Nicole Weinhold
“Dieter Hundt: Die Energiewende ist gescheitert – zurück zur Kernenergie?“ Das war gestern eine Schlagzeile auf dem Online-Portal des Monatsmagazins „Tichys Einblick“. Wer die Beiden kennt, hätte von Hundt und Tichy nichts anderes erwartet. Ersterer war bis 2013 Arbeitgeberpräsident. Und Roland Tichy war lange Chef der Wochenzeitung Wirtschaftswoche. Zunächst einmal trauern die beiden alten Hasen der guten alten Automobilindustrie hinterher. Hundt glaubt dabei nicht, dass die Elektromobilität bis 2030 einen größeren Anteil an der Mobilität haben wird, weist aber zu REcht darauf hin, dass Deutschland den Einstieg in die Technik verschlafen hat.
Förderung von E-Mobilität
Beide beklagen die Subventionswirtschaft, das heißt die Förderung der E-Mobilität. Dass die E-Mobilität nun zur Verlagerung der Automobilindustrie ins Ausland führe, wie Hundt erklärt, ist ein schwieriges Argument, ist diese doch längst in alle Billigproduktionsländer abgewandert. Und: Dadurch dass Deutschlands Autoindustrie erst sehr spät angefangen hat, sich ernsthaft mit alternativen Antrieben zu beschäftigen, sind wesentlich mehr Arbeitsplätze gefährdet. Denn nun gibt es Unternehmen wie Tesla, die technisch einige Jahre Vorsprung genießen, und Firmen wie BYD in China, die längst E-Mobilität in Massen produzieren. Kann man sich gegen diese behaupten – wenn man erstmal akzeptiert, dass die Mobilitätswende sich nicht abwenden lässt?
"Energiewende war Fehler"
Nach der Mobilität nehmen sich die beiden alten Herren die Energiewende aus Sicht des Strommarktes vor. „Die Energiewende war aus Sicht der Entwicklung der deutschen Industrie mit Sicherheit ein Fehler“, so Hundt. Sie sei für viel zu hohe Strompreise verantwortlich. Ein Standortnachteil, findet er. Große Industrieunternehmen sind längst schlauer. Gerade auf der E-World in Essen hat mir der Vertreter eines großen Unternehmens erklärt, die erneuerbaren Energien – inzwischen super günstig und wettbewerbsfähig – würden dafür sorgen, dass Deutschland einen riesigen Standortvorteil bei der Industrieansiedelung erhält.
Renaissance der Atomkraft heraufbeschworen
Hundt hat offenbar die Lernkurve der Erneuerbaren nicht im Blick. Anders ist es nicht zu erklären, dass er die Renaissance der Atomkraft heraufbeschwört. Immerhin: begriffen hat er, dass wir viel Strom benötigen - zum Beispiel für die Mobilitätswende. Die Brennstoffzelle verlangt nach viel Wasserstoff. „Wir sollten unsere ideologischen Einstellungen hinsichtlich der Kernenergie überdenken“, stellt er dazu fest. Allein mit Wind und Sonne könne man das nicht.
Künstlich gedeckelt: Wind und Solar
Nun ja, solange beide Technologien von der Regierung künstlich gedeckelt werden, ist es schwierig, das stimmt. Ansonsten läuft Deutschland gerade auf die 50 Prozent Regenerativstrom zu. Die Industrien dahinter, Windturbinenhersteller und Solarhersteller, haben hierzulande schon zusammen mehr als 100.000 Arbeitsplätze verloren, weil die Regierung auf der Bremse steht. Das scheint einem ehemaligen Arbeitgeberchef aber nicht so bedeutend zu sein. So oder so, die die Atomkraft ist längst als viel zu teuer erkannt. Projekte wie Hinkley Point C in Großbritannien machen das deutlich. 21,5 bis 22,5 Milliarden Pfund soll das AKW am Ende kosten. Und selbst die Franzosen verabschieden sich von der Atomkraft. Die Abschaltung alter Meiler wurde gerade durch den ersten Reaktor in Fessenheim eingeleitet.
Alte Ideologien und fehlendes Wissen
Fest steht: Solange die alten Ideologien gepaart mit fehlendem Wissen in der Medienlandschaft herumkreisen, ist das ein deutliches Zeichen dafür, dass die Bundesregierung die Kommunikation zum Thema Energiewende verbessern muss. Inwiefern vielleicht auch wirtschaftliche Interessen mit solchen Diskussionen verbunden sind, ist schwer auszumachen. Gerade wies uns ein Leser im Zusammenhang mit der Frage, wo die Motivation liegt bei den Energiewendebremsern auf Vernunftkraft hin. Der Verein geht bekanntermaßen gegen die Windkraft auf die Barrikaden. Aber es ist nicht klar, welche treibenden Kräfte dort im Hintergrund agieren.