi für Null angeboten und gehandelt, was die Umlage aufgrund ihrer Berechnung nach den Differenzkosten von Börsenstrom zur EEG-Vergütung verteuert. Hier entgegenzuhalten, wäre für mich ein nächster Schritt. Grünstrom muss hier auch seinen entsprechenden Preis bekommen. Das zweite, was nicht sinnvoll ist, ist dass eben zuerst Gaskraftwerke aus der Wirtschaftlichkeit laufen, die wir eigentlich zum Bereitstellen von Regelenergie für die erneuerbaren Energien brauchen. Danach die ebenfalls noch flexibel verstrombare Steinkohle – aber, was überhaupt nicht aus der Wirtschaftlichkeit läuft sind ausgerechnet die schwerfälligen Braunkohlekraftwerke. Und da gibt es einen Konflikt mit unseren klimapolitischen Zielvorstellungen. Wir sehen uns aber überhaupt nicht in der Situation die Stromtrassen mit Kohlestrom vollzufahren! Was in der Kraftwerksdebatte zugleich kaum beachtet wird: Wir haben zurzeit in Nordrhein-Westfalen große Vorhaben für Investitionen in neue Kraftwerke – und zwar in Gaskraftwerke, die Strom liefern und Wärme, die KWK-Anlagen sind. Hier stellt sich die Wirtschaftlichkeitsfrage völlig anders.

Herr Schlotmann, Sie haben jüngst gesagt, man müsse die Regelenergie finanzieren. Wenn jemand ein fossiles Kraftwerk betreiben will, müsse er sicher sein, dass der Strom auch abgenommen wird – wie meinen Sie das?

MV-Energieminister Volker Schlotmann | MV-Energieminister Volker Schlotmann - © vm.mv-regierung.de
MV-Energieminister Volker Schlotmann | MV-Energieminister Volker Schlotmann

Schlotmann: Wir reden dabei immer über moderne Gaskraftwerke nicht über Kohlekraftwerke. Und dass diese Gaskraftwerke, die in Betrieb gehalten werden um bestimmte Spitzen oder Ausfälle zu kompensieren, das nicht für einen Nulltarif machen können und müssen, ist denke ich unbestritten.

Remmel: Wir beachten derzeit eine entscheidende Gestaltungsaufgabe nicht. Wir reden nicht über den Markt, nicht darüber, wie ein neues funktionierendes Marktdesign aussehen müsste. Das aber ist aus meiner Sicht die erste Aufgabe, bevor man an allen anderen Stellschrauben rumschraubt, wie etwa beim EEG.  

Was würden Sie vorschlagen?

Remmel: Nun, der Strommarkt hängt ja maßgeblich auch von einem funktionierenden Emissionshandel ab. Wenn Sie fragen, wie künftig Investitionen in benötigte Kapazitäten generiert werden, muss ich antworten: Die sollen sich in erster Linie über den Markt refinanzieren. Hier muss angesetzt werden, bevor wir über Eingriffsmechanismen reden. Das Problem ist, dass der Emissionshandel und die Strombörse zurzeit nicht das leisten, was sie hätten leisten müssen. Der Emissionshandel ist ja seinerzeit nicht nur wegen des Klimaschutzes installiert worden, sondern auch, weil er Investitionen in klimafreundliche energiesparende Technologien befördern sollte.

Wenn Sie den Erzeugungsausbau aber einem noch so gut geregelten Markt überlassen wollen: Wollen Sie beide, dass man bloß die Netze so lange ausbaut, bis es für alle reicht?

Schlotmann: Die Netze insbesondere von Nord-Süd-Trassen müssen stärker ausgebaut werden, das ist schlicht und einfach so. Die Bundesnetzagentur als Behörde des Bundes wird die Übertragungsnetze auf Basis dessen, was die Länder in einem koordinierten Prozess gemeinsam vorlegen, dann auch umzusetzen haben.

