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Bioenergie Erfahrungsbericht EEG2009

Röttgen baut beim Biogas um

_erfahrungsbericht eeg biogasDie neue Richtung: Das EEG2009 war die Epoche des Zubaus kleiner Biogasanlagen. Es zeichnet sich ab, dass das EEG2012 vermehrt mittlere und große Biogasanlagen fördern wird. Foto: MT-Energie GmbH

Die nächsten Monate bis zur Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) werden für die Biogasbranche ein hartes Stück politische Arbeit. Zumal sie nicht mit einer Stimme spricht. Der Fachverband Biogas brachte in einer ersten Stellungnahme zum Entwurf des Erfahrungsberichts EEG2009, den Bundesumweltminister Röttgen am 6. Mai in Form einer Zusammenfassung vorstellte, mannigfach Enttäuschung zum Ausdruck. Eine davon: Das Bundesumweltministerium (BMU) habe sich nicht an seine mündliche Zusage an die Branche gehalten, auch für Biogasanlagen, die im EEG-System verbleiben wollen, die Kapazitätsprämie vorzusehen.

Markt- und Kapazitätsprämie in Sicht
Damit angesprochen sind gleich zwei neue Konstrukte, die das nächste EEG für Biogas bringen soll. Eine Kapazitätsprämie in Höhe von 130 Euro pro zusätzlich installierte Leistung und Jahr für zehn Jahre mit dem Ziel, die Stromproduktion aus Biogas durch den Aufbau von Speicherkapazität um bis zu 12 Stunden verschieben zu können. Der Fachverband begrüßt zwar die Einführung einer Kapazitätsprämie, entspricht sie doch dem, was der Verband in den vergangenen Wochen im Zuge der Energiedebatte für Biogas im zukünftigen Energiemix immer wieder reklamierte. Dass Biogas die wichtige Aufgabe erfüllen könne Regelenergie zu sein in seinem Energiesystem, das vermehrt auf den unsteten Quellen Wind und Sonne basiert. Doch lehnt er ab, dass der Kapazitätsbonus an die Marktprämie geknüpft sein soll, wie es der Entwurf zum Erfahrungsbericht vorsieht. Das ist nur konsequent. Denn die Einführung einer Marktprämie für Strom aus Biogas wird vom Fachverband mehr als kritisch gesehen (Lesen Sie dazu mehr im neuen Newsletter pro 5 von ERNEUERBARE ENERGIEN).

Der Biogasrat e.V. dagegen plädiert für die Einführung einer verbindlichen Marktprämie für Strom aus Biogas und Methan und nicht nur eine optionale, wie es der Entwurf des Erfahrungsberichts EEG2009 empfiehlt. Der Biogasrat legte in dieser Woche eine Studie vor, die seine Vorstellungen über die zukünftige Biogasförderung beschreibt (Lesen Sie dazu mehr im neuen Newsletter pro 5 von ERNEUERBAREN ENERGIEN).

Breitseiten vom NABU
Breitseiten aus Sicht von Biogas schießen die Naturschutzverbände und die Veredelungswirtschaft. Die Naturschutzverbände beklagen die Vermaisung der Landschaft und damit verbunden eine Ausbreitung von Monokulturen durch den Anbau von Energiepflanzen, die Veredelungswirtschaft eine Konkurrenz um Wirtschaftsfläche durch den Ausbau von Biogas, für sie voran der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich Sander, mittlerweile auch der bayerische Landwirtschaftsminister Helmut Brunner sowie Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner und Bundesumweltminister Röttgen als Speerspitze. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) begrüßt, dass Mais und Getreidekorn bei Biogas zur Stromproduktion künftig auf 60 Prozent begrenzt werden soll. Die Bundesregierung habe erkannt, dass die Grenzen des Wachstums beim Maisanbau erreicht sind, äußerte sich NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller zum Eckpunktepapier des BMU. Für den NABU wird Biogas die wichtige Aufgabe in Zukunft als Regelenergie zuteil, um ausgleichen zu können im neuen Energiemix, der auf Wind und Solar basieren soll (Lesen Sie ‚Schlingerkurs beim Biogas’, Newsletter pro 5 ERNEUERBARE ENERGIEN).

