Ob ein flexibles Turmdesign, die massierte Einführung von Binnenlandanlagen oder ein jetzt viel leiserer Generator: Auf der Industriemesse in Hannover Ende April konnte Enercon auf eine Reihe schneller Erfolge der vor zwei bis drei Jahren gestarteten Umstellung von Produktion und Windturbinen-Entwicklung verweisen. „Unsere neue Plattformstrategie führt dazu, dass wir in Ergänzung der neuen 4,2-Megawatt-Anlage E-126 schneller zu neuen Produkten kommen. Vor zwei bis drei Jahren hatten wir angefangen, unsere Windenergieanlage neu zu durchdenken“, sagt dazu Enercon-Geschäftsführer Hans-Dieter Kettwig (siehe Interview).
So wird das Unternehmen die Einführung der neuen Binnenlandanlage E-141 mit 4,2 Megawatt (MW) schneller vorantreiben, als bisherige Anlagenneuheiten. Parallel zum für Ende 2016 geplanten Prototyp werde Enercon die wichtigen Antriebskomponenten in Testständen vortesten. „Das wird schneller als bei der E-101 gehen, dank unserer einmaligen Infrastruktur“, sagte in Hannover der Leiter für Technik und Innovation des Unternehmens, Michael Strobel.
Binnenland-Turbinen: Zunehmende Anpassung an branchenüblichen Kenndaten
Die Drei-MW-Anlage E-101 war die erste Binnenlandwindturbine der Auricher, die den Kunden an Standorten mit unstetem Wind eine regelmäßigere Stromernte ermöglichen soll. Dazu dienen die im Verhältnis zur Leistung relativ langen Rotorblätter. Allerdings blieben die 374 Watt pro Quadratmeter überstrichener Rotorfläche, die die Anlage bei Volllast einfahren muss, noch hinter den Kenndaten damals üblicher Schwachwindturbinen zurück. Zwei Jahre früher entwickelte Großrotoranlagen der Konkurrenz mussten nur noch rund 300 Watt pro Quadratmeter für die Volllast einfahren. 2014 errichtete Enercon die E-115 mit drei MW: 289 Watt pro Quadratmeter. 2015 kündigte Enercon die neue Anlagenplattform EP4 für Turbinen mit zunächst 4,2 MW Leistung an. Das erste Modell, die E-126 EP4, mit einem 127 Meter großen Rotor ist schon als Prototyp errichtet. Nummer zwei, E-141 EP4, soll zum Jahresende folgen. Sie wird mit 269 Watt pro Quadratmeter den branchenweiten Kennwerten neuester Binnenlandturbinen entsprechen – in der Leistungsklasse von mehr als drei bis über vier MW. Und sie wird den größten Rotor einer Windkraftanlage an Land tragen.
Doch in Hannover hatte Enercon auch Kataloge für zwei weitere leicht reformierte Turbinentypen mit: So gibt es auch in der neuen 2,35-MW-Plattform EP2 eine Binnenlandanlage: Die E-103 wird bei Volllast nur 282 Watt pro Quadratmeter überstrichener Rotorfläche einstreichen müssen. Dafür verkauft Enercon die E-115 auch als 3,2-MW-Anlage – und folgt dem neuen Branchen-Trend von Anlagenplattformen mit 3,2 bis 3,4 MW.
Modulare Komponentendesigns, modulare und zeitgleiche Forschung
Tatsächlich hatte Enercon an der Firmenzentrale im ostfriesischen Aurich vor zwei Jahren in ein Innovationszentrum mit Platz für 700 Ingenieure investiert und damit die gesamte Entwicklungsabteilung zusammengezogen. Für die Entwicklung modularer Anlagenbestandteile forschen diese hier nach immer neuen Halbautomatisierungs-Möglichkeiten und zergliedern die Windenergieanlagen in Gleichbauteile. Diese, so das Ziel, setzen sie im Nachhinein zu dann wieder verschiedenen Anlagen-Großkomponenten und Windturbinen zusammen.
Inzwischen hat Enercon auch ein Lärmproblem gelöst. Nach einiger Forschung und Fortentwicklung an der Generatorfertigung ist der je nach Baureihe zwischen rund 2 bis 5 Millimeter schmale Luftspalt zwischen drehendem und stehendem Teil des Generators nun gegen Vibrationen durch die großen Magnetkräfte gesichert. Ein Werbefilmchen verdeutlicht den Effekt: Auf einem in Volllast drehenden Drei-MW-Generator steht ein gefülltes Wasserglas. Die Wasseroberfläche bleibt fast gänzlich unbewegt. Allerdings drehen die Groß-Generatoren der getriebelosen Anlage nur mit maximal 15 Umdrehungen pro Minute.
Aufwändige Turmdesign-Prozesse abgeschafft?
Zu den Neuheiten zählt auch ein neues Konzept mit flexibel einsetzbaren Standardbauteilen für Betontürme. Es besteht aus einer Palette wenige Meter kurzer, verschieden breiter Zylinder- und konisch zulaufender Ringe. Damit lassen sich die Türme beliebig schnell von einem breiten Sockelradius verjüngen. Langwierige Neuauslegungen von Betonturmteilen für neue Anlagen fallen weg.
(Tilman Weber)
Lesen Sie hierzu auch das Interview mit Enercon-Chef Hans-Dieter Kettwig.