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Interview zur Entwicklung der Solarenergie in Deutschland

„Es spricht alles für einen dynamischeren Ausbau der Solarenergie“

Herr Körnig, der Zubau in Deutschland entwickelt sich nicht so schnell wie erwartet. Woran liegt das?

Das Positive vorweg: Erstmals seit Jahren wächst der Photovoltaikmarkt in Deutschland wieder. Die Botschaft „Solar lohnt sich“ kommt zusehends wieder bei Bürgern, Unternehmern und modernen Energieversorgern an. Trotz Trendumkehr werden die ohnehin niedrigen politischen Zubauziele 2017das vierte Jahr in Folge verfehlt. Ein Grund sind die Rahmenbedingungen, die zum Teil noch aus einer Zeit stammen, in der die Photovoltaik ein Vielfaches kostete und politisch ausgebremst und gedeckelt wurde.

Wie wird sich das in den kommenden Monaten entwickelt – bleibt es bei der Verfehlen der ohnehin niedrigen Zubauziele oder wird der Markt in Deutschland endlich Fahrt aufnehmen?

Die Geschäftsaussichten werden von der Mehrzahl der Unternehmen derzeit positiv bewertet und ein weiteres – zumindest leichtes – Marktwachstum gilt als wahrscheinlich. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir sehr weit von dem Wachstumskorridor entfernt sind, der erforderlich wäre, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Bei dem erreichten Preisniveau spricht alles für einen deutlich dynamischeren Ausbau der Solarenergie. Wachstumsbremsen wie die Belastung von Solarstrom zur Selbst- und Direktversorgung mit der EEG-Umlage müssen endlich ebenso beseitigt werden wie diverse Ausbaudeckel im EEG.

Welche Bedeutung haben dabei die aktuellen Ausschreibungsbedingungen auf die Entwicklung des Marktes?

Die derzeitige Deckelung des jährlichen Photovoltaikzubaus auf lediglich 2,5 Gigawatt sowie die starke Begrenzung der Auktionsvolumina stammen aus einer Zeit, als Solarstrom noch teuer war. Nach dem Preisrutsch der vergangenen Jahre gibt es keinen Grund mehr, den Solarenergieausbau weiter zu deckeln. Der derzeitige Ausbaukorridor ist nach unseren Berechnungen so niedrig angesetzt, dass mittel- bis langfristig gerade einmal eine Photovoltaikkapazität in Höhe von rund 60 Gigawatt erreichbar ist. Damit ließen sich gerade einmal zehn Prozent des heutigen Stromverbrauchs decken. Wissenschaftliche Studien, etwa von den renommierten Fraunhofer-Instituten ISE und IWES halten hingegen mittelfristig eine Photovoltaikkraftwerksleistung von rund 300 Gigawatt für notwendig. Aktuell decken in Deutschland Solarstromanlagen mit einer Leistung von 42 Gigawatt rund sieben Prozent des Strombedarfs.

Welche Vorschläge, Anregungen oder Forderungen haben Sie für ein neues Ausschreibungsdesign, um den Zubau zu beschleunigen?

Rund die Hälfte des künftigen Solarstrombedarfs wird aus ebenerdigen Solarparks zu erzeugen sein, die übrige Hälfte aus Photovoltaikanlagen an beziehungsweise auf Gebäuden. Um dies zu gewährleisten, muss das jährliche Photovoltaikauktionsvolumen von derzeit 600 Megawatt kurzfristig auf drei Gigawatt und mittelfristig auf rund fünf Gigawatt angehoben werden. Die Standortrestriktionen für Solarparks sollten deutlich gelockert werden, um weitere Kostensenkungspotenziale zu heben.

Die Hürden jenseits der Ausschreibungen für die Photovoltaik sind üppig. Welche Chancen sehen Sie, dass der Zubau unter einer neuen Bundesregierung wieder Fahrt aufnimmt?

