Aktives Leistungsmanagement – das sogenannte Demand Response – kann erheblich zur Reduzierung von Engpässen in den Verteilnetzen beitragen, die durch die vermehrte Einspeisung hauptsächlich von Solarstrom in den nächsten Jahren entstehen werden. Insgesamt erwartet man, dass es in den nächsten fünf Jahren bei über zwei Dritteln der Verteilnetze zu solchen Netzengpässen kommen wird. Das ergab eine Umfrage der Unternehmensberatung Goetzpartners bei mehr als 30 Energieversorgungsunternemen in Deutschland. „Die Netze sind, historisch bedingt, ausgerichtet auf eine Großkraftwerkslogik, in der der Stromfluss klar definiert ist“, erklärt Günther Schermer, Autor der Studie, das Problem. „Die Solarmodule auf den Dächern der Privathaushalte passen nicht in das aktuelle Netzdesign.“
Positive und negative Lastspitzen ausgleichen
Die Energieversorger sehen den Hauptnutzen der Flexibilisierung der Stromnachfrage in der Entlastung der Verteilnetze und als Alternative zu Investitionen in konventionelle Energieerzeugung und zum Netzausbau. Insgesamt lassen sich zur Kompensation von positiven Lastspitzen bis zu 19 Gigawatt flexibler Abnehmer zuschalten. Um negative Lastspitzen auszugleichen, können bis zu neun Gigawatt abgeschaltet werden. Die befragten Unternehmen sehen größtenteils die Flexibilisierung der Nachfrage dem Laborstadium entwachsen und in Zukunft auch in der praktischen Großanwendung. Allerdings erwarten nur etwa 12 Prozent einen flächendeckenden Einsatz von Demand Response. Die Mehrheit – 70 Prozent – sieht bis 2020 die Anwendung vor allem in der Entlastung der lokalen und regionalen Verteilnetze.
Zentraler Baustein bei der Energiewende
Die größte Herausforderung wird dabei die Entwicklung attraktiver Geschäftsmodelle sein, um die Stromabnehmer auch vom Einsatz des aktiven Lastmanagements zu überzeugen. Die Energieversorger sehen nämlich genau in diesem Stromlastmanagement einen zentralen Baustein, um die Energiewende überhaupt zu bewerkstelligen. Denn nur mit Demand Response lassen sich Lastspitzen kompensieren, die nach Einschätzung der Energieversorgungsunternehmen bis 2020 von derzeit sieben auf dann 28 Gigawatt steigen werden. Die negativen Residuallasten werden sogar auf einen Wert von bis zu 35 Gigawatt im Jahr 2020 steigen. Dabei geht es vor allem um Gewerbe- und Industriekunden „Der Einzug von Demand Response in die Privathaushalte ist aktuell noch Zukunftsmusik“, sagt Michael Sanktjohanser, Managing Director und Leiter der Industry Line Energy/Utilities. „Eine schrittweise Implementierung bei Gewerbe und Industriekunden hingegen ist durchaus vorstellbar, unter der Voraussetzung, dass das Marktpotenzial realistisch bewertet wird." Immerhin sehen die Autoren der Studie das abschaltbare Potenzial bei Industrie- und Gewerbekunden bei etwa neun Gigawatt, was 20 Prozent der Grundlast entsprechen würde. Das zuschaltbare Potenzial liegt bei mehr als 18 Gigawatt und damit bei fast der Hälfte der Grundlast. Damit wäre Demand Response durchaus sehr attraktiv für die Industrie und Gewerbebetriebe. Dies gilt vor allem für Heizsysteme, Klimaanlagen und Belüftungssysteme in Gewerbebetrieben als auch für energieintensive Bereiche wie Papier, Zement und Elektrolyse. Allerdings müsste zunächst ein Anreiz geschaffen werden.
Variable Tarifmodelle entwickeln
Die Lösung des Anreizproblems sehen die befragten Unternehmen vor allem in variablen Tarifmodellen für Gewerbekunden und der direkten Steuerung der Lasten von Gewerbe und Industrie. Außerdem sollten die Investitions- und Betriebskosten, um am aktiven Lastmanagement teilnehmen zu können, ohne Zeitversatz anerkannt werden. Weiterhin wäre ein „Bonus“ bei der Eigenkapitalverzinsung denkbar. Einen guten Lösungsansatz sehen die Energieversorger in der Segmentierung der Stromkunden entsprechend ihrer Veränderungsbereitschaft und der Notwendigkeit, Demand Response anzuwenden. Auf dieser Basis ließen sich neue Geschäftsmodelle entwickeln. (Sven Ullrich)