Reduktion der Förderung um bis zu 20 Prozent
Der Entwurf des Erfahrungsberichts spricht davon, dass das EEG2009 zu einer deutlichen Überförderung von kleinen Biogasanlagen geführt habe. Diese seien neben der Photovoltaik die Treiber für die Erhöhung der EEG-Differenzkosten und damit der EEG-Umlage gewesen. Der Entwurf schlägt eine Korrektur bei der Förderung vor. Das Vergütungssystem soll vier leistungsbezogene Anlagenkategorien beinhalten mit Grundvergütungen von sechs bis 14,3 Cent pro Kilowattstunde.

Konkret: Für Anlagen mit einem Leistungsäquivalent bis 150 Kilowatt elektrisch eine Grundvergütung von 14,3 Cent, für Anlagen bis 500 Kilowatt 12,3 Cent, für Anlagen bis fünf Megawatt 11 Cent und für Anlagen bis 20 Megawatt elektrische Leistung sechs Cent für jede Kilowattstunde Strom. Hinzu kommen zwei mögliche Zusatzzahlungen über zwei Rohstoffvergütungsklassen, die zusätzlich zur Grundvergütung gezahlt werden, wenn ein Betreiber Rohstoffe aus diesen Klassen zur Erzeugung von Biogas zur Verstromung einsetzt. In die Rohstoffvergütungsklasse I fallen Getreideganzpflanzen und –silage, sowie Mais und Maissilage. Der Bonus, der über diese Klasse erzielt werden kann, beträgt sechs Cent pro Kilowattstunde. Die Rohstoffklasse II wird mit acht zusätzlichen Cent pro Kilowattstunde vergütet. In diese Klasse fallen unter anderem Gülle, Gras aus der Grünlandpflege, Kleegras, Luzernegras sowie Sommer- und Winterzwischenfrüchte. Folglich setzt sich in Zukunft die Biogasvergütung aus zwei Bestandteilen zusammen: Der Grundvergütung und einer möglichen Zusatzvergütung über Material aus den Rohstoffklassen. Die Berechnung der Zusatzvergütung erfolgt anhand des relativen Beitrags der einzelnen Rohstoffe zum erzeugten Biogas.


Die drei möglichen Vergütungen zusammengezogen (Grundvergütung, Mix aus Vergütung nach Rohstoffklasse I und II), wird sich laut Entwurf des Erfahrungsberichts die durchschnittliche Vergütung für Strom aus Biogas wie folgt darstellen. Laut Bericht hat das EEG2009 für Biogasanlagen bis 150 Kilowatt elektrisch inklusive Boni durchschnittlich zu 25 Cent pro Kilowattstunde Strom geführt. Eine neue Regelung gemäß Vorschlag des Berichts würde zu einer durchschnittlichen Vergütung von 20,46 Cent pro Kilowattstunde führen. Das wäre eine Reduktion um durchschnittlich fast 20 Prozent. Das ist ein noch höherer Reduktionswert als in der Zusammenfassung von Röttgen beschrieben. Der spricht von der Absenkung des Vergütungsniveaus im Schnitt um zehn bis 15 Prozent.

Justierungen
Für Biogasanlagen bis 500 Kilowatt elektrisch, nach dem EEG2009 mit durchschnittlich 19,43 Cent pro Kilowattstunde vergütet, würde nach der neuen Struktur die Vergütung durchschnittlich 18,94 Cent betragen. Im Erfahrungsbericht heißt es, dass mit der neuen Vergütungsstruktur „ein ausgewogener Zubau an Anlagen im kleinen, mittleren und größeren Leistungsspektrum“ erreicht werden soll. Da das EEG2009 gemäß Bericht insbesondere den Zubau von kleinen Biogasanlagen führte, sind wohl jetzt mit dem EEG2012 mittlere und größere Biogasanlagen bevorzugt dran. Auch, da mittlerweile eine öffentliche grundsätzliche Kostendebatte um das EEG seit Monaten geführt wird. Der Bericht schreibt: „Ein stärkerer Zubau von mittleren und großen Anlagen bewirkt eine Absenkung der durchschnittlichen EEG-Vergütung pro Kilowattstunde.“ Außerdem will die Bundesregierung die Fehlentwicklungen beim Güllebonus korrigieren, in dem sie für Altanlagen eine Halbierung des Güllebonus anstrebt, die vor 2009 in Betrieb gingen und den Güllebonus erst mit dem EEG2009 nachträglich bekamen. Hier kommt der Erfahrungsbericht zum Ergebnis, dass es hier Mitnahmeeffekte gegeben habe.

