Die hat sich nach einem quälend langen Prozess der Einigung über ein Regierungsprogramm zu einer Klausurtagung getroffen, um das Arbeitsklima zu bessern. Tagungsort ist wie bei früheren neuen Merkel-Kabinetten das Schloss Meseberg in Brandenburg. Die dort nun bekannt gegebene Zusammensetzung einer Kommission zum Ausstieg aus der Kohlekraft zugunsten des anderen, also zur globalen Erderwärmung führenden Klimas wirkt allerdings vor allem ernüchternd.
Vorneweg: Viel hatten die Koalitionäre aus CDU/CSU und SPD bisher nicht nach außen dringen lassen. Vor allem vom Problem der zu hohen Schadstoffemissionen von Dieselautos in deutschen Städten war bisher die Rede – wohl auch, weil die deutschen Medien in den vergangenen Tagen hier einem aktuellen Aufreger folgen wollten und zum Diesel-Skandal an die Regierung die meisten Fragen gestellt hatten. Doch Bundeskanzlerin Merkel hat beim Klima zurzeit ohnehin nur kleine Botschaften zu verbreiten: Eine von vielen Umweltschützern geforderte Nachrüstung der Dieselautos auf Kosten der Automobilbauer zur Schadstoffminderung lehnt Frau Merkel ab, wie sie den Medien erklärte. Stattdessen witzelte sie lieber über das Arbeitsklima: „Aber der Geist war insgesamt gut. Sehr kooperativ.“ Es war ein Wortspiel mit einer Frage eines Journalisten nach dem vermuteten gemeinsamen Genuss von alkoholischem Himbeergeist im Kabinett, der offenbar schon bei einer früheren Meseberg-Klausur für gute Stimmung gesorgt haben soll. Zumindest dieses Mal soll es keine solche Himbeergeistrunde gegeben haben.
Das schon dritte schwarz-rote Regierungsbündnis der Bundeskanzlerin Merkel hatte im Koalitionsvertrag bereits eingeräumt, dass Deutschland mit der Politik von CDU/CSU und SPD seine offiziellen Klimaziele für 2020 nicht erreichen werde. Dafür wollen die Regierungspartner eine viel ehrgeizigere Zielsetzung für 2030 in Angriff nehmen, die zu einem 65-Prozent-Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung führen soll. Und Gesetze und Fördermaßnahmen beschließen, um die Lücke zwischen klimapolitischer Realität und klimapolitischer Zielsetzungen für 2020 so weit wie möglich noch zu schließen. Hierzu gehören beispielswiese die nun geplante Festlegung eines Enddatums für die Kohlenutzung zur Energieversorgung – aber auch im Koalitionsvertrag angekündigte zusätzliche Sonderausschreibungen ab 2019 für Sonnen- und Windenergieprojekte an Land oder bei Windkraft auch auf See.
Bisher schon allerdings birgt die klimapolitische Agenda des Koalitionsvertrages die Gefahr, dass Schwarz-Rot so die wichtigen Maßnahmen wie den Kohleausstieg und die Beschleunigung des Erneuerbare-Energien-Ausbaus auf die lange Bank schiebt.
Denn zunächst soll in diesem Jahr ohnehin erst eine Kommission namens „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ sich auf einen Kohleausstiegsplan einigen und ihn als Vorschlag der Regierung vorlegen. Die Mitglieder der Kommission sollen erarbeiten, wie sich der Ausstieg aus der Kohlekraftwerkswirtschaft so vollziehen lässt, dass die ihre Arbeitsplätze verlierenden Beschäftigten dieser Branche neue Arbeitsplätze finden können und dass die Regionen der Kraftwerke und der Rohstoffförderung ihre Wirtschaft auf neue stabile Füße stellen können.
Leider lässt die jetzt bekannt gewordene Zusammensetzung der Kommissionsleitung gewiss auch bei den letzten Optimisten keine Euphorie aufkommen. Ihr sollen nun gleich vier Minister vorstehen: Der für die Energiewende zuständige Wirtschaftsminister Peter Altmaier von der CDU, die Umweltministerin Svenja Schulze von der SPD, der Innen- und zugleich hier wohl angesichts zu erwartender Landschaftsveränderungen maßgebliche Heimatminister Horst Seehofer von der CSU und der Arbeitsminister Hubertus Heil von der SPD.
Abgesehen von der Personalie Seehofer, der als bayerischer Ministerpräsident schon mit dem Verweis auf Landschaftszerstörung die bundesweit strengsten Abstandsvorgaben für Windparks in der Nähe von Siedlungen durchgesetzt hat: Die Zusammensetzung lässt auf die Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner statt auf einen echten und dringend notwendigen Wurf tippen.
Zum einen dürfte hinter dieser Personalauswahl ein wichtiger zentraler machtpolitischer Kniff Angela Merkels stehen: Sie bringt die Mitglieder ihres Kabinetts so gegeneinander in Stellung, dass sie sich in ihren jeweiligen machtpolitischen Ambitionen gegenseitig neutralisieren. Ein allgemein beliebtes und historisch längst erprobtes Mittel der Machtarchitektur von Regierungen.
Doch inhaltlich könnte es darauf hinauslaufen, dass ein Formelkompromiss entsteht. Der würde dann darauf abzielen, dass die entscheidenden Entwicklungen wie der Kohlekraftausstieg erst nach Ende der jetzigen Regierungskoalition wirksam werden können. Und dann kann vor der nächsten Legislaturperiode der Wähler nochmals befragt werden – wobei Energiewendegegner im Wahlkampf wieder mit dem Versprechen einer Rücknahme der Formelkompromisse für sich Stimmung machen könnten.
Das ist zweifelsohne auch Spekulation. Allerdings illustriert das Statement der Umweltschutzorganisation WWF zur Zusammensetzung der Kommission, wie wenig die Energiewendeanhänger der Umsetzung der positiven Versprechungen aus dem Koalitionsvertrag vertrauen können oder wollen: „Jetzt müssen die vier Ministerien aber auch Verantwortung für den Klimaschutz übernehmen“, betont der Leiter Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland, Michael Schäfer, als sei gerade das unklar, worum es der Kommission laut Koalitionsvertrag ja eigentlich gehen soll. Und: „Gerade wenn viele Köche beteiligt sind, braucht es ein klares Rezept, also hier einen klaren Auftrag für die Kommission.“
Hallo Meseberg: Wo ist der? Es kommt nun darauf an: Bleibt es bei einer eher kleingeistigen Klima-Pflege des Koalitionsfriedens mit oder ohne Himbeergeist? Oder folgt ein echter klimapolitischer Aufschlag?
(Tilman Weber)