Die indische zentrale Regulierungsbehörde für die Stromwirtschaft (Central Electricity Regulatory Commission – CERC) hat die neuen Bezugsgrößen für die Kosten von Photovoltaikanlagen auf dem Subkontinent veröffentlicht. Schon im Dezember des vergangenen Jahres gab es einen ersten Orientierungswert, der jedoch jetzt noch oben korrigiert wurde. Ursprünglich hatte die CERC die Kosten für Solaranlagen in Indien mit 50,1 Millionen Rupien (667.300 Euro) pro Megawatt installierter Leistung festgesetzt (wir berichteten). Nachdem die Solarindustrie ihre Stellungnahmen eingereicht hatten, musste die CERC den Wert für Investitionskonten von Solarprojekten auf 53 Millionen Rupien (705.900 Euro) pro Megawatt nach oben korrigieren.
Die Industrie wollte ursprünglich die Investitionskosten in Solaranlagen mit 58 bis 85 Millionen Rupie angesetzt wissen. „Es ist schon Standardpraxis, dass die Industrie sehr konservative Investitionskosten annimmt“, erklären die Experten des Beratungsinstituts Bridge to India mit Sitz in Bombay. Dass die CERC dieser Höhe nicht folgen wird, war klar. Aber ebenso klar war schon im Januar, dass die Stellungnahmen den Industrie zu einer höheren Bezugsgröße für die Investitionskosten führen werden.
Gebote liegen unter der Bezugsgröße
Eigentlich betont die Solarwirtschaft immer, dass die Kosten für die Anlagen sinken. Doch in Indien hätte dies den Effekt, dass die Förderungen auch niedriger ausfallen und die Grenzpreise in den Ausschreibungen von Freiflächenanlagen sinken. Mit dem Bezugswert für Investitionskosten des vergangenen Jahres wurden die Tarife auf 7,04 Rupien pro Kilowattstunde festgesetzt. Mit der Absenkung der Bezugskosten für Solaranlagen um gut 12,5 Prozent werden auch die Tarife um diesen Wert sinken. Das gilt vor allem für Dachanlagen. Denn diese werden mit einem Investitionskostenzuschuss gefördert, der sich an diesem Bezugswert orientiert. Doch auch auf die Ergebnisse der Ausschreibungen wird das Einfluss haben.
Allerdings wird dieser nicht so groß sein. Denn schon jetzt werden in den Auktionen regelmäßig Preise für Solarstrom angeboten, die weit unter den Bezugswerten liegen. So gingen im vergangenen Jahr in Madhya Pradesh und Telangana Angebote für Solarstromkosten zwischen 5,05 und 5,72 Rupien pro Kilowattstunde ein. „Die Rolle des Bezugswertes ist begrenzt und reflektiert nicht unbedingt die realen Investitionskosten oder Tarife am Markt“, erklären die Analysten von Bridge to India.. „Die Bezugsgröße setzt vielmehr eine obere Grenze für Tarife oder Förderungen fest, die ein Projekt bekommen kann.“ Die Zentralregierung nutzt in der Regel den Bezugswert der CERC für Projekte, die sie fördert, während Förderungen für Projekte, die von den Bundesstaaten unterstützt werden, auf die bundesstaatlichen Bezugsgrößen für die Investitionskosten zurückgreifen.
