Solarthermische Anlagen können ihre Vorteile vor allem immer dort ausspielen, wo regelmäßig Wärme mit Temperaturen zwischen 80 und maximal 150 Grad Celsius gebraucht werden – auch oder vor allem im Sommer. Deshalb ist die Solarthermie für die Bereitstellung von Prozesswärme bestens geeignet. In Kombination mit einer Wärmepumpe, die mit Ökostrom betrieben wird, werden solchen industriellen Prozesse zu eine Schlüsselelement der Energiewende.
Planungs- und Vertriebskosten verringern
Das Potenzial ist riesig. Denn 32 Prozent des gesamten weltweiten Wärmebedarfs entstehen durch solche industrielle Prozesse. Dazu gehören neben dem Färben von Textilien in der Bekleidungsindustrie auch beispielsweise Galvanisierungsprozesse in der Metallverarbeitung oder Reinigungsprozesse beziehungsweise einfach zum Kochen in der Nahrungsmittelindustrie. Auch die chemische Industrie hat einen riesigen Bedarf an Wärme mit den Temperaturen, die die Solarthermie bieten kann. Immerhin drei Viertel der in der Industrie verbrauchten Endenergie ist Wärme. Ein Drittel davon liegt im Temperaturbereich von unter 150 Grad Celsius. Unter der Voraussetzung, dass genügend nutzbare Fläche auf den Industriegeländen vorhanden ist, können solarthermische Anlagen diesen Bedarf zumindest zu einem großen Teil decken.
Doch bisher wurden nur wenige Hilfsmittel zur Auslegung solcher Systeme entwickelt. Das macht nicht nur den Planungsprozess, sondern auch den Marktzugang schwierig. Denn die Projektierung eines solarthermischen Systems, das an den Produktionsprozess angepasst ist, ist komplex und schon die Abschätzung, ob sich ein solches System lohnt, ist nicht billig. Das ist für Industriebetriebe oft eine Hürde, sich für eine solche Anlage zu entscheiden.
Potenziale abschätzen
Diesem Problem haben sich die Forscher des Instituts für Nachhaltige Technologien (AEE Intec) im österreichischen Gleisdorf angenommen. Zusammen mit ihren Kollegen vom AIT – Austrian Insitute of Technology und dem Institut für Energietechnik und Thermodynamik der TU Wien haben sie ein Tool entwickelt, mit denen Energieberater, Industriebetriebe, Technologieanbieter oder Anlagenbauer zunächst genauer abschätzen können, ob sich die Wärmeversorgung der Industrieprozesse mit Solarthermie oder Wärmepumpe oder einer Kombination aus beiden Technologien lohnt. Zusätzlich dazu steht noch einen ausführlicher Leitfaden bereit, der die im Projekt entwickelten Integrationskonzepte der beiden Technologien beschriebt. Die Autoren weisen auch auf entsprechende Förderprogramme für Unternehmen hin. Nachdem bereits vor wenigen Wochen ein ähnliches Tool für solarthermische Anlagen und deren Einbindung in Nah- und Fernwärmenetze erschienen ist, hat die Solarthermiebranche mit diesem Auslegungsprogramm gleich ein zweites Werkzeug in der Hand, um den Markt zu beleben.
Abwärme nutzen
Bei der Planung sollte der Projektierer zunächst einmal abklären, in wieweit die anfallende Abwärme aus Kühlanlagen oder Produktionsprozessen genutzt werden kann. Denn das wirkt sich auf die Größe und die Einbindung der Wärmepumpenanlage aus. Schließlich kann diese Abwärme zur Anhebung der Vorlauftemperatur genutzt werden, damit die Wärmepumpe weniger arbeiten muss, um die geforderten Temperaturen bereitzustellen. Das wirkt sich direkt auf den Stromverbrauch aus. Eine Kombination aus beiden Technologien kann durchaus sinnvoll sein, vor allem wenn es eine der beiden Geräte und Anlagen allein nicht schafft, die Wärme mit der notwendigen Temperatur zu erzeugen. Dann wird die Solarthermieanlage parallel zur Wärmepumpe geschaltet. Wenn die Wärmepumpe einen möglichst geringen Hub überwinden soll, kann die solarthermische Anlage auch eine höhere Vorlauftemperatur bereitstellen, was die Effizienz der Wärmepumpe erheblich verbessert.
Auch für Laien geeignet
Mit diesen Grundüberlegungen kann der Projektierer an die grobe Auslegung des gesamten Systems mit dem neuen Tool gehen und damit zu einer ersten Einschätzung kommen, ob sich der Wärmebedarf für eine Kombination aus Solarthermie und Wärmepumpe oder auch nur für eine der beiden Technologien eignet. Das Programm basiert auf Excel und ist damit weitgehend unabhängig von der benutzten Rechneroberfläche. Die Ergebnisse sind allerdings keine Detailsimulationen. Hier muss der Projektierer weiterhin in die genauere Planung einsteigen, da jeder Produktionsprozess und jeder Betrieb viel zu individuell ist, um dies mit einem einfachen Auslegungsprogramm abdecken zu können. Der Vorteil: Das Programm kann auch von Laien gut bedient werden, was den Entwicklern sehr wichtig war.
Vergleich der Versorgungssysteme
Grundlage ist neben dem konkreten Wärmebedarf vor allem die Struktur der Wärmeversorgung innerhalb des Produktionsprozesses. Nachdem der Nutzer Basisdaten wie nutzbare Dachfläche, Abwärmequellen, Standort und aktuelle Energiepreise eingegeben hat, kommt er über einen vorgegebenen Entscheidungsbaum zu einem von sechs Möglichkeiten, die Technologien zu integrieren. Diese Schemata wurden von den Entwicklern des Tools speziell entwickelt. Das Tool ermittelt zudem einige Optimierungsvorschläge, damit der Produktionsprozess effizienter wird und der Wärmebedarf sinkt. „Dann werden Wärmequellen und Wärmesenken nach Temperaturniveau und zeitlicher Übereinstimmung identifiziert“, erklärt Christoph Brunner, Leiter des Bereichs Industrielle Prozesse und Energiesysteme bei AEE Intec. „Erst im letzten Schritt vergleicht der Nutzer die verschiedenen regenerativen Wärmeversorgungsysteme. Kriterien sind hier Wirkungsgrade, Amortisationszeit und Energiegestehungskosten. Bei jedem Schritt unterstützt ein Online-Handbuch den Nutzer.“
Das neue Tool inklusive Leitfaden steht zum kostenfreien Download auf der Webseite von AEE Intec zur Verfügung. Das Excelprogramm läuft mit den gängigen Office-Varianten wie Microsoft und Libre Office. (Sven Ullrich)