Die Luftfahrtbranche ist mit Blick auf den Klimawandel ein großer Teil des Problems. Denn sie ist nicht so leicht zu elektrifizieren wie der Straßenverkehr. Als Hoffnungsträger für mehr Nachhaltigkeit in der Luftfahrt gilt der Umstieg von fossilem Kerosin auf synthetische Treibstoffe auf Wasserstoffbasis, die mit Ökostrom hergestellt werden. Dieser Umstieg steht noch ganz am Anfang.
Kohlendioxid aus der Luft filtern
Doch das norwegische Industriekonsortium Norsk E-Fuel, das sich auf die Industrialisierung von Power-to-Liquid-Technologien konzentriert, will hier einen großen Schritt vorankommen. Denn zusammen mit anderen Projektpartnern baut es in Norwegen eine kommerzielle Anlage zur Produktion von wassersoffbasierten erneuerbaren Flugkraftstoff. Als Technologie wird hier ein einstufiger Co-Elektrolyseprozess zum Einsatz kommen, den Sunfire, ein Dresdner Unternehmen, das sich auf die Entwicklung von sogenannten Power-to-Liquid- und Power-to-Gas-Lösungen, zusammen mit Climeworks entwickelt hat. Climeworks mit Hauptsitz in Zürich hat eine Technologie entwickelt, mit der Kohlendioxid aus der Umgebungsluft gefiltert wird.
Strom kommt aus Wind- und Wasserkraft
Denn die Elektrolyse, wie sie für die Anlagen in Norwegen vorgesehen ist, trennt nicht nur Wasser mit Hilfe von Ökostrom, sondern erzeugt aus dem so produzierten Wasserstoff zusammen mit Kohlendioxid aus der Umgebungsluft ein Synthesegas. Das wiederum ist eine Mischung aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Diese Gas wird in der Anlage weiter synthetisiert und raffiniert. Die Endprodukte sind erneuerbare Kraftstoffe, so unter anderem auch ein synthetisches Kerosin, das direkt in Flugzeugen eingesetzt werden kann. Der gesamte Prozess wird ausschließlich mit dem üppig vorhandenen Strom aus norwegischen Wind- und Wasserkraftwerken angetrieben.
Bis zu 100 Millionen Liter Treibstoff
Die Anlage soll in einem Industriepark auf Herøya, einer Halbinsel im Südosten Norwegens, entstehen. Die Baugenehmigung liegt schon vor und die Planung ist in vollem Gange. Im Jahr 2023 soll die Produktion von erneuerbarem Kraftstoff starten. Zu Beginn wird die erste Anlage auf eine Produktionskapazität von zehn Millionen Litern erneuerbaren Kraftstoff pro Jahr getrimmt. Anschließend baut Norsk E-Fuel bis 2026 die Anlage auf eine Kapazität von 100 Millionen Liter pro Jahr aus.
Aufskalierung geplant
Unter anderem aus diesem Grund hat sich das Konsortium für den Standort auf Herøya entschieden. Denn er bietet neben einer bestehenden Infrastruktur auch viel Platz für einen weiteren Ausbau. Wenn die bis 2026 geplanten Anlagen laufen, will Norsk E-Fuel weitere Produktionsanlagen bauen und hält schon Ausschau nach neuen Standorten. Dabei sollen die Baupläne der ersten Großanlagen genutzt werden, um damit die landesweite Markteinführung voranzutreiben. „Denn das Potenzial dieses Projektes ist überragend“, betont Christoph Gebald, Geschäftsführer von Climeworks. „Norsk E-Fuel ermöglicht die Bereitstellung von erneuerbaren Kraftstoffen in einem nie dagewesenen Umfang. Das ist entscheidend, wenn wir den globalen Transport wirklich nachhaltig gestalten wollen.“
Bilanziell CO2-neutral
Schließlich kann der Kraftstoff aus einer einzigen Anlage zur Synthese von erneuerbarem Kerosin im industriellen Maßstab genug Kraftstoff herstellen, um den Flugbetrieb auf den fünf wichtigsten norwegischen Inlandsflugrouten komplett zu dekarbonisieren – zumindest bilanziell, wie Helge Helvig, Gründer des Windkraftinvestors Valinor und Vorsitzender des norwegischen Windkraftprojektierers Norsk Vind, vorrechnet. „Dies würde die derzeitigen Flugemissionen zwischen den Städten um etwa 50 Prozent senken“, sagt er.
Klar ist, auch synthetisches Kerosin verbrennt größtenteils zu Wasser und Kohlendioxid. Dazu kommen noch Stickoxide und andere Schadstoffe. Da das Treibhausgas Kohlendioxid für die Herstellung aber der Umgebungsluft entzogen wird, und der Herstellungsprozess ausschließlich mit Ökostrom läuft, geht die Nutzung von synthetischem Kerosin aus den Anlagen von Norsk E-Fuel als klimaneutral in die Gesamtrechnung ein.
Flugverkehr reduzieren
Der Umstieg auf den mit der Technologie von Sunfire und Climeworks hergestellten Treibstoffs ersetzt aber nicht die Notwendigkeit, den Flugverkehr insgesamt zu reduzieren – oder andere Antriebe zu nutzen. Denn auch den weiteren Luftschadstoffen und auch dem Wasserdampf, wenn er in den oberen Schichten der Atmosphäre ausgestoßen wird, wird ebenfalls eine Wirkung auf den Treibhauseffekt der Erde nachgesagt.