Mehrheitlich hat der Bundesrat die Kürzung der Solarstromförderung vorerst gebremst. Nach Informationen der Deutschen Presseagentur gab es für die Novelle gerade mal 21 der 69 Stimmen in der Länderkammer. Das wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Offizielle wurde aber nur eine einfache Mehrheit festgestellt.
Doch ganz gleich mit wie vielen Stimmen das Gesetz abgelehnt wurde, Thüringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD) freut sich. „Das ist ein Sieg der Vernunft und gibt uns die Chance, das Gesetzespaket in wesentlichen Punkten noch einmal nachzuverhandeln“, sagt er. Das Gesetz kommt jetzt in den Vermittlungsausschuss, wo Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) wohl einige Kompromiss eingehen muss. „Die heutige Abstimmung im Bundesrat ist ein wichtiger Etappensieg für den Erfolg der Energiewende in Deutschland“, kommentiert Eveline Lemke (B90/Grüne), Wirtschaftsministerin von Rheinland-Pfalz, die Entscheidung. „Jetzt ist klar: Der Merkel-Rösler-Röttgen-Murks muss korrigiert werden. Die vom Bundestag beschlossene Kappung der Solarförderung wird es so nicht geben. Das ist eine gute Nachricht für die Energiewende, für den Mittelstand, für Arbeitsplätze in Deutschland und für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft“, so Lemke. Damit besteht wieder Hoffnung für die deutsche Solarbranche, die in den letzten Monaten immer wieder ins Strudeln gekommen ist. Das ist auch der Grund, weshalb sich vor allem Sachsen-Anhalt und Thüringen gegen die Pläne von Röttgen und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) gestellt haben. Schließlich sind dort die großen Produktionsstandorte der deutschen Photovoltaikindustrie.
Mit dem Rücken zur Wand
Die Ländervertreter kritisieren vor allem, dass ihnen die Bundesregierung bei der geplanten Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) nicht genug entgegengekommen ist. So fordert Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, ein Begleitszenario für die Photovoltaikunternehmen, die immer mehr mit dem Rücken zur Wand stehen. Unter anderem müsse es Korrekturen bei den geplanten Fristen geben, erklärt Haseloff. Neben der Billigkonkurrenz aus Ostasien machte es schon die reine Ankündigung einer Förderungskürzung den einheimischen Produzenten und Projektentwicklern immer schwerer, auf dem Markt zu bestehen. „Es sind viele, viele tausend Arbeitsplätze davon abhängig“, sagt Haseloff mit Blick auf die Photovoltaikförderung. „Wir brauchen bessere Regelungen im Bereich der Freiflächen,“ erklärt Jürgen Trittin, Fraktionsvorsitzender von B90/Grüne im Bundestag, im Vorfeld der Entscheidung. „Denn das ist das Geschäft, wo es einen internationalen Markt gibt und wenn dieser Markt in Deutschland nicht mehr existiert, dann können all die Projektentwickler, die zur Zeit in Deutschland davon leben, nicht mehr davon leben.“
Jetzt schnell nachbessern
In der Branche ist man erwartungsgemäß froh über die Entscheidung. Der Bundesverband für Solarwirtschaft (BSW-Solar) sieht sich in seinen Forderungen bestärkt, die Förderung der Photovoltaik weniger stark zurückzufahren. „Ein Entschärfen der überzogenen Förderkürzung ist unverzichtbar, um zehntausende Arbeitsplätze in Industrie, Handel und Handwerk zu retten“, sagt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW-Solar. Die Branchenvertretung fordert vor allem, im Segment der Anlagen zwischen zehn und 100 Kilowatt weniger stark zu kürzen. Statt wie vorgesehen die Einspeisevergütung von 24 auf 16,5 Cent pro Kilowattstunde zu kürzen, plädiert der Branchenverband dafür, zunächst nur auf 18,5 Cent pro Kilowattstunde zu senken.
Auch die Begrenzung der Förderung auf 90 Prozent des erzeugten Stroms ist für die Branche eine versteckte weitere Vergütungsabsenkung. „Gleichzeitig erhöht es das Investitionsrisiko, da der Eigenverbrauch von Solarstrom oder eine Direktvermarktung hier im Regelfall nicht möglich ist“, heißt es in einer Stellungnahme des BSW-Solar. Auch das Branchennetzwerk Solarregion Berlin-Brandenburg sieht im Vermittlungsausschuss eine Chance für die deutsche Photovoltaikbranche. „Wir hoffen, dass die Politik die gravierenden Schwächen der beschlossenen Förderkürzung erkennt und einzelne Punkte mildert“, erklärt Thoralf Schapke, Geschäftsführer der Solarregion Berlin-Brandenburg. Gleichzeitig drängt man aber auf Tempo. „Zur akuten Schadensbegrenzung muss jetzt schnell nachgebessert werden“, so Carsten Körnig. „Unsere Unternehmen brauchen jetzt mehr denn je langfristige Planungssicherheit, um wieder mit mehr Optimismus in die Zukunft schauen zu können“, ergänzt Thoral Schapke. „Derzeit befindet sich die gesamte Branche durch die anhaltenden Diskussionen in einer Art Wartestellung, die aufgebrochen werden muss.“
FDP sucht Schuld bei Röttgen
Zwar hat die Bundesregierung gestern Abend nochmals versucht, die Ablehnungsfront aufzubrechen und die CDU-Ministerpräsidenten auf Linie zu bringen, doch ist dieser Versuch gescheitert. Der Koalitionspartner FDP gibt dementsprechend auch Röttgen die Schuld am jetzigen vorläufigen Scheitern der Novelle. „Es gibt große Verärgerung über Röttgen, weil er nicht in der Lage ist, seine Position durchzusetzen“, sagte ein Vertreter der FDP gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. „Dies zeigt, wie wenig er Einfluss hat.“ Rückendeckung bekommt Röttgen, der jetzt zwischen den Stühlen sitzt, von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). „Dahinter steht die Bundesregierung und nicht nur ein Bundesminister“, erklärt der Regierungssprecher Steffen Seibert. Hier spielt wohl auch der Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen eine Rolle. Immerhin stehen sich dort FDP und CDU auch als Konkurrenten gegenüber, die FDP kämpft um den Wiedereinzug ins Landesparlament und hofft auf Stimmen aus dem CDU-Lager. Für Röttgen ist die heutige Schlappe keine gute Ausgangsbasis für die Wahl im bevölkerungsreichsten Bundesland am Sonntag, wo er für die CDU als Spitzenkandidat antritt. (Sven Ullrich)