Remmel: Wir betreiben ja nicht ein herkömmliches System mit einer neuen Energie. Das Entscheidende ist, dass der Systemumbau passiert. Da sind nicht nur die großen Übertragungsnetze im Blickpunkt, sondern auch und gerade die Verteilnetze im Fokus. Sie müssen in beide Richtungen genutzt werden, momentan werden sie nur zur Versorgung ausgebaut. Wir sollten auch die Möglichkeit der Verschränkung im europäischen Zusammenhang stärker in den Blick nehmen – uns mit unseren polnischen Nachbarn besser abstimmen, mit den Kollegen in den Niederlanden, Norwegen, Österreich und der Schweiz. Ich glaube, dass da noch einiges an Synergien möglich ist.

Schlotmann: Das muss man noch ergänzen. Wir haben hier in Europa keine gemeinsame Energiepolitik. Die Interessen sind sehr unterschiedlich. Polen etwa hat beschlossen, die Atomenergie stärker auszubauen. Das ist nicht ganz einfach. Der Bereich, den wir ganz massiv auf der Agenda haben, ist daher das Thema Speichertechnologien, das vom Bund etwas stiefmütterlich behandelt wird. Ich glaube, wir können hier technologisch noch große Sprünge machen.

Reden wir aber noch einmal über Interessenskonflikte Ihrer Länder: Herr Schlotmann, Sie sind der Meinung, dass der Stromleitungsausbau nicht nur von den Stromexportländern finanziert werden kann. Herr Remmel, sind Sie damit einverstanden?

Remmel: Damit bin ich im Großen und Ganzen einverstanden. Wobei wir auch nochmal über Finanzierungsmodelle sprechen müssen. Wenn da nach wie vor Renditeerwartungen von acht bis zehn Cent liegen, dann halte ich es für schwierig, den notwendigen Netzausbau jetzt in die Investition zu bekommen. Da sollte man über Modelle reden, die langfristig abfinanziert werden. Wir fordern eine auf Daseinsvorsorge gerichtete Netzgesellschaft, die eine solche Mindestfinanzierungsmodalität übernimmt. Aber so wie das derzeit organisiert ist, werden wir das nicht in der Geschwindigkeit realisieren können.

Herr Schlotmann im Gegenzug gefragt: Der Ausbau von Pumpspeichern findet aufgrund der Topografie nicht in Ihrem Land, sondern eher bei Herrn Remmel statt. Wären Sie bereit, diese Technologie mit zu finanzieren?

Schlotmann: Da ist natürlich die Solidarität der Bundesländer gefordert. Das stelle ich nicht in Frage. Wir müssen einfach dafür sorgen, dass der Ausbau nicht überproportional von einem Teil der Konsumenten finanziert wird, sondern dass das bundesweit umgelegt wird. Anstatt über Pumpspeicherkraftwerke verfolgen wir das Thema Speicherung vor allem über die Wasserstofftechnologie, bei der wir auch schon ziemlich weit vorne sind.

Remmel: Bei einem Pumpspeicherprojekt in der Eifel ist uns ein Investor abgesprungen. Ich schließe aber nicht aus, dass sich andere finden werden.Wir haben ein weiteres Projekt in Ostwestfalen an der Nethe voran getrieben. Wir verfolgen auch Ideen für unterirdische Pumpspeicherwerke, etwa in ehemaligen Bergwerken. Wir suchen auch an Talsperren nach Möglichkeiten. Das kann und wird schon ein Profil sein, das NRW einbringt.

Sie haben sich als Ländervertreter bisher nicht ausgetauscht. Was müsste Ihrer Meinung nach als erstes bilateral besprochen werden?

Schlotmann: Ich würde das EEG ganz oben ansiedeln. Das ist für mich das Hauptthema, das über allem schwebt. Dabei geht es um das Rückgewinnen des Vertrauens derjenigen, die in Regenerativprojekte investieren und sich zurzeit massiv zurück halten.

