Kanada hat Berufung gegen die Entscheidung der Welthandelsorganisation (WTO) eingelegt, dass die Local-Content-Regelungen bei der Vergabe von Einspeisevergütungen in der Provinz Ontario internationale Handelsregelungen verletze. „Das ist das erste Mal, dass ein WTO-Schiedsgericht gegenüber Kanada eine Entscheidung fällt, die sich nur auf eine Provinz bezieht“, begründet Caitlin Workman vom kanadischen Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten und Internationalen Handel die Berufung.
Dünnschichtmodule bisher von Restriktionen ausgenommen
Seit dem Urteil des WTO-Schiedsgerichtes gegen die Local-Content-Regelungen in Ontario, die eine entsprechende Beschwerde der EU und Japans bestätigen, sehen auch andere Staaten die Möglichkeit, darüber Exportmärkte für ihre Hersteller von Photovoltaikkomponenten zu erhalten. So haben die USA eine ähnliche Beschwerde bei der WTO gegen Indien eingereicht. Dabei geht es nicht um die Einführung von Local-Content-Regelungen, sondern um deren Ausweitung. Denn bisher galt in Indien die Regelung, dass möglichst alle kristallinen Solarmodulen, die in einem Projekt verbaut werden, aus indischer Herstellung kommen müssen, um eine Einspeisevergütung im Rahmen der Jawaharlal Nehru National Solar Mission (JNNSM) zu bekommen. Dünnschichtmodule waren von dieser Regelung ausgenommen. Indiens Regierung versprach sich davon den Aufbau einer einheimischen Photovoltaikindustrie. Solang diese Regelung auf kristalline Solarzellen und Module beschränkt wurde, war es für die amerikanischen Hersteller unerheblich. Betroffen waren hauptsächlich die chinesischen Unternehmen, die sich auf die Fertigung von kristallinen Solarzellen und Modulen spezialisiert haben. Im Reglement der zweiten Phase der JNNSM, die jetzt beginnt, werden die Local-Content-Regelungen auch auf Dünnschichtmodule ausgeweitet. Das trifft vor allem amerikanische Hersteller wie First Solar mit Hauptsitz in Tempe, Arizona. Das Unternehmen, dass mit seinen Cadmium-Tellurid-Modulen zu einem der größten Dünnschichtproduzenten der Welt zählt, hat immerhin im Jahr 2011 noch acht Prozent seiner Kapazitäten auf dem indischen Markt abgesetzt. In der zweiten Stufe der ersten Phase der JNNSM stammten 130 der insgesamt installierten 340 Megawatt von First Solar. Insgesamt hat das Unternehmen bisher einen Marktanteil in Indien von etwa 20 Prozent. Jetzt haben die Amerikaner Angst, dass der Marktanteil in Indien verloren geht, sollte die Regierung tatsächlich die Local-Content-Anforderungen auf Dünnschichtmodule ausweiten.
Indische Hersteller sind in der Beweispflicht
Der US-amerikanische Branchenverband SEIA unterstützt die Beschwerde bei der WTO. „Wir begrüßen zwar Indiens ‚National Solar Mission’ und das damit verbundene Ziel, eine heimische Photovoltaikproduktion aufzubauen“, erklärt Rhone Resch, Präsident und Geschäftsführer der SEIA. „Aber das Förderprogramm muss auch im Einklang mit Indiens internationaler Handelsverpflichtungen stehen. Leider benachteiligt die Local-Content-Regelung US-amerikanische Solarzellen- und Modulhersteller. Indien scheint diese Maßnahme, die den Handel verzerrt, jetzt noch zu verstärken“, sagt Resch mit Blick auf den Entwurf der Regelungen zur zweiten Phase der JNNSM. Indien seinerseits hat für den 15. Februar zu Konsultationsgesprächen eingeladen, bei dem die Regierung nochmals seinen Standpunkt klar machen will. Bisher beharrte sie auf der Feststellung, dass man aufgrund der finanziellen Anreize zur Nutzung von Solarenergie durch Subventionen und Einspeisevergütungen auch das Recht habe, solche Bedingungen einzuführen. Gleichzeitig zeigt sich die Regierung in Neu-Delhi auch kompromissbereit. Schließlich haben die indischen Hersteller den Vorteil, den sie aus der Local-Content-Regelung schöpfen konnten, bisher nicht wirklich nutzen können, wie die Marktanteile der ausländischen Unternehmen zeigen. „Die Beweislast für eine starke Verteidigung liegt jetzt bei dem Modulhersteller und wenn sie nicht in der Lage sind, das zu schaffen, werden die Anforderungen bezüglich der einheimischen Produkte abgeschafft“, erklärt Farooq Abdullah, indischer Minister für Neue und Erneuerbare Energien, im Vorfeld der Gespräche. Insgesamt hat Indien 60 Tage Zeit, um sich mit den USA zu einigen. Sollte das nicht gelingen, können die Amerikaner bei der WTO ein Schlichtungsverfahren beantragen. (Sven Ullrich)