Sie haben damit begonnen, ihre Windturbine G128-5,0 Megawatt (MW) für Starkwindverhältnisse lizensieren zu lassen. Wie ist der Stand?
Wir sind auf dem Weg. Wir werden das Typenzertifikat sehr, sehr bald erhalten. Im Moment sind wir mit unserer Zertifizierungseinheit dabei, alles in Bezug auf die neuen Designs zu Teste – um dann diesen großen Rotor von 128 Metern durchmesser in die sehr hohe Windklasse 1 zu setzen: für Windgeschwindigkeiten von rund zehn Metern pro Sekunde.
An welche Standortregionen denken Sie für den Absatz dieser Maschine?
Wenn Sie auf die weltweite Windkarte schauen, wird klar, dass wir nach Mexiko, Schottland und in manche Gegenden Asiens sowie auch im Norden Afrikas gehen werden. Also: Da gibt es einen Markt.
Gab es irgendwelche speziellen Herausforderungen, die Sie bei der Entwicklung überwinden mussten?
Während der letzten zwei Jahre mussten wir unsere bisherige Mentalität in die eines Designers für neue Produkte als Bestandteile einer Plattform wandeln. Zuerst entwickelten wir eine Maschine für Niedrigwindstandorte – und dann gaben wir so genannte Kits, als Bauteilesets für Anlagenspezifikationen und Anlagenverstärkungen hinzu. Diese Kits können für alle spezifischen Standortbedingungen speziell ausgewählt werden. Für uns ist ein Starkwind-Standort der Windklasse 1 lediglich eine weitere Aufstellregion um Standardprodukte zu installieren. Wir nehmen da ein Kit verschiedener Hardware-Bauteile und setzen neue Algorithmen für die elektronsiche Steuerung der Anlage oben drauf, um die schon entwickelten spezifischen Anlagen für stärkere Winde zu ertüchtigen.
Meinen Sie mit Hardware nur neue Bauteile der elektronischen Steuerung?
Nein, nein. Ich rede von den kritischen physikalischen Lastkurven, die sich an den Komponenten messen lassen, von den Blattwurzeln, den Blattlagern, einem neuen Guss der Nabe, einer Verstärkung des Hauptrahmens und schließlich dem Azimut zum Ausrichten der Gondel – der Azimut könnte aus einem anderen Material bestehen, das stärker, widerstansfähiger als das bisherige ist.
Wann starteten Sie mit der Entwicklung dieser alternativen Bauteile: Nach der Entwicklung der G128-4.5 als Uranlage?
Ja, genau. Denn die 4.5 war die Anfangsentwicklung – und nun leiten wir daraus all die Plattformturbinen ab für unsere Anlagen mit 4,5 und 5,0 Megawatt – ob nun für Onshore- oder Offshore-Standorte. Und das Ende dieser Plattformentwicklung wird unsere Windklasse-1-Anlage sein mit dem 128-Meter-Rotor. Zugleich werden wir für die Windklasse 2 und Windklasse 3 jeweils noch einen größeren Rotor bereitstellen.
Ist es also keine besondere Herausforderung für die Anlagensteuerung eine Anlage mit einer so großen Leistung – wie sie bisher nur auf See üblich ist – auch an Landstandorten mit zusätzlichen landeigenen Luftturbulenzen zu errichten? Diese Luftturbulenzen werden ja bei diesen langen Blättern wichtig, die je nach Turmhöhe dem Boden sehr nahe kommen werden.
Das Problem, das unsere Konkurrenten mit den Turbulenzen haben, vermeidet Gamesa. Denn wir haben eine spezielle intelligente Steuerung, die kontinuierlich die Spannungen in den Rotorblättern misst – und daraufhin die Aktuatoren der Blattverstellmotoren genau so steuert, dass die Lastpegel an den kritischen Stellen bis hinunter zum Fundament sinken. Diese individuelle Einzelblattverstellung ermöglicht es uns, die ganzen Spannungen, die ganzen Lasten zu reduzieren,
Sie praktizieren diese Lastkontrolle lediglich auf Grundlage der gemessenen Lasten – oder haben Sie irgendeine Software, die eine ideale Fahrweise der Anlage simuliert – und sie permanent mit der echten Fahrweise abgleicht? Eine Methode, die in der Branche ebenfalls mitunter im Gespräch ist …
Nein, Was wir machen ist dies: Nachdem wir den Prototyp der ersten 4.5-MW-Anlage installiert hatten, gewannen wir eine Menge von Datensätzen. Daher haben wir nun viel Wissen darüber, was in der Blattwurzel vor sich geht. Das gilt in Bezug auf die guten Windverhältnisse und auf die Lasten in allen Abschnitten der Anlage, für die wir die kritischen Lasten als so genannter Critical Load Path abgebildet haben: Im Hauptrahmen, im Getriebe, im Pitch-System, in den Komponenten des Azimut … Also ist nun alles bezogen auf die Beachtung der Lastmessungen an der Blattwurzel. Noch einmal: Wir messen diese Lasten kontinuierlich an den Blattwurzeln und stellen die Blätter dann jeweils einzeln in Bezug auf die Stellung der Gondel durch den Azimut.