Vergütung für Gas aus biogenen Reststoffen und Aufbereitung zu Biomethan
Die in den vergangenen Monaten geführte Debatte über den vermehrten Einsatz von biogenen Reststoffen zur Biogaserzeugung (ERNEUERBARE ENERGIEN 12/2010, 3/2011, 5/2011) findet einen Widerhall in Vorschlägen zur Vergütung solchen Stroms in Höhe von 16 Cent pro Kilowattstunde für die Anlagen bis 150 Kilowatt und bis 500 Kilowatt elektrische Leistung sowie 14 Cent für die beiden Anlagenklassen bis fünf Megawatt und 20 Megawatt elektrische Leistung. Außerdem vorgesehen ist eine Vergütung bei Einspeisung von aufbereitetem Biogas als Biomethan ins Erdgasnetz. Dieser ist abrufbar unabhängig vom eingesetzten Rohstoff und zwar zwei Cent pro Kilowattstunde elektrisch für Anlagen, die bis 700 Normkubikmeter pro Stunde (Nm3/h) einspeisen und ein Cent pro Kilowattstunde für Anlagen bis 1.400 Nm3/h.

Bipolare Biogaswelt
Der Fachverband Biogas kritisiert die mögliche Kappung des Güllebonus auf 50 Prozent rückwirkend für Anlagen, die diesen jetzt in Anspruch nehmen, als Eingriff in den Bestand. Ein solcher Eingriff in den Bestandsschutz sei mit dem Fachverband Biogas nicht zu machen. Der Biogasrat hingegen hat sich mehr Mut zu Marktfreiheit versprochen. In einer am Dienstag dieser Woche vorgelegten Studie hat der Biogasrat in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Biomasse Forschungszentrum (DBFZ) und dem Lehrstuhl für Energiewirtschaft der Universität Duisburg-Essen ein verbindliches Marktprämienmodell vorgestellt, nach dem die Mehrkosten der Stromerzeugung aus Biogas gegenüber der konventionellen Stromerzeugung durch eine einheitliche Marktprämie erstattet werden und die übrigen Kosten sowie der Gewinn durch Teilnahme am Strommarkt erwirtschaftet werden muss. Damit plädiert der Biogasrat nicht wie die Bundesregierung für ein paralleles System aus EEG-Förderung und Marktprämie im Falle von Selbstvermarktung des selbst erzeugten Stroms aus Biogas, sondern für die Herausnahme von Biogas aus dem EEG-System und den Ersatz durch eine Marktprämie. Der Biogasrat sieht in der Zusammenfassung des BMU „zu wenig Mut zum Markt“. „Wir brauchen die Chancen und Risiken einer vollen Marktteilnahme, um alle Effizienzreserven zu heben und das System auf Dauer billiger zu machen“, fordert Reinhard Schulz, Geschäftsführer des Biogasrat.
Die Studie des Rats sagt, dass eine optionale Marktprämie unterm Strich das System verteuern würde statt es zu vergünstigen. Denn die Biogasanlagenbetreiber würden je nach Lage monatlich in das System wechseln können, das ihnen höhere Verdienste verspricht. Mitautor Christoph Weber von der Uni Duisburg-Essen spricht von „Rosinenpicken“.

Kosteneffizienz nicht das einzige Kriterium
Der Fachverband Biogas warnt seit März vor der Einführung einer Marktprämie überhaupt. Sie werde Energieversorger begünstigen, die sich mit dem Stromhandel auskennten, kleine Biogasanlagenbetreiber wären im Nachteil. Zur Effizienzsteigerung der Vergütung von Biogas, die von Seiten der Bundesregierung jetzt offenbar darin zu erreichen gesehen wird, vermehrt mittlere und größere Biogasanlagen zu fördern, kommt dem Biogasrat zupass, der die industrielle Biogasproduktion in Deutschland repräsentiert, aber sie geht diesem noch nicht weit genug. Der Fachverband mahnt: Die Kosteneffizienz sei nicht das einzige Kriterium beim Umbau der Energieversorgung, schreibt der Fachverband in seiner ersten Stellungnahme zum Entwurf des Erfahrungsberichts EEG2009. Kleinere Biogasanlagen hätten zwar höhere Kosten als Großanlagen. Doch es gehe auch um die Akzeptanz von Biogas in der Bevölkerung. Sehr große Anlagen stießen bei den Anwohnern auf deutlichen Widerstand. Man darf auf die nächsten Wochen und Monate gespannt sein. Die Diskussion um die Novelle des EEG2012 für die Vergütung von Biogas ist spätestens seit letzter Woche voll eröffnet. (Dittmar Koop)