September 2021, Paukenschlag vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Sachen Netzentgelte: Das Gericht stellte fest, dass die Netzentgeltregulierung in Deutschland nicht durch nationale Gesetze oder Verordnungen vorgeprägt werden darf. Vielmehr muss die Bundesnetzagentur als nationale Regulierungsbehörde tätig werden. Aktuell werden in der Fachwelt verschiedene, teils gegenläufige Vorschläge diskutiert. Doch welche Vorgaben sind bei der Aus- und Umgestaltung zu beachten?
Ein Forschungsteam der Stiftung Umweltenergierecht hat den Rechtsrahmen näher untersucht und die zentralen Punkte herausgearbeitet. Mit der jetzt veröffentlichten Würzburger Studie zum Umweltenergierecht Nr. 37, „Das EU-Recht der Netzentgelte im Stromsektor – Systematik und Reformbedarf“, hat Tim Schilderoth unter Mitarbeit von Tobias Klarmann, Johannes Hilpert und Markus Kahles eine Prüfschema erarbeitet, das alle denkbaren Ausgestaltungen der Netzentgelte abdeckt. Die Studie zeigt damit der Fachwelt die rechtlichen Spielräume und Grenzen der Bundesnetzagentur bei der notwendigen Reform der Netzentgelte auf.
Vom Diskriminierungsverbot kann abgewichen werden
Das EU-Recht selbst sei in Sachen Netzentgelte ungeordnet und inkohärent: „Hieran hat auch die aktuelle Elektrizitätsbinnenmarktreform nichts geändert. Aber dennoch kann man drei Vorgaben benennen, an denen sich alle Netzentgelt-Ausgestaltungen zu messen haben: Diskriminierungsfreiheit, Effizienz und Transparenz“, erklärt Tobias Klarmann.
Vom Diskriminierungsverbot können die nationalen Regulierungsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen jedoch abweichen. „Hier gilt es für jeden Umsetzungsvorschlag im Einzelnen zu prüfen, inwieweit eine mögliche Ungleichbehandlung gerechtfertigt werden kann und ob der Vorschlag auch insgesamt verhältnismäßig ist. Maßstab ist eine Orientierung an den individuell durch die Netznutzenden verursachten Netzkosten.“
Aktuelle Systematik „bestraft“ im äußersten Fall flexibles Bezugsverhalten
In Deutschland besteht Handlungsbedarf. „Besonders auffällig ist das etwa bei der Netzentgelt-Privilegierung für Großverbraucher, die zumindest in ihrer Grundkonzeption hohe gleichmäßige Strombezüge mit deutlich reduzierten Netzentgelten belohnt“, erklärt Johannes Hilpert, Projektleiter der Stiftung im Projekt unIT-e², in dessen Rahmen die aktuelle Studie entstand. Neben der rechtlichen Problematik widerspricht diese Systematik auch dem Ziel eines transformierten, flexibleren Energiesystems. „Eigentlich sollte in einem zunehmend von Wind- und Photovoltaikenergie geprägten Energiesystem flexibles Bezugsverhalten belohnt werden. Doch durch die aktuelle Regelung wird es im äußersten Fall sogar bestraft“, so Johannes Hilpert. Dieser Einschätzung folgt auch die Bundesnetzagentur in einem Eckpunktepapier vom 24. Juni 2024.
Erste Umgestaltungsprozesse hat die Bundesnetzagentur bereits angestoßen, unter anderem die Festlegungen zu § 14a des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Diese beinhalten erstmals die Option eines zeitvariablen Netzentgelts für Betreiber steuerbarer Verbrauchseinrichtungen – wie zum Beispiel Wärmepumpen oder E-Kfz.
Kostenfreies Online-Seminar zur Studie
Die Stiftung Umweltenergierecht veranstaltet am Mittwoch, 25. September 2024, ein kostenfreies Online-Seminar, in dem die Kernergebnisse der Studie erläutert und aufkommende Fragen beantworten werden. Eine Anmeldung ist online unter www.stiftung-umweltenergierecht.de/veranstaltungen möglich. (nw)
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