An einer massiven Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien führt kein Weg vorbei, wenn die neue Bundesregierung die Klimaschutzziele wirklich ernst nimmt. Unter Energieexperten gilt als unstrittig, dass Solarenergie neben der Windkraft die wichtigste Säule der Energiewende darstellen muss. Abhängig davon, in welchem Maß wir Mobilität und Wärme künftig elektrifizieren wollen und wie energieeffizient wir dabei sein werden, halten Studien eine Verdrei- bis Versechsfachung des Photovoltaikausbaukorridors für erforderlich. Das geht aber nicht ohne eine gründliche Anpassung der Rahmenbedingungen. Echter Wettbewerb kann nur auf fairen Regeln basieren. Die stark sinkenden Kosten erlauben es, den Markt in den nächsten Jahren auf selbsttragende solare Geschäftsmodelle vorzubereiten. Dafür sind drei Voraussetzungen nötig: Erstens müssen diese Geschäftsmodelle durch den Abbau von Hemmnissen erleichtert und am Markt akzeptiert werden. Zweitens müssen faire Marktbedingungen durch eine angemessene CO2-Bepreisung geschaffen werden. Und drittens darf es auf dem Weg zu diesen selbsttragenden solaren Geschäftsmodellen keinen Fadenriss für die am Markt tätigen Unternehmen und andere Akteure geben.

Welche Themen werden in den kommenden Monaten für die Solarbranche an Bedeutung gewinnen?

Wir sehen langlaufende technische Trends, die nach und nach ihre Wirksamkeit im Markt entfalten. Diese Trends verstärken sich zum Teil gegenseitig. Nachdem Solarstrom bereits so günstig geworden ist, wächst die Bedeutung von Eigenverbrauchsmodellen sowie von Quartierslösungen. Zusehends wird der Strom nicht nur unmittelbar verbraucht, sondern ebenso für den späteren Verbrauch aufgehoben. Eine Halbierung der Speicherkosten in den letzten vier Jahren verstärkt diesen Trend. Die Nachfrage nach Batteriespeichern wird weiter steigen und schon bald auch für immer mehr der über 1,6 Millionen Besitzer bestehender Photovoltaikanlagen interessant werden. Mit wachsender Nachfrage nach Elektromobilität und dem Voranschreiten der Digitalisierung dürfte der Markt für solare und smarte dezentrale Energiesysteme und flankierende Dienstleistungen weiter an Fahrt aufnehmen.

Die Solarthermie ist in den vergangenen Jahren etwas ins Hintertreffen geraten angesichts der dominierenden Stromdebatte. Wie steht es um die Entwicklung der Branche?

Auch die Entwicklung der Solarthermie wird weiterhin von regulatorischen Rahmenbedingungen abhängen. Ihr Ausbautempo muss sich ebenfalls vervielfachen, um die Klimaziele zu erreichen. Auch hier herrscht ein Marktversagen bei viel zu niedrigen Öl- und Gaspreisen. Dringend Abhilfe schaffen muss ein intelligenter Mix aus CO2-Bepreisung, stärkeren Marktanreizen, wo nötig aber auch ordnungsrechtlichen Hebeln im Gebäudebestand und im Neubau. Es ist nicht hinnehmbar, dass die Solarthermie jedes Jahr einen spürbaren Marktrückgang verkraften muss, während sich das Klimaproblem zunehmend verschärft. Bei Erzeugungskosten im Kraftwerksmaßstab von unter fünf Cent je Kilowattstunde steht auch die Solarthermie in Sachen Kosteneffizienz längst in den Startlöchern. Es wird Zeit, dass ihre Potenziale für die Raum-, Nah-, Fern- und Prozesswärme endlich gehoben werden. Liebe Politiker, weckt endlich diesen schlafenden Riesen!

Das Gespräch führte Sven Ullrich.

Lesen Sie dazu auch einen detaillierten Bericht über die Erwartungen der Branche für die kommenden Monate im aktuellen Heft von Erneuerbare Energien.