Niedrige Kosten treiben den Zubau an
Die Experten von Bridge to India gehen davon aus, dass zwei weitere Jahre der Kostenreduktion ausreichen, um Preise für Solarstrom zwischen 3,5 und vier Rupien pro Kilowattstunde zu schaffen. Ob sich dann die Regierung in Neu-Delhi durchringt, vom Ausschreibungssystem zu einer festen Einspeisevergütung umzuschwenken, bleibt allerdings unwahrscheinlich. Die Industrie wünscht sich ein solches Förderregime. Denn die feste Einspeisevergütung bietet mehr Sicherheit für die Projektentwickler und beschleunigt das Wachstum der Branche. „Allerdings stößt diese Forderung auf taube Ohren, vor allem angesichts der sinkenden Kosten“, wissen die Experten aus Bombay. „Die Regierung scheint standhaft zu bleiben, dass Ausschreibungen der beste Weg sind, um Solarenergie zu beschaffen. Dazu kommt noch, dass andere Länder wie Deutschland und Frankreich, die traditionell mit Einspeisevergütungen gearbeitet haben, inzwischen auch auf Ausschreibungen umgeschwenkt sind.“
Doch auch wenn das Auktionsregime als Förderinstrument sperrig ist, wird sich Indien zu einem der größten Solarmärkte der Welt entwickeln. Da sind sich die Analysten von Bridge to India sicher. Schon im vergangenen Jahr war das Land mit drei Gigawatt Zubau einer der größten Märkte für Solarstromanlagen weltweit. Inzwischen sind die Kosten für Photovoltaikanlagen mit die niedrigsten in der ganzen Welt.
Steuern fressen Preisvorteile auf
Doch das könnte sich in absehbarer Zeit ändern. Denn die Regierung in Neu-Delhi plant eine zentrale Steuer auf alle Waren und Dienstleistungen. Diese soll das Steuerlabyrinth der einzelnen Bundesstaaten ersetzen. Was zunächst einmal gut klingt, könnte sich für die Solarbranche als fatal erweisen. Denn gleichzeitig sollen alle Steuervergünstigungen abgeschafft werden. Davon wären auch Komponenten für Solaranlagen betroffen, die in vielen Bundesstaaten bisher von der Mehrwertsteuer befreit sind. Dadurch würden die gewonnenen Preisvorteile der letzten beiden Jahre wieder aufgefressen, weil sich durch die Steuerreform die Preise um zwölf bis 20 Prozent erhöhen würden, warnen die Experten von Bridge to India. Das aus zwei Gründen. Zum einen sind die Importe von Solarmodulen bisher zollfrei. Eine Verbrauchs- und Dienstleistungssteuer in Höhe zwischen 17 und 20 Prozent würde aber auch auf diese Module anfallen. Aber auch die indischen Modulhersteller würden darunter leiden. Schon jetzt sind sie im Nachteil gegenüber ausländischen Konkurrenten, weil beim Handel zwischen den einzelnen Bundesstaaten Steuern fällig werden. Zwar genießen die indischen Module einen Steuervorteil in den meisten Bundesstaaten in Höhe von fünf Prozent. Durch die Einführung einer einheitlichen Verbrauchs- und Dienstleistungssteuer würde dieser Vorteil komplett aufgefressen.
Pipeline ist in Gefahr
Dies würde sich sowohl auf bereits geplante als auch auf neue Projekte auswirken und den Ausbau von Solarstromanlagen in Indien drastisch bremsen. Die Projektpipeline hat derzeit einen Umfang von etwa 23 Gigawatt. Für dieses Jahr haben die Analysten einen Zubau von 4,8 Gigawatt prognostiziert. Im kommenden Jahr werden Solaranlagen mit einer Gesamtleistung von neun Gigawatt entstehen. Schon das wird nicht ausreichen, um das von Neu-Delhi anvisierte Ziel von 100 Gigawatt Solarstromleistung bis 2022 aufzubauen. Um das zu erreichen, müssten jedes Jahr Anlagen mit einer Gesamtleistung von etwa 15 Gigawatt neu gebaut werden. Eine Verteuerung der Anlagen wird das Erreichen dieses Ziels in weite Ferne rücken lassen. Aus diesem Grund verhandelt das Ministerium für Neue und Erneuerbare Energien (MNRE) gerade mit dem Fiskus, um die Komponenten für Ökostromanlagen von der neuen Steuer auszunehmen. Die Steuerreform soll spätestens zum Juli dieses Jahres in Kraft treten. (Sven Ullrich)