Remmel: Was ich nur unterstreichen kann: Wir brauchen Investitionssicherheit über einen Zeitraum von 15 oder sogar 30 Jahren. Ich glaube, wir müssen erst das Marktdesign klären, das wird schlechterdings nur in europäischer Abstimmung möglich sein, wenn man an Ausnahmen im EEG, Kapazitätsmärkte und Emissionshandel denkt. Erst dann kommt die nationale Ebene.

Hört sich so an, als hätten wir noch etwas Zeit, bis das EEG angepasst wird. Bundesumweltminister Altmaier möchte lieber heute als morgen noch seine Strompreisbremse mit den Ländern erörtern.

NRW-Umweltminister Johannes Remmel | NRW-Umweltminister Johannes Remmel: Setzt angesichts der Energiewende-feindlichen Vorhaben der großen Koalition (Groko) auf die Standhaftigkeit ausgerechnet seiner Kabinettschefin. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hatte die Groko-Energiepläne mit ausgehandelt. - © Energieagentur NRW
NRW-Umweltminister Johannes Remmel | NRW-Umweltminister Johannes Remmel: Setzt angesichts der Energiewende-feindlichen Vorhaben der großen Koalition (Groko) auf die Standhaftigkeit ausgerechnet seiner Kabinettschefin. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hatte die Groko-Energiepläne mit ausgehandelt.

Remmel: Mich ärgert das massiv. Das Wort fokussiert die ganze Diskussion auf die Strompreise. Allein die steigenden Spritpreise zu Beginn der Ferien haben bezogen aufs Jahr bei einer vierköpfigen Familie größere Auswirkungen als die 25 Euro, die möglicherweise durch gemeinsame Aktionen eingespart werden können. Ein anderes Bespiel: Das stromintensivste Gerät in einem Haushalt ist die Heizungspumpe. Wenn diese gegen eine neue ausgetauscht würde, die auch noch in Nordrhein-Westfalen hergestellt wird, hätte man 80 Prozent weniger Energieverbrauch. In drei bis vier Jahren hat sich eine solche Investition amortisiert. Dann spart man an so einer Heizungspumpe 100 bis 120 Euro pro Jahr. Das sind die Dinge, die wir vorantreiben müssen. Aber diese Diskussion ist völlig fehlgeleitet.

Schlotmann: Die Verhandlungen mit dem Bund haben ja gezeigt, dass die Kanzlerin Herrn Altmaier das Thema ganz schnell wieder weggenommen und stattdessen selbst mit den Ministerpräsidenten diskutiert hat. Wir haben da als Länder Schulterschluss bewiesen. Wenn wir so sachlich orientiert weiter machen, dann werden wir Anfang nächsten Jahres in eine spannende, konstruktive Novellierung des EEG kommen.

Stichwort Schulterschluss: Halten Sie es für sinnvoll, die Vergütung für Wind im Norden zu reduzieren, wie es auch aus Reihen der Windbranche gefordert wird?

Schlotmann: Über die Fragen sind wir bereit zu diskutieren. Da wo der Wind ständig braust und er ohne großen technischen Aufwand geerntet werden kann, darf man über eine Differenzierung der Vergütung nachdenken. Da sind wir für jede Diskussion offen. Die Frage ist, ob es wirklich sinnvoll ist, an Schwachwindstandorten Anlagen aufzustellen, oder ob es nicht mehr Sinn macht, die da hinzustellen, wo wirklich Wind ist.

Remmel: Mit dieser Diskussion ist auch das Thema Netzausbau verbunden. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass eine stärkere Orientierung zu den Orten, wo der Strom gebraucht wird, Kosten bei Netzausbau und Speichern spart. Deshalb sollte man da zu einer differenzierten Haltung kommen. Das war aber auch bisher meine Wahrnehmung. Sowohl die Branchenverbände als auch die Bundesländer sind bereit, zu differenzierten Modellen zu kommen. Auch im Rahmen der Diskussionen, die stattgefunden haben, gab es Vorschläge. Das ist von der Bundesregierung leider nie aufgegriffen worden.

 Das Gespräch führten Nicole Weinhold und Tilman Weber