Wie konnten Sie zugleich eine Maschine für Landnutzung als auch eine für Offshore-Standorte aus einer Plattform heraus entwickeln?
Unsere Philosophie ist hier anders als die unserer Wettbewerber. Für uns sind Meeres-Verhältnisse nur eine weitere Herausforderung durch die Umwelt, aber keine spezifisch andere. In derselben Art und Weise, wie wir unsere Turbine für große Höhenlagen, für niedrige Temperaturen oder sehr staubige Umgebungen adaptieren, in derselben Art und Weise bereiten wir die Kits – die Bauteilsätze für die Offshore-Nutzung vor. Die Versiegelung für die Offshore-Anlagen ist beispielsweise eine ganz andere, als die der Onshore-Turbinen: Die Nabe hat eine ganz andere Außenhaut, das Getriebe beispielsweise auch. Innerhalb der Offshore-Anlage haben wir eine Klimaanlagen-Einheit, die einen anderen Luftdruck im Turbineninnern erzeugt, eine andere Luftfeuchtigkeit als im Außenbereich. Wir setzen natürlich Redundanzen ein, halten für eine bessere Verfügbarkeit der Anlage einzelne Bauteile doppelt vor, die sich beim Ausfall einer Komponente ersatzweise ansteuern lassen.
… was zum Standard heutiger Offshore-Turbinen gehört. Ich fragte bereits nach der Entfernung der unteren Rotorblattspitze zum Boden. Für Starkwindanlagen benötigen Sie keine so hohen Türme. Nehmen Sie dann aber zum Beispiel den für die neue Anlage ebenfalls angebotenen Gamesa-Windturm mit 81 Metern Höhe, dann ist nur noch extrem wenig Raum bis nach unten …
Sie wissen: Die physikalische Regel für diese Distanz ist mindestens ein Drittel der Blattlänge. Genau dort sind wir hier. 81 Meter Turm minus 62 Meter Blattlänge sind 19 Meter. Sie sagen, da ist nicht mehr viel Luft. Das macht nichts, da wir diese Einzelblattsteuerung haben.
Also keine Herausforderung?
Nicht für Gamesa (lacht). Nein, Spaß beiseitet: Wir haben viel Geld in dieses Wissen investiert. Und wir sind für diese Arbeit zertifiziert worden. Der 81-Meter-Turm ist auch schon zertifiziert und im vierten Quartal dieses Jahres wird die neue Windklasse-1-Anlage auch für diesen Turm zugelassen sein.
Der Generator wird weiterhin eine vielpolige Version mit Permanentmagneten sein – wie schon der in der G128-4.5: Deren Generator hat 24 Magnetpole, um die nur mittelschnelle Rotation eines nur zweistufigen Getriebes zuzulassen.
Ja. Aber anders als die frühere G128-4.5 können wir die neuen Anlagen nun mit sechs unabhängigen oder auch mit vier unabhängigen Generator-Segmenten betreiben. Die bisherige Generator-Version war mit sechs Systemen ausgestattet. Nun können wir wählen – wir können damit den Antrieb optimieren. Denn die Herausforderung, um den Lebenszyklus des kompletten elektrischen Systems zu managen, liegt im Antrieb, nicht im Generator. Manchmal ist es für den Antrieb einfacher in sechs Systemen zu laufen und manchmal einfacher in vier Systemen. Das hat auch mit der Erfüllung der Netzrichtlinien zu tun.
Das Gespräch führte Tilman Weber auf der EWEA 2014 in Barcelona. Lesen Sie mehr zu den neuen Starkwind-Turbinen in unserem Mai